Das Netzwerk „South Asians for Human Rights“ hat in Kathmandu eine Konferenz zum Thema „Shrinking Space“ veranstaltet. MISEREOR-Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon war vor Ort und berichtet.
Die Luft wird langsam schwer im Konferenzraum im nepalesischen Kathmandu, wo ich seit Stunden den Berichten von Journalistinnen und Journalisten, Menschenrechtlerinnen und Menschenrechtlern aus acht Ländern Südasiens zuhöre. Dies empfinde ich jedoch nicht etwa aufgrund schlechter Lüftung so, sondern vielmehr aufgrund des bedrückenden Charakters ihrer Berichte. Diejenigen, die sich in ihren Ländern für Menschenrechte, Minderheiten und eine offene, freie und gerechte Gesellschaft einsetzen, sind weithin enorm unter Druck – vielleicht noch am geringsten in unserem Gastgeberland Nepal.
Bestätigt wird dies auch durch jüngste Berichte aus EU-Kreisen oder von internationalen Organisationen. Das Thema persönliche und institutionelle Sicherheit und Schutz spielt daher in unserem Austausch naturgemäß eine große Rolle – drohen manchen aus dem Teilnehmer-Kreis zuhause doch nicht nur öffentliche Diffamierung und Beschimpfung, sondern durchaus auch Haft, wenn nicht gar Lebensbedrohung. Wie real dies ist, zeigt sich, wenn Namen und Schicksal von ermordeten oder inhaftierten Aktivistinnen und Aktivisten vorgetragen werden – stets waren es Menschen, die sich für andere eingesetzt und mächtige politische oder ökonomische Interessen herausgefordert hatten.
Besonders schwierig scheint aktuell die Lage in Indien, Bangladesch, Pakistan, Afghanistan und auf den Malediven- stets geht es dabei um den herrschenden oder wachsenden Einfluss nationalistischer, fundamentalistischer, minderheitenfeindlicher und autoritärer Gesellschaftskonzepte oder massive Machtkonflikte entlang ethnischer oder religiöser Linien. Und immer geht es letztlich um die verletzten Rechte von Ausgegrenzten und Mittellosen, z.B. Dalits oder Indigene, die sich in Indien gegen den Ausverkauf ihres Landes an Rohstoffvorhaben wehren.
Hinter den mit mir in der Runde sitzenden Männern und Frauen stehen also viele andere Menschen., die ebenso oder gar noch mehr bedroht sind. In den Schilderungen wird deutlich, wie ausgeklügelt inzwischen die staatlichen Mechanismen der Einschränkung von Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit (so das Thema der Konferenz) sind: sie reichen von Registrierungserschwernissen über Finanzierungsrestriktionen bis zu Internetüberwachung. Hinzu kommen oft gruppenmässig organisierte Bedrohung und Beschimpfung über soziale Medien und gewaltsame Übergriffe seitens häufig staatlicherseits geförderter Banden und Schlägertrupps.
In Südasien greifen offenbar überall Polarisierung, Intoleranz und Dämonisierung Andersdenkender immer mehr um sich – Phänomene, die uns auch aus unserem eigenen Kontext mittlerweile gut bekannt sind. Insofern macht mit Blick auf die Aushöhlung von Demokratie, die Zunahme autoritärer Führungskonzepte und wachsenden Populismus in unseren Gesprächen das Wort von einer globalen Herausforderung für Zivilgesellschaft die Runde. Wie diesem weltweiten Trend zu begegnen ist, da sind sich alle einig, verlangt gemeinsames Handeln auf verschiedenen Ebenen. Unmittelbar geht es um verbesserten Schutz durch internationale Vernetzung und schnellere Reaktionsmechanismen bei akuten Bedrohungen, erhöhte Datensicherheit, intensiviertes Risikomanagement in den betroffenen Organisationen und rasch verfügbare Rechtshilfe. Eine nicht geringe Rolle spielt auch die wechselseitige Stressbewältigung in vertraulichen Begegnungen wie der unsrigen.
Mittel- und langfristig jedoch steht die u.U. weitaus schwierigere Aufgabe für uns alle an, dem auf dem Vormarsch befindlichen Wunsch (auch unter den Ausgegrenzten) nach einfachen Antworten auf eine unübersichtlich gewordene Welt, nach starken autoritären Führern und einem uniformen, nationalistischen Staat andere Vorstellungen und Geschichten im Kleinen wie im Großen entgegenzustellen: solche von guten Erfahrungen gelungener eigener Wirkmächtigkeit, vom guten Leben in pluralen Gemeinschaften, vom guten Gefühl wechselseitigen Respektes, vom guten Funktionieren demokratischer Prozesse und vom guten Umgang mit den allen anvertrauten Gütern dieses Globus. Insofern schliesst sich für mich auf dieser Konferenz erneut der Kreis zwischen unserem Einsatz für Menschenrechte und unseren Beiträgen zu einer Entwicklung, die vom Menschen ausgeht („people led“): sie bedingen sich wechselseitig und gehören untrennbar zusammen.
Weitere Informationen
Zur Website der Konferenzveranstalter „South Asians for Human Rights“.