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Ein Papst mitten unter uns

Die Synode geht weiter:
Rückblick und Ausblick

Ok, wir spulen zurück:
Am 4. Oktober, passend zum Tag des Hlg. Franziskus, pflanzte Papst Franziskus mit Indigenen und Synodenteilnehmerinnen und -Teilnehmern einen Baum. Schön war, dass er zunächst einmal von dem für ihn auf einem Podest vorbereiteten Stuhl absah. Bewusst setzte er sich unter seine Mitbrüder und fand schließlich einen Platz zwischen Kardinal Hummes und dem luxemburgischen Erzbischof Hollerich. Für die Leserschaft vielleicht kleine Gesten, für die katholische Welt wichtige Zeichen! Er sitzt da, einfach so, simple und unter Kollegen sozusagen.  

Papst Franziskus und Kardinal Hollerich
Kardinal Claudio Hummes, Papst Franziskus und Erzbischof J.-C. Hollerich, der am Folgetag zum Kardinal ernannt wurde. (Foto: Jaime C. Patias)

Am 5. Oktober während der Ernennung der neuen Kardinäle, unter ihnen auch der oben genannte Hollerich, bittet Papst Franziskus die neuen Purpurträger, sich immer wieder zu fragen, ob sie fähig sind, in ihrem Dienst aufrichtig zu sein, hinzuschauen und aufs Ganze zu setzen, auch wenn dies das eigene Leben kosten könnte: „Die Bereitschaft eines Kardinals, das eigene Blut hinzugeben – darauf verweist die rote Farbe des Gewandes – ist dann gewiss, wenn sie in dem Bewusstsein, Mitleid empfangen zu haben, und in der Fähigkeit, Mitleid zu haben, begründet ist.“
Der Papst unterstreicht die Wichtigkeit, sich in Gott geborgen und geliebt zu fühlen, ja sein an uns gerichtetes Mitleid zu spüren: „Viele unaufrichtige Verhaltensweisen von Kirchenleuten haben ihre Ursache im Mangel an diesem Gespür für das empfangene Mitleid und in der Gewohnheit wegzuschauen, in der Gewohnheit der Gleichgültigkeit.“ Papst Franziskus spricht Klartext. Aber auch die Zeichen um uns herum überzeugen, so das aus einem Flüchtingsboot geschnitzte Holzkreuz mit einem Nagel von Kardinal Michael Czerny, ganz ohne Worte spricht es zu uns.

Brustkreuz des Jesuiten und neu ernannten Kardinals Michael Czerny
Brustkreuz des Jesuiten und neu ernannten Kardinals Michael Czerny – Materialien aus einem Flüchtlingsboot / Lampedusa (Foto: Jaime C. Patias)

Am 6. Oktober die Eröffnung der Amazoniensynode. Die Predigt des Papstes rüttelt an allem Festgefahrenen und von sich Überzeugtem: „Gott bewahre uns vor der Gier neuer Kolonialismen!“ In den Begegnungen auf Augenhöhe ginge es um Respekt und Achtsamkeit mit den Kulturen: „Wenn man die Völker und Kulturen ohne Liebe und Respekt verschlingt, ist dies nicht das Feuer Gottes, sondern der Welt. Und wie oft ist doch die Gabe Gottes nicht angeboten, sondern aufgezwängt worden, wie oft hat es Kolonisierung statt Evangelisierung gegeben!“ Die Aktualität der päpstlichen Worte sind nicht zu überbieten, denn sie gehen auf die Waldbrände im Amazonasgebiet ein: „Das von zerstörerischen Interessen gelegte Feuer wie jenes, das kürzlich das Amazonasgebiet verwüstet hat, […] lodert auf, wenn man nur die eigenen Ideen voranbringen, die eigene Gruppe bilden, die Verschiedenheiten verbrennen will, um alles und alle zu vereinheitlichen.“ Diversität ist angesagt, Indigene finden Anerkennung und rücken ins Zentrum des Geschehens.

Der 7. Oktober beginnt für mich sehr früh. Bereits um 6 Uhr trifft sich eine Gruppe vor dem Petersdom zum Gebet und läutet den ersten Arbeitstag der Synode ein. Wir pilgern dann betend und singend in den Petersdom und erwarten dort Papst Franziskus, die Kardinäle und Bischöfe sowie viele weitere Synodalteilnehmerinnen und -Teilnehmer. Und plötzlich mischt der Papst sich wiederum mitten unter uns. Was er predigt, das praktiziert er in diesen kleinen Dingen, so mein Eindruck. Das Bunte hat plötzlich Platz in der Kirche. Die Fotos der einmaligen Prozession aus dem Petersdom über den Petersplatz hin zur Synodenhalle gingen um die Welt.

Prozession der Synodalen
Prozession der Synodalen und einer betenden, pilgernden Gruppe, hier zusammen mit dem Papst (Foto: Jaime C. Patias)

Es mag ein surreales Setting sein: der weißgekleidete Papst, das Rot der Kardinäle, das Lila der Bischöfe und die Indigenen, viele von ihnen tragen als Anführer und Anführerinnen der jeweiligen Ethnie die individuelle Kopfbedeckung aus Federn. Es soll hier ein für alle Mal klargestellt werden: es handelt sich hier keinesfalls um Schmuck, sondern bedeutet Identität und die Repräsentanz einer Ethnie mit ihrer jahrhundertalten Kultur, die es gilt zu respektieren. Alles passt zusammen, alles hat seinen Platz, wenn auch völlig anders, für viele neu. Hier im Petersdom, wo wir am Vortag noch das gregorianische Credo sangen, erklingt heute der Berimbau, ein Instrument der afrobrasilianischen Völker, die weiterhin unterdrückt und von ihren Territorien vertrieben werden. Der Klang erinnert mich an Lebensfreude und Gemeinschaft, gleichzeitig Resistenz und Martyrium. 

Video: Leon Souza | REPAM Brasilien

Vom 7.-9. Oktober tagen die Synodalen, hören sich zu, spüren dem Gesprochenen nach. Es geht um das Recht auf Eucharistie in den entlegensten Regionen des Amazonasgebietes und eine Kirche mit dem Antlitz Amazoniens. Es geht aber auch um den Kampf gegen Bergbau, der die Fische im Fluss sterben lässt, das Wasser mit Quecksilber verseucht und die Urvölker vertreibt. Themen wie Tourismus, der mit seinem hinterlassenen Müll die Umwelt zerstört als auch die überfällige Landzertifizierung angesichts der intensiven Agrarindustrie kommen auf den Tisch. Internationale Lobbyarbeit, die die Verantwortung der Unternehmen fordert, spielt eine Rolle in den Diskursen der Synodalen.

Seit dem 10.10. arbeiten die in Rom Tagenden nun in Kleingruppen. Immer wieder geben sie Interviews, treffen und beraten sich und suchen, die weltweite Dimension der zerstörerischen Kraft, die Papst Franziskus in seiner Predigt ansprach, zu verstehen und eine Alternative zu schaffen. Die 35 Teilnehmerinnen verbünden sich miteinander und mit den Synodalen. Sie sind Sprachrohr ihrer jeweiligen gelebten Situation vor Ort sowie ihrer Organisationen, die sich für einen systemischen Wandel, für Klimagerechtigkeit und nachhaltige Lebensstile sowie für die Transformation der globalen Energie- und Ernährungssysteme engagieren. Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern spielt hierbei eine stete Rolle, berücksichtigt aber auch die unterschiedlichen kulturellen und wirtschaftlichen Kontexte. Die Frauen bringen ihre jeweilige erprobte und durch Jahre der intensiven Arbeit in Bereichen wie Entwicklung und Evangelisierung fachlich wertvolle Sichtweise ein.

Der Papst mit den Synodenteilnehmerinnen
Der Papst mit den Synodenteilnehmerinnen (Foto: REPAM Brasilien)

Am 13.10. wurde dann u. a. die brasilianische Ordensfrau Irmã Dulce Lopes Pontes (1914-1992) heiliggesprochen, mit ihr haben viele die Hoffnung, dass – ähnlich des Wortlauts der päpstlichen Predigt zur Heiligsprechung, ein „Weg der Liebe an die existentiellen Rändern der Welt“ mit der Synode gebahnt wird.

Wie aktuell die Synode ist, zeigt sich nicht zuletzt an den jüngsten, überaus besorgniserregenden Unruhen in Ecuador, auch hier sind die Indigenen erneut unter den Hauptleidtragenden.

Der Papst während der Prozession aus dem Petersdom hin zum Tagungsort der Synodalen
Der Papst während der Prozession aus dem Petersdom hin zum Tagungsort der Synodalen. (Foto: Jaime C. Patias)
Die Anführerin der Guarani-Kaiowá, Frau Leila Roxa, die sich für ihre Ethnie einsetzt und deren Mann im Kampf für das indigene Territorium ermordet wurde. Der Papst begegnet ihr mit Hochachtung und tiefem Respekt
Die Anführerin der Guarani-Kaiowá, Frau Leila Roxa, die sich für ihre Ethnie einsetzt und deren Mann im Kampf für das indigene Territorium ermordet wurde. Der Papst begegnet ihr mit Hochachtung und tiefem Respekt. (Foto: Jaime C. Patias)

Über die Autorin: Regina Reinart arbeitet als Länderreferentin Brasilien bei MISEREOR.Während der Sondersynode der Bischöfe für das Amazonasgebiet begleitet sie die MISEREOR-Partner der Region und ist Brücke nach Deutschland.


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Regina Reinart arbeitet als Länderreferentin Brasilien bei Misereor.

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