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Seminar zur Eröffnung der MISEREOR/BDKJ Jugendaktion „Gib Frieden“

Erfurt. Direkt hinterm Dom. Priesterseminar. Zentrumsnäher geht’s nicht. 20 junge Erwachsene checken ein. Ein ungewöhnliches Bild an diesem Ort. Ein Wochenende lang treffen sich hier ehemalige MISEREOR-Freiwillige und BDKJ-Aktive um gemeinsam zum diesjährigen Fastenaktionsmotto „Gib Frieden“ zu arbeiten.

Nach dem gemeinsamen Abendessen berichtet Sr. Antoinette Assaf, , Leiterin einer Krankenstation der God Shepard Sisters, einem MISEREOR Partner im Libanon, über ihre Arbeit, sie stellt die Aufgaben und Ziele ihrer Organisation in Beirut vor. Dabei wurde deutlich, vor welchen riesigen Herausforderungen die Menschen, die derzeit im Libanon leben stehen. So gehen Schätzungen vom UNHCR davon aus, dass 25% der Bevölkerung Flüchtlinge aus Palästina, dem Irak und vor allem aus Syrien sind. Zum Vergleich: Deutschland ist in etwa 35mal so groß, wie der Libanon und müsste knapp 210 Millionen Einwohner haben, um eine ähnliche Dichte der Bevölkerung aufzuweisen.

Sr. Antoinette Assaf, Leiterin einer Krankenstation der God Shepard Sisters im Libanon. © Frielinghausen | MISEREOR

Dramatisch sind die Zustände in den Flüchtlingslagern, riesige Zeltstädte, da die libanesische Regierung konsequent alle von Flüchtlingen errichteten Häuser abreißen lässt. Jetzt im Frühjahr ist es besonders tragisch: Der Schnee in den Bergen taut und setzt sämtliche Zelte unter Wasser. Die Verbreitung von Krankheiten erhöht sich stark.
Sr. Assaf steht für Fragen der Teilnehmer*innen zur Verfügung. Wir sind beeindruckt von dieser mutigen, starken Frau, die sich täglich für ein friedliches Miteinander einsetzt.

Der Samstag startet mit einem inhaltlichen Input zum Thema „Frieden“ in der Arbeit von MISEREOR. In einem Planspiel erarbeiten wir verschiedene Sichtweisen, Lernen den Unterschied zwischen positivem und negativem Frieden und erkennen, dass Frieden ein Prozess ist.

Im Anschluss geht es dann zur Erfurter Gedenk- und Bildungsstätte Andreasstraße, ein ehemaliges Untersuchungsgefängnis des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR, welches heute den ehemaligen politischen Häftlingen sowie den Menschen gewidmet ist, die dort 1989 erstmals eine Bezirksverwaltung des MfS besetzten. Eine hervorragende Führung verdeutlicht uns die Wichtigkeit von Frieden bzw. friedlichem Handeln am Beispiel der deutsch-deutschen Geschichte. Es wurde klar:  Tiefgreifende gesellschaftliche und politische Umbrüche können auch gewaltfrei erreicht werden! Blickt man auf die heutigen Konflikte, die allzu oft eskalieren, ist dieses Kapitel der deutschen Geschichte für uns ein faszinierendes Beispiel.

Nach einem gemeinsamen Mittagessen gibt es einen Vortrag von Bodo Weissendorn, welcher die politische und gesellschaftliche Lage im Libanon erläutert. Die  Verbindung zwischen den Protesten im Libanon und der friedlichen Revolution in der DDR lässt sich in der Forderung nach mehr Demokratie ziehen. Im Libanon demonstrieren seit Ende 2019 religions- und konfessionsübergreifend immer wieder junge Menschen für eine Liberalisierung des festgefahrenen politischen Systems. Die höchsten politischen Ämter, sowie die Anzahl der Sitze im Parlament sind in der Verfassung, prozentual auf die konfessionellen Gruppierungen innerhalb der Bevölkerung verteilt. So wird das Amt des Präsidenten, von einem maronitischen Christen, das Amt des Präsidenten des Parlaments von einem Schiiten und das Amt des Regierungschefs Sunniten bekleidet. Auch dominieren Korruption und Vetternwirtschaft den politischen Alltag. Weiterhin betreiben die Politiker des Landes oftmals eine reine Klientelpolitik für ihre jeweilige religiöse Gruppe, was ein konstruktives Regieren stark erschwert.

An einem kurzen Planspiel wird verdeutlicht, wie komplex die gesellschaftliche Lage ist da diverse Würdenträger mit ihrer Meinung großen Einfluss auf verschiedene Teile der Gesellschaft nehmen. Ebenso wirkt die libanesische Medienlandschaft, da tatsächlich Pressefreiheit herrscht, stark polarisierend. All diese Aspekte der Konflikte im Libanon lassen deutlich werden, was für ein kostbares Gut der Friede ist.

Zum Ende dieses impulsreichen Tages, besuchen wir die stimmungsvolle Jugendandacht in der Erfurter Reglerkirche, wo ebenfalls das Thema der Jugendaktion „Gib Frieden“ im Mittelpunkt steht.
Danach lassen wir den Abend beim MitSing-Konzert im Erfurter Zughafen ausklingen. Wann haben wir das letzte Mal alle zusammen „Rote Lippen soll man küssen“ gesungen?

Am Sonntag besuchen wir dann den Eröffnungsgottesdienst der Fastenaktion von Misereor im Erfurter Dom. Leider heißt es im Anschluss daran auch schon wieder Abschied nehmen. Ein Wochenende, welches nachdenklich gestimmt hat, allerdings auch viele ermutigende Eindrücke hinterließ. 

So können wir in Deutschland nur erahnen, vor welchen Herausforderungen die Menschen im Libanon stehen. Eins ist sicher, Frieden beginnt da, wo Menschen einander akzeptieren und trotz ihrer manchmal großen Differenzen, das sehen, was sie verbindet und darauf aufbauen. Dies ist eine Erfahrung, die wir alle in unserm Freiwilligendienst auf irgendeine Weise machen und manchmal erst Jahre später verstehen, was wir in dieser Zeit eigentlich gelernt haben.

Autoren: Jonas Keil und Pius Halder


Mehr zur Jugendaktion

unter www.jugendaktion.de

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Gast-Autorinnen und -Autoren im Misereor-Blog.

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