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Die Schlammlawine von Brumadinho: eine Katastrophe mit Ansage

Am 25. Januar 2019 brach in der Nähe der brasilianischen Kleinstadt Brumadinho im Bundesstaat Minas Gerais der Damm eines Rückhaltebeckens für Minenschlämme. Die Eisenerzmine „Corrego do Feijão“ befindet sich im Besitz des brasilianischen Bergbaukonzerns Vale. Der Dammbruch hat nach bisherigem Stand mehr als 165 Menschenleben gefordert, mehr als 155 Menschen werden noch vermisst. Die Chancen, dass noch welche lebend geborgen werden, gehen gegen Null.

© MAB

Der Dammbruch erscheint vielen Beobachtern wie ein Déjà-Vu:  bereits 3 Jahre zuvor, am 5. November 2015, ereignete in der nur 130 km entfernten Stadt Mariana ein katastrophaler Dammbruch in der Eisenerzmine Samarco. Diese befindet sich ebenfalls im Besitz der brasilianischen Vale sowie des anglo-australischen Bergbaukonzerns BHP Billiton. Etwa 45 Millionen Kubikmeter Schlamm ergossen sich damals in das Flusstal des Rio Doce und zogen eine 600 km lange giftige Spur bis zum Atlantik. Das Dorf Bento Rodriguez sowie weitere Gemeinden wurden unter dem Schlamm begraben. 19 Menschen starben, mehr als 1 Mio. Menschen sind bis heute von den Auswirkungen der schwersten Bergbaukatastrophe Brasiliens betroffen, weil sie ihre Lebensgrundlage verloren haben, weil ihr Wasser auf viele Jahre mit Schwermetallen verseucht ist, weil der Rio Doce, von dem viele Menschen abhängen, kein „süßer Fluss“ mehr ist, sondern ein toter Fluss.

Obwohl das Risiko eines Dammbruchs bekannt war, hatten die verantwortlichen Unternehmen das Becken durch eine massiv gesteigerte Fördermenge überlastet und somit den Dammbruch provoziert. Die von Vale und BHP Billiton geleisteten Entschädigungszahlungen sind bis heute minimal, ein großer Teil der Betroffenen wurde von den Konzernen nicht als Opfer anerkannt und wird wohl niemals für die Schäden entschädigt werden. Nach dem Dammbruch in Mariana haben Vertreter von Behörden wie auch das Management von Vale versprochen, rigorose Sicherheitskontrollen vorzunehmen. Der Dammbruch in Brumadinho straft sie alle Lügen.[1]

© Ricardo Sturk/MAB
© Ricardo Sturk/MAB

Beim Dammbruch in Brumadinho haben sich etwa 12 Millionen Kubikmeter Schlamm aus der Mine in das Flussbett des Rio Paraopeba ergossen, einen der Hauptzuflüsse des Río São Francisco, der wiederum einer der wichtigsten Wasserversorger für den brasilianischen Nordosten ist. Die Schlammlawine begrub die Cafeteria des Bergbaukonzerns unter sich, in der sich viele Angestellte aufhielten. Auch eine Pension und mehrere Wohnhäuser wurden unter dem Schlamm begraben.[2] Inzwischen hat die Schlammwelle den Río São Francisco erreicht, viele Gemeinden und mehrere indigene Völker haben so ihren Zugang zu Trinkwasser verloren. Die Fischer am Fluss Paraopeba können nur noch tote Fische aus dem Fluss fischen.

Eine kalkulierte Katastrophe

Wie schon im Fall Mariana kam auch in Brumadinho die
Katastrophe  mit Ansage. So hatte das
deutsche Prüfunternehmen TÜV-SÜD Vale offenbar schon im Mai 2018 auf die
Risiken im Zusammenhang mit dem Damm aufmerksam gemacht. Statt jedoch die Cafeteria für die Arbeiter direkt unterhalb des Damms außer
Betrieb zu nehmen und die Sicherheitsmaßnahmen zu erhöhen, hat Vale in einem
dubiosen Fast-Track Verfahren im Dezember 2018 die Minenaktivitäten in der
Corrego do Feijão-Mine ausgeweitet und alle Risiken ignoriert. [3] Nur wenige Wochen später wurden Dutzende Arbeiter in der Cafeteria
von den Schlammmassen überspült und bei lebendigem Leib begraben.

© Ricardo Sturk/MAB
© Ricardo Sturk/MAB

Profite für die
Aktionäre wichtiger als Sicherheitsmaßnahmen

Das brasilianische Bergbauunternehmen Vale ist weltweit der
größte Minenbetreiber für Eisenerz und das drittgrößte Bergbauunternehmen nach
den australisch-britischen Konzernen BHP und Rio Tinto. Neben Eisenerz baut das
brasilianische Unternehmen Nickel, Kupfer und andere Metalle ab und besitzt
Wasserkraftwerke, Schienennetze, Häfen und Schiffe zur Lieferung seiner
Produkte. Weltweit beschäftigt Vale ca. 
76.500 Menschen. Der  Börsenwert
des Unternehmens liegt bei 78,7 Milliarden Dollar (69,04 Milliarden Euro). [4]
Medienberichte weisen darauf hin, dass Vale in
den Jahren 2014-2017 den Shareholder Value seiner Aktionäre erhöht und auf der
anderen Seite die Investitionen in Wartung und Sicherheit der Minen drastisch
reduziert hat.[5] 2017
erwirtschaftete Vale einen Gewinn von 5,5 Milliarden Dollar bei einem Umsatz
von 34 Milliarden Dollar. Netto bedeutet dies ein Plus von 38 Prozent
verglichen zum Vorjahresergebnis. Der hohe Gewinn wurde durch
Kosteneinsparungen möglich.[6] Diese Kosteneinsparungen haben jetzt für eine Vielzahl von Menschen
den Tod gebracht.

Der Damm der Eisenerzmine Corrego do Feijão war genau wie
der im November 2015 gebrochene Damm in der Samarco-Mine im sogenannten
Upstream-Verfahren gebaut – ein weit verbreitetes Verfahren, das aber erhebliche
Risiken birgt.[7] Deshalb
ist diese Bauweise für Rückhaltebecken von Minenschlämmen in vielen Ländern verboten.
Experten fordern, dass dieses Verfahren auch in Entwicklungs- und
Schwellenländern verboten wird.[8]
In Brasilien gibt es jedoch mindestens 87 Dämme, die genau nach demselben
Verfahren gebaut sind. 83 dieser Dämme wurden von der brasilianischen Regierung
als riskant eingestuft. 27 dieser Dämme liegen oberhalb von Städten oder
Gemeinden. Mehr als 100.000 Menschen sind davon bedroht, ebenfalls von giftigen
Schlammwellen überrollt zu werden.[9]
Das Upstream-Verfahren ist billig, weshalb es in Brasilien nach wie vor
zulässig ist. Es gibt jedoch deutliche bessere und sicherere Verfahren. Vale
setzt diese Technologie in anderen Minen auch bereits ein. Es liegt am
brasilianischen Staat, die Upstream-Methode zu verbieten, bevor weitere Dämme
brechen. Nach dem Dammbruch in Mariana vor 3 Jahren gab es eine breit getragene
Gesetzesinitiative, die vom Ministerio Público
in Minas Gerais angeführt wurde und insgesamt 56.000 Unterzeichner sowie die
Unterstützung der Umweltbehörde IBAMA hatte. Die Initiative forderte das Verbot
des Upstream-Verfahrens. Das Gesetz wurde nicht verabschiedet.[10]

Das deutsche Prüfunternehmen TÜV-SÜD hat die Stabilität des
Damms schon im Mai 2018 geprüft und erhebliche Sicherheitsrisiken
identifiziert. Am 13.2.2019 erließ die Staatsanwaltschaft von Minas Gerais Haftbefehl
gegen 8 Vale-Mitarbeiter – die Anklage lautet auf Mord. Laut diesem Haftbefehl wusste
TÜV-SÜD, dass es dramatische Folgen haben könnte, den Prüfbericht zu
unterzeichnen. Der Email-Verkehr zwischen TÜV-SÜD und Vale sowie Aussagen von
Mitarbeitern des TÜV-SÜD, die in dem Haftbefehl zitiert sind, legen nahe, dass
TÜV-SÜD sich der Risiken, die von dem Damm ausgingen, vollkommen bewusst war. Die TÜV-Techniker äußerten sich offenbar besorgt über die Entwässerung
des Damms und seine Überwachung. Sie
formulierten Auflagen, um die Sicherheit rund um
den Damm zu erhöhen, unter anderem ein Überwachungssystem,
das auch kleinste Bodenbewegungen registriert
sowie die Auflage, auf dem Damm keine schweren Gerätschaften zu bewegen. Vale
erklärte nach dem Dammbruch, man habe alle Empfehlungen umgesetzt. [11] Bereits im Dezember 2018 jedoch, nur wenige Monate nach der Prüfung
durch TÜV-SÜD, hat Vale eine Genehmigung beantragt, um auf dem Damm schwere
Gerätschaften bewegen zu dürfen, obwohl TÜV-SÜD davor gewarnt hatte.[12]

Aus dem Haftbefehl geht hervor, dass TÜV-SÜD die Risiken im
Zusammenhang mit dem Damm kannte und Vale mit Nachdruck darauf hingewiesen hat.
Angeblich hat Vale die Mitarbeiter des TÜV-SÜD jedoch gedrängt, den Prüfbericht
trotz dieser Risiken zu unterzeichnen und dem TÜV-SÜD gedroht, die Kooperation
zu beenden, wenn TÜV-SÜD den Bericht nicht unterzeichnen würde.[13]

Welche Gründe dazu führten, dass TÜV-SÜD entgegen aller
Bedenken den Prüfbericht unterzeichnete, ist noch nicht abschließend geklärt.
Wenn TÜV-SÜD seine menschenrechtliche Verantwortung den wirtschaftlichen
Interessen untergeordnet hat, hat es sich an der Katastrophe von Brumadinho
mitschuldig gemacht. Die Staatsanwaltschaft von Minas Gerais prüft derzeit, ob
die Mordanklage gegen Vale-Mitarbeiter auch auf Mitarbeiter des TÜV-SÜD
ausgeweitet wird.

Dammbrüche wie der von Mariana vor 3 Jahren oder jetzt von Brumadinho
sind aus Sicht der Partnerorganisationen von Misereor keine schicksalhaften
Katastrophen, sondern Verbrechen, die durch Profitgier, fehlende
menschenrechtliche Sorgfalt der Unternehmen und mangelhafte Kontrollen sowie
Straflosigkeit auf Seiten des Staates ermöglicht wurden. 

Ein System von
Verantwortungslosigkeit und Straflosigkeit

Der Dammbruch in Brumadinho zeigt in aller Deutlichkeit,
dass weder die Bergbauindustrie selbst noch der brasilianische Staat die
Situation unter Kontrolle haben. Die übermächtige Bergbauindustrie hat in
Brasilien eine Situation geschaffen, in der sie weitgehend ungehindert von
staatlicher Kontrolle agieren kann. Selbstregulierung und die Beauftragung von
Prüfunternehmen durch die Konzerne zur Kontrolle von Sicherheitsrisiken sind an
der Tagesordnung. Der Staat hält sich raus und lässt den Unternehmen freie
Hand. Gesetze werden von der Bergbauindustrie geschrieben, nicht für sie. Die
Situation der Straffreiheit nach dem Dammbruch in Mariana vor drei Jahren zeigt
deutlich, welche Freiheiten die Bergbauindustrie in Brasilien genießt und wie
der Staat toleriert und aktiv unterstützt, dass sich die Industrie aus der
Verantwortung ziehen kann.[14]
Auch jetzt versucht der Konzern, sich aus der Verantwortung zu ziehen. So
forderte Konzernchef Fabio Schvartsman vor einem Parlamentsausschuss, das
Unternehmen nicht wegen der Katastrophe zur Rechenschaft zu ziehen. Vale sei
ein „brasilianisches Kronjuwel“ und dürfe nicht für „einen
Unfall an einem seiner Dämme“ bestraft werden – „egal wie groß die
Tragödie ist“, sagte Schvartsman.[15]

Anstatt die Straflosigkeit zu bekämpfen und die staatliche
Umweltpolitik zu verschärfen, hat Brasiliens neuer Präsident Jair Bolsonaro
angekündigt, den Bergbau in Brasilien massiv ausbauen zu wollen und dafür
Umweltstandards weiter zu flexibilisieren und die Vergabe von Lizenzen zu
erleichtern. Direkt nach seiner Wahl im November 2018 spielte er offen mit dem
Gedanken, das Umweltministerium ganz abzuschaffen. Beim Weltwirtschaftsforum in
Davos kündigte Bolsonaro an, die Wirtschaft für ausländische Investitionen zu
öffnen, Steuersenkungen durchzuführen, Regeln und Bürokratie abzubauen und die
Regulierungen durch Umweltbehörden zu beschneiden. Es müsse Schluss sein mit
der „Bußgeld-Industrie“ der brasilianischen Umweltbehörden, so der brasilianische
Präsident auf Twitter.

Was heißt das für
deutsche Unternehmen?

Deutsche Unternehmen und Banken wissen um die fehlende
staatliche Regulierung und Sanktionierung. Spätestens seit dem Dammbruch von
Mariana kann keine deutsche Bank, kein deutsches Unternehmen behaupten, von der
Skrupellosigkeit von Vale und anderen Bergbaukonzernen nichts zu wissen.
Unzählige Medienberichte legen das komplette Versagen des brasilianischen
Staats, die Menschenrechte der Leute im Umfeld von Minen zu schützen, offen.
Zivilgesellschaftliche Akteure aus Brasilien berichteten nach dem Dammbruch von
Mariana in Deutschland und ganz Europa von den skandalösen Zuständen. Aktionäre
wurden informiert. Banken angeschrieben. Unternehmen entlang der Lieferkette
auf ihre Verantwortung aufmerksam gemacht. Keiner kann sagen „das haben
wir nicht gewusst“.

Dass die „Kontrollen“, die in brasilianischen Minen stattfinden, ihr Ziel verfehlen, zeigt der Brumadinho-Fall in aller Deutlichkeit. Nach Aussage der MISEREOR- Partnerorganisation MAB ( Bewegung der von Staudämmen Betroffenen), gibt es allein im Bundesstaat Minas Gerais mehr als 720 Rückhaltebecken für Minenschlämme. MAB warnte schon seit dem Dammbruch in Mariana davor, dass viele dieser Dämme nicht ausreichend kontrolliert werden und dass in Minas Gerais bis zu 50 Dämme von Rückhaltebecken erhebliche Risiken aufweisen. Auch der Leiter der brasilianischen Umweltbehörde IBAMA, Julio Cesar Dutra Grillo, hatte im Dezember erklärt, dass mehr als 300 Dämme von Rückhaltebecken allein im Bundesstaat Minas Gerais nicht sicher sind.[16]  

Die Verantwortung der
deutschen Industrie

Die deutsche Industrie importiert fast 56% seiner Eisenerze
aus Brasilien. Im Jahr 2017 waren es rund 26 Mio. Tonnen.[17]
Die Unternehmen ThyssenKrupp Steel Europe, ArcelorMittal Deutschland,
Salzgitter AG, HKM, Saarstahl AG, Dillinger Hüttenwerke, Badische Stahlwerke, RIVA
und andere produzieren aus dem Eisenerz Stahl.
[18]
Deutschland ist der größte Stahlhersteller in der EU und der siebgrößte
Stahlhersteller der Welt.[19]
Der Stahl geht zu 35% in die Bauindustrie, zu 26% in die Automobilindustrie und
zu 11% in den Maschinenbau. Automobilhersteller, Maschinenbauer  und die Bauindustrie sind also aufgefordert,
zu überprüfen, ob sie Stahl verbauen, der aus brasilianischen Eisenerzminen
stammt. Wenn sie dies tun, laufen sie Gefahr, in Katastrophen wie die von
Mariana und Brumadinho verwickelt zu sein.

ThyssenKrupp hat zwischen 2016 bis 2018 mehr als 40 Mio. Tonnen
Eisenerz von Vale und dessen Tochterunternehmen in Brasilien gekauft. Nach
eigenen Angaben hat das Unternehmen 2016 zwei Audits bei Vale durchgeführt,
alle „ohne Beanstandungen“. Da die Audits positiv waren, hat ThyssenKrupp
gegenüber VALE auch keine konkreten Erwartungen formuliert, um die Sicherheit
der Rückhaltebecken in den Zulieferminen zu verbessern.[20]
Dass Prüfungen und Audits jedoch keine ausreichenden Instrumente sind, um
menschenrechtliche Katastrophen zu verhindern, zeigt der Fall Brumadinho
eindrücklich.

Die Deutsche Bank hat dem
brasilianischen Bergbaukonzern zwischen 2010 und 2017 rund 701 Mio. Euro an
Krediten und Anleihen zur Verfügung gestellt. Außerdem hält die Deutsche Bank
Aktien an dem brasilianischen Konzern. Vertreter von Partnerorganisationen von
Misereor wiesen die Deutsche Bank im Mai 2018 auf die Skrupellosigkeit  von Vale hin. Ob die Deutsche Bank daraus die
notwendigen Konsequenzen gezogen und ihre Anteile an dem Bergbaukonzern
verkauft hat? Auf deutscher Seite bieten unter anderem folgende AssetManager
Fonds mit Vale an: DWS, UnionInvestment, Deka, Allianz Global Investors.[21]

Unternehmen aus Deutschland, die ihre menschenrechtliche Sorgfaltspflichten
ernst nehmen,  dürfen keine Mineralien
von einem Konzern wie Vale kaufen, einem Konzern, dessen Mitarbeiter unter
Mordverdacht stehen. Prüfunternehmen wie TÜV-SÜD dürfen keine
Sicherheitszertifikate für Installationen ausstellen, die nicht allerhöchsten
internationalen Anforderungen genügen. Und Banken dürfen keine Kredite an
Unternehmen vergeben, die Verbrechen begehen. Dass und wie deutsche Unternehmen
ihre menschenrechtliche Verantwortung wahrnehmen, darf nicht ihrer eigenen
Einschätzung überlassen sein, sondern muss von gesetzlicher Seite geregelt
sein.

Denn auch wenn die Dammbrüche von Mariana und Brumadinho die
bislang schlimmsten Bergbau-Katastrophen in Lateinamerika sind – Einzelfälle
sind sie nicht. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) registrierte
in einem Bericht aus dem Jahr 2017 mindestens 104  Dammbrüche, die sich seit den 90er Jahren
ereignet haben.[22] Im Jahr
2014 brach in der Buenavista Kupfermine in Mexiko der Damm eines Rückhaltebeckens
für Minenschlämme: 40.000 Kubikmeter Kupfersulfat kontaminierten drei Flüsse
auf einer Länge von 250 Kilometern. Mehr als 22.000 Personen wurden dadurch von
der Trinkwasserversorgung abgeschnitten.[23]
In der argentinischen Veladero Mine des kanadischen Bergbaukonzerns Barrick
Gold brach 2015 ein Damm. In der Folge gelangten 224.000 Liter giftige
Zyanidlauge in den Rio Jachal.[24]
Ebenfalls im argentinischen Catamarca betreibt der Schweizer Rohstoffgigant
Glencore eine riesige Kupfermine. Die Erzpipeline, die die Kupfererze über
Hunderte Kilometer transportiert, brach mindestens schon sechs Mal, wobei
schwermetallhaltige Flüssigkeit in die Umwelt gelangte. Aus dem Rückhaltebecken
für Minenschlämme gelangt kontaminiertes Wasser ins Grundwasser. Die Bewohner
im Umfeld der Mine warnen überdies schon seit Jahren vor dem Einsturz des
Damms  eines Beckens für Minenrückstände
– das Becken hat eine Oberfläche von 30 Hektar und ist 150 Meter tief. Doch
niemand will die Warnungen hören – wie auch die Warnungen der Bewohner von
Brumadinho ungehört blieben.

All diese Unfälle bestätigen, was unsere
Partnerorganisationen uns regelmäßig berichten: Unfälle in Minen passieren
ständig. Kontrollen werden umgangen. Umweltgesetze ausgehebelt. Regulierungen
flexibilisiert. Misereor arbeitet seit vielen Jahren zur Bergbauproblematik in
Lateinamerika und dokumentiert regelmäßig Menschenrechtsverletzungen und
Umweltkatastrophen im Umfeld von Bergbauprojekten – seien es nun Gold-,
Silber-, Kupfer-, Nickel-, Zinn- oder Zinkminen, um nur einige der Rohstoffe zu
nennen, die aus Lateinamerika zu uns nach Deutschland kommen.

Der Fall Vale schlägt sicher alle traurigen Rekorde. Aber
leider sind das Wegschauen der Regierungen, das Laisser-Faire und freiwillige
Selbstkontrollen der Unternehmen nicht die Ausnahme, sondern die Regel.
Regierungen lassen sich von Unternehmen ihre staatlichen Zügel aus der Hand
nehmen. Das ist die Katastrophe hinter den Katastrophen von Mariana und
Brumadinho. Und auch in Deutschland sind Unternehmen sehr erfolgreich dabei,
gesetzliche Regelungen zu verhindern und auf freiwillige Selbstkontrolle zu
pochen.

Die Bundesregierung muss alle deutschen Unternehmen gesetzlich
dazu verpflichten, mit der allergrößten menschenrechtlichen Sorgfalt zu agieren
– sowohl in ihren eigenen Unternehmen als auch entlang der gesamten
Lieferkette. Auch Banken müssen zur Einhaltung von Sorgfaltspflichten
verpflichtet werden. Nur durch gemeinsame Verantwortung und wirksame Kontrolle
kann das System der Straflosigkeit und Willkür durchbrochen und weitere
Katastrophen wie die von Brumadinho verhindert werden.


 

[1] https://www.nytimes.com/interactive/2019/02/09/world/americas/brazil-dam-collapse.html

[2] siehe
Video vom Dammbruch hier https://www.youtube.com/watch?v=XjiRCWi_zi4

[3] https://www.nytimes.com/interactive/2019/02/09/world/americas/brazil-dam-collapse.html

[4] http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/dammbruch-brasilien-bergbaukonzern-vale-prueft-aussetzung-dividende-a-1250295-2.html

[5]  https://diplomatique.org.br/vale-uma-empresa-financeirizada/#_ftn1 

[6] http://www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/dammbruch-brasilien-bergbaukonzern-vale-prueft-aussetzung-dividende-a-1250295-2.html

[7] https://www.nytimes.com/interactive/2019/02/09/world/americas/brazil-dam-collapse.html

[8] https://www.nationalgeographic.com/environment/2019/01/brazil-brumadinho-mine-tailings-dam-disaster-could-have-been-avoided-say-environmentalists/

[9] https://www.nytimes.com/interactive/2019/02/09/world/americas/brazil-dam-collapse.html

[10] https://www.nationalgeographic.com/environment/2019/01/brazil-brumadinho-mine-tailings-dam-disaster-could-have-been-avoided-say-environmentalists/

[11] https://www.nytimes.com/interactive/2019/02/09/world/americas/brazil-dam-collapse.html

[12]

[13] Decisão Judicial do Ministério
Público do Estado de Minas Gerais, Autos n. 0001819 92 2019 8 13 0090 do
13/02/19

[14] https://www.nytimes.com/interactive/2019/02/09/world/americas/brazil-dam-collapse.html

[15] http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/dammbruch-in-brasilien-polizei-nimmt-acht-vale-mitarbeiter-fest-a-1253545.html

[16] https://www.bbc.com/portuguese/brasil-47013802

[17] s.Bundesanstalt
für Geowissenschaften und Rohstoffe (2018): Deutschland – Rohstoffsituation
2017.

[18] s.Bundesanstalt
für Geowissenschaften und Rohstoffe (2018): Deutschland – Rohstoffsituation
2017.

[19]

[20] vgl.
Antworten auf Rückfragen der „Kritischen Aktionäre“ bei der
Aktionärsversammlung von ThyssenKrupp am 1. Februar 2019

[21] Recherchen Facing Finance

[22] UNEP: Mine Tailings Storage: Safety
is no accident.

[23] https://www.pagina12.com.ar/175701-los-derrames-de-las-mineras

[24] (Seite leider nicht mehr vorhanden)

Geschrieben von:

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Susanne Friess war als Beraterin mit dem Schwerpunkt Bergbau und Entwicklung für die Lateinamerika-Abteilung von MISEREOR tätig.

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