Der MISEREOR-Jahresempfang am 14. November 2019 stand ganz im Zeichen eines Jubiläums: 30 Jahres ist es her, dass alle Staaten außer den USA die „UN-Konvention über die Rechte des Kindes“ unterzeichneten. Ein Meilenstein in der Geschichte und das international wichtigste Schutzgesetz für Kinder.
Die aktuellen Zahlen lassen allerdings innehalten: Laut einem Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation ILO arbeiteten 2017 weltweit 152 Millionen Kinder zwischen fünf und 17 Jahren in Steinbrüchen, Bergwerken, Plantagen oder Teppichfabriken. Allein auf den Philippinen erleiden bis zu 80 Prozent der Minderjährigen körperlichen und emotionalen Missbrauch (UNICEF 2016).
Zweifelsohne: Es besteht Nachbesserungsbedarf. Wo genau liegen heute die Probleme? Was konnte, was kann sich durch Engagement verbessern? Und warum lohnt es sich, trotz aller Schwierigkeiten, für Kinderrechte einzustehen? Moderatorin Bettina Böttinger fragte nach bei Tatort Schauspieler Dietmar Bär, MISEREOR-Philippinen Experte Lino Cañete und Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel. Auch mit dabei: Schülerinnen und Schüler der Berliner St. Marienschule.
Was bereitet Probleme?
Der MISEREOR-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel lenkte den Blick auf die noch immer erschreckend große Zahl an Kinderrechtsverstößen weltweit – 30 Jahre nach Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention: „Laut Schätzungen arbeiten knapp 73 Millionen Kinder unter gefährlichen, ausbeuterischen Bedingungen – das sind fast so viele Menschen, wie in Deutschland leben. Die Hälfte von ihnen ist unter 12 Jahre alt. (…) In der Politik hingegen hat die Wirtschaft Priorität, nicht die Menschenrechte. Das muss sich ändern. MISEREOR setzt sich deshalb beispielsweise gemeinsam mit 80 Organisationen für ein Lieferkettengesetz ein, damit auch deutsche Unternehmen für ihre Verbrechen im Ausland zur Rechenschaft gezogen werden.“
Was konnte, was kann Engagement bewirken?
Lino Cañete ist Philippinen-Experte bei MISEREOR und war noch im Februar mit dem Tatort-Verein im Gefängniskinder-Projekt PREDA, das nun schon seit vielen Jahren von MISEREOR und dem Tatort-Verein gefördert wird: „Als wir dieses Jahres auf den Philippinen waren, haben wir den Unterschied zu den Anfängen unserer Arbeit gesehen – zum Glück. Die Situation ist dennoch besorgniserregend – die Hitze, der Dreck, der Gestank und das Leid, dem die Kinder in den Gefängnissen ausgesetzt sind. (…) Viele waren schon traumatisiert, bevor sie eingesperrt wurden. Dort werden sie auch noch vergewaltigt, geschlagen. Bei PREDA werden sie zunächst aufgepäppelt. Dann jedoch ist es ganz wichtig, dass sie strukturelle Unterstützung und eine Therapie erhalten.“
Entwicklungspolitik heißt, Zukunftsperspektiven zu schaffen. Und das geht nur mit Kindern, weiß Pirmin Spiegel: „MISEREOR setzt seit seiner Gründung auf eine kinderrechtsbasierte Entwicklungspolitik. Es geht darum, die Potenziale der Kinder zu fördern. Es ist die Grundlage der Entwicklung, denn Kinder sind unsere Zukunft.“
Warum lohnt es sich, Engagement zu zeigen?
Dietmar Bär: „Ich erinnere mich noch, dass wir 2005 einen kleinen Jungen aus dem Gefängnis befreien konnten, Peter. Peter war schon kurz nach seiner Ankunft im Projekt (PREDA) völlig gelöst. Das war ein gutes Gefühl: Wieder konnten wir wenigstens einer Person mehr zu einer besseren Zukunft verhelfen.“
Bettina Böttinger: „Manchmal fragt man sich, was man hier in Deutschland angesichts des Leids schon tun kann. Ihr zeigt, dass es möglich ist.“
Von Kindern für Kinder – die Schülerinnen und Schüler der St. Marienschule in Berlin engagieren sich schon seit Jahren als MISEREOR-Partnerschule. Kinderrechte sind ihnen besonders wichtig: „Alle – egal ob in Deutschland oder auf den Philippinen – sollten in Gerechtigkeit leben können. Dafür setzen wir uns ein.“
Pirmin Spiegel schloss die Veranstaltung mit einer persönlichen Erfahrung: „Im Gaza-Streifen erzählten mir zwei Kinder, dass sie Arzt und Ärztin werden möchten, um später anderen Menschen helfen zu können. Das fand ich sehr berührend, denn es zeigt, dass weiterhin Mut zur Menschlichkeit besteht. Und wenn das so ist, dann ist unsere Arbeit auf dem richtigen Weg.“
MISEREOR setzt sich seit seiner Gründung vor 61 Jahren für eine menschen- und kinderrechtsbasierte Entwicklungspolitik ein und nimmt bei den Projektförderungen das Wohl von Kindern besonders in den Blick. Im Engagement gegen Kinderarbeit verfolgt MISEREOR ein ganzheitliches Konzept. Dazu gehört, die Lebensbedingungen der betroffenen Familien und Gemeinschaften zu verbessern, damit sie sich aus dem Kreislauf aus Armut und Verschuldung befreien können, was ihren Kindern gleichermaßen zugutekommt.
Tatort – Straßen der Welt e.V.: Vor 22 Jahren gründeten die Tatort-Schauspieler Dietmar Bär, Klaus J. Behrendt und Joe Bausch den Tatortverein. Die Gründung erfolgte 1998, im Nachgang zu den Dreharbeiten des WDR-Krimis „Manila“. Seitdem unterstützt der Verein die Arbeit der Kinderrechtsorganisation PREDA, außerdem die Produktion von fair gehandelten Mangos und engagiert sich auch in Deutschland mit einer „Schulranzen-Aktion“ gegen Kinderarmut.
Die St. Marienschule in Berlin-Neukölln ist eine Partnerschule von MISEREOR. Seit 2014 hat die Schulgemeinschaft mehr als 100.000 Euro für MISEREOR-Projekte gesammelt. Auf dem Jahresempfang bekamen deshalb stellvertretend einige Schülerinnen und Schüler von Pirmin Spiegel eine Urkunde überreicht.