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Wir sitzen nicht alle im gleichen Boot! Coronakrise und neue (alte) Ungleichheiten

In diesen Tagen hören wir oft Sätze, wir säßen alle im gleichen Boot angesichts der sich weltweit ausdehnenden Coronakrise. Und tatsächlich macht der Virus keinen Halt weder vor Grenzen noch sozialen Schichten oder Hautfarben. Aber inmitten des aus den Fugen geratenen Alltags, der drastischen Schutzmaßnahmen und Ängste zeigen sich die eklatanten Ungleichheiten innerhalb unserer Gesellschaft, aber auch weltweit, noch drastischer.

Plakat in Mosambik: Menschenrechte für Frauen, Menschenrechte für alle. ©  Peter Meiwald | MISEREOR

Nur wenige können sich bequem in ihr homeoffice zurückziehen oder das Mehr an Familienzeiten genießen. Und deshalb sitzen wir eben nicht alle im gleichen Boot. Coronavirus und das, was es alles an Konsequenzen mit sich bringt, betrifft uns nicht gleichermaßen. Viele Menschen bringt die Situation in wesentliche Existenznöte, viele werden wegen dem Coronavirus sterben, weil sie keinen Zugang zur notwendigen Gesundheitsversorgung haben, weil es kein sauberes Wasser zum regelmäßigen Hände waschen gibt, sie auf engsten Räumen in Favelas oder Slums leben oder jeden Morgen in überfüllten Bussen aus den Armenvierteln in die Stadtteile der Wohlhabenden fahren, um dort in Privathaushalten zu arbeiten wie es vor allem arme – meist indigener, migrantischer Herkunft – Frauen machen.

Corona bringt nicht nur die immer schon vorhandenen Strukturen sozialer und ökonomischer sowie herkunftsbedingter Ungerechtigkeit hervor, sondern zeigt auch, dass die Krise für Männer und Frauen in vielerlei Hinsicht nicht gleich ist. Auch wenn mehr Männer am Coronavirus sterben, bekommen Frauen die Auswirkungen der Krise deutlicher zu spüren. Mehr Frauen als Männer sitzen an den Kassen von Supermärkten, sind in der Kranken-/Altenpflege tätig und immer noch haben Frauen mehrheitlich die Verantwortung für die Kinderbetreuung. Indem überwiegend Frauen in systemrelevanten Berufen tätig sind, sind sie verstärkt einem möglichen Ansteckungsrisiko ausgesetzt, die temporäre Schließung von Schulen und Kindergärten bedeutet aufgrund der immer noch bestehenden Einkommensdifferenz zwischen den Geschlechtern, dass mehr Frauen zuhause bleiben und sich um die Kinder kümmern. Ganz zu schweigen von Alleinerziehenden, die ohnehin schon permanent alleine den Alltag zwischen Haushalt, Kinderbetreuung und bezahlter Arbeit organisieren müssen, für sie verschärft sich diese Situation momentan. Für viele sogar dahingehend, dass sie ihrer bezahlten Arbeit nicht mehr nachgehen können. In der politischen Diskussion und der Entscheidung der plötzlichen Kita- und Schulschließung war dies kein Thema. Ebenso betrifft Alleinerziehende Einsamkeit und Isolation in diesen Wochen besonders hart. Vermehrte Konflikte in den Familien sind vorprogrammiert. Dass für viele Frauen außerdem das Zuhause alles andere als ein sicherer Ort ist, zeigen auch die hohen Zahlen sexueller häuslicher Gewalt. Unter Ausgangs- und Kontakteinschränkungen sowie Quarantänebedingungen können Frauen ihren gewalttätigen Partner nicht mehr aus dem Weg gehen. Frauenhäuser haben deshalb bereits jetzt vor einem Anstieg häuslicher Gewalt gewarnt.

1000 Frau in Khori, Indien, lauschen Vorträgen anlässlich des Internationalen Frauentages.
1000 Frau in Khori, Indien, lauschen Vorträgen anlässlich des Internationalen Frauentages.

In Ländern des globalen Südens, wo die soziale und ökonomische Schere noch weiter auseinander geht, ist die Idee der Gleichheit vor Corona von vornherein ad absurdum geführt. Eingeschleppt von denjenigen, die sich in der globalisierten Welt bewegen, Geschäftsleute, wohlhabende Reisende etc. trifft es vor allem die unteren, unter prekären Bedingungen lebenden Gruppen und damit auch zu großen Teilen Frauen. Eine der ersten Corona-Todesopfer war in Brasilien eine 63-jährige Hausangestellte.

Die Beispiele zeigen, die Krise ist nicht nur eine medizinische Angelegenheit, sondern es handelt sich auch um eine Krise der Pflege, der Sorge, der Sorge umeinander und um die Erde. In vielen Analysen wurde daraufhin gewiesen, dass wir an einem Wendepunkt stehen, dass die Gesellschaft sich neu ausrichten muss. Und das kann bzw. muss dann auch heißen Geschlechterungerechtigkeiten im Blick zu haben, gewalttätige Strukturen nicht zu übersehen, Sorge und Pflege neu zu denken, umzuverteilen und entsprechend zu entlohnen. Die globale Pandemie-Krise fordert uns auf, besonders die Vulnerabelsten nicht zu vergessen, Perspektiven und Bündnisse internationaler Solidarität für eine (geschlechter-)gerechte Welt zu entwickeln.

Stimmen aus unseren Projektländern – Mehr zur Situation von Frauen in Zeiten von Corona

Geschrieben von:

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Sandra Lassak arbeitet als theologische Grundsatzreferentin bei Misereor. Sie hat 7 Jahre in Peru gelebt und gearbeitet und war besonders in der Frauenförderung und im Bereich feministischer Theologie tätig.

1 Kommentar Schreibe einen Kommentar

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    Liebe Sandra,
    das war jetzt eine schöne Überraschung, Dich hier wieder jetzt sehe.
    Es soll auch in diesem Jahr, einen Text von mir zum Hungertuch im Programm sein.
    Ich finde ihn leider nicht und die Belegexemplare sind nach München gschickt worden.
    So habe ich sie nicht gesehen.
    Vielleicht fällt der Text Dir in die Hände.
    Das würde mich freuen.
    Wie auch immer ganz herzliche Grüße aus Berlin

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