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Mosambik – ein halbes Jahr nach den Wahlen

Nach immer wieder aufflammenden Kämpfen mit Teilen der ehemaligen Rebellenarmee und heutigen Oppositionspartei RENAMO, dem Tod ihres politischen Führers Dhlakama inmitten des Friedensprozesses, einem brüchigen Friedensabkommen zwischen Regierungspartei FRELIMO und der RENAMO und einem nicht unumstrittenen Papstbesuch mitten im Wahlkampf, waren die Bürgerinnen und Bürger Mosambiks im Oktober 2019 an die Wahlurnen gerufen. In einem von Gewalt und Manipulation gekennzeichneten Wahlgang siegte FRELIMO-Kandidat Nyusi mit rund 73 % der Stimmen im ersten Wahlgang.

© Peter Meiwald | Misereor

Seine Partei gewann darüber hinaus auch beinahe zwei Drittel der Parlamentssitze, was ihr erlaubt, alleine Verfassungsänderungen vorzunehmen, und alle 10 erstmals direkt gewählten Provinzgouverneursposten.

FRELIMO hat durch die Wahlen und die neue Rechtslage, jedem gewählten Provinzgouverneur einen von der Zentralregierung entsandten Staatssekretär zur Seite zu stellen, die Kontrolle im Land weiter abgesichert – auch wenn das nach den massiven Wahlfälschungen gar nicht so nötig war. Die Opposition und auch überwiegende Teile der Bevölkerung sind demgegenüber jetzt sehr geschwächt, so dass es der Regierung nicht schwer fällt, zivilgesellschaftliche und politische Räume kritischer Auseinandersetzung mit der vorherrschenden politischen Kraft immer weiter zu beschneiden (Shrinking spaces).

Gleichzeitig gibt es starke Zerwürfnisse und Machtkämpfe innerhalb der FRELIMO, z.B. um die Frage der Verantwortlichkeit für die 2016 aufgedeckten umstrittenen „illegalen Schulden“ von knapp 2 Mrd $ US, die die Regierung 2015 unter Umgehung des Parlaments aufgenommen hat und deren Verbleib auf dubiosen Konten im Ausland für die Bevölkerung eine zusätzliche Last bildet, oder um regionalen Einfluss des Nordens gegenüber dem Süden des Landes insbesondere im Hinblick auf den Zugriff auf die reichen Rohstoffvorkommen.

Luftaufnahme von Maputo. © Peter Meiwald | Misereor

Auch der Konflikt mit dem militärischen Arm der RENAMO (Renamo Military Junta) in der Region Gorongosa im Zentrum des Landes ist trotz des Friedenskommens längst noch nicht gelöst; es gibt weiterhin Kampfgruppen, die den Friedensvertrag nicht akzeptieren, außerdem ist in dem Abkommen nicht geregelt, wer welche Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Reintegrationsprozess zu übernehmen hat. Beispielsweise ist die kommunale Ebene, die ja u.a. dafür Sorge tragen müsste, dass Demobilisierte Land zur Neuansiedlung bekommen, in den Vertrag nicht involviert und häufig nicht einmal darüber informiert. Neue Landkonflikte sind somit die Folge.

© Peter Meiwald | Misereor

Rohstoff-Begehrlichkeiten führen darüber hinaus dazu, dass viele internationale Akteure Interesse an Menschenrechten, Frieden und Demokratie in den Hintergrund treten lassen. Korruption und Landvertreibungen von attraktiven Rohstoff-Claims prägen den Alltag vieler Menschen im Land ohne dass die Staatengemeinschaft Einfluss auf die Regierung Mosambiks im Sinne der immer proklamierten „Good Governance“ ausübt. Deutschland als eines der wenigen einflussreichen Länder ohne große eigene Unternehmensinteressen könnte hier mehr Einfluss ausüben, steht aber auf ziemlich einsamem Posten.

Dabei könnte die weitgehend bitterarme Bevölkerung des Landes von den natürlichen Reichtümern des Landes (Rubine und andere Edelsteine, Gas und Holz in der Region Cabo Delgado, Schwere Sande <Ilmenit, Zirkon, Rutil>, Soja, Gas im sogenannten Nacala-Korridor und Kohle, Holz, Gold, und Uran in der Region um Tete) möglicherweise sogar profitieren, wenn deren Verteilung und Ausbeutung sozialen, ökologischen und menschenrechtlichen Mindeststandards folgen würde. Doch das ist leider nicht der Fall. In einer eigentümlichen Goldgräberstimmung gilt faktisch das Recht des Stärkeren.

Kohlemine Tete in Mosambik. © Peter Meiwald | Misereor

Eine der wenigen zivilgesellschaftlichen Stimmen an der Seite der Bevölkerung ist vielerorts die katholische Kirche. Als bedeutsamer gesellschaftlicher Akteur ist sie präsent, allerdings sind ihre Mittel im Kontakt mit der FRELIMO begrenzt, da diese aus ihrer Geschichte heraus zunächst antiklerikal eingestellt ist. Immerhin gibt es aber einen Dialog mit der Regierung und den staatlichen Stellen, teilweise allerdings nur auf „Staatenebene“ mit dem Nuntius. Einige Bischöfe und kirchlichen Justice & Peace-Kommissionen erheben aber deutlich ihre Stimme und versuchen auch, in regelmäßigen Austausch mit Parlamentarierinnen und Parlamentariern zu kommen.

Cabo Delgado

Eine besondere, von der Weltöffentlichkeit nur am Rande registrierte Konfliktsituation gibt es seit einigen Jahren in der besonders bodenschatzreichen Nordprovinz Cabo Delgado, der in den letzten Monaten von einem Buschkrieg mit gelegentlichen Attacken auf Dörfer ausgehend immer näher an die Provinzhauptstadt Pemba heranrückt und mittlerweile über 100.000 Menschen zur Flucht aus ihren Dörfern gezwungen hat.

Flüchtlingsfamilie in Mosambik. © Peter Meiwald | Misereor

Der aktuelle Konflikt, der von Beobachtern als „Krieg neuen Typs“ klassifiziert wird, baut auf alten Verteilungskonflikten zwischen (überwiegend muslimischen) Küstenbewohnerinnen und -bewohnern und (überwiegend christlichen) Bewohnern des Inlands auf und ist somit kein primär religiös motivierter Konflikt. Die langjährige Marginalisierung und ökonomische Exklusion breiter Bevölkerungsteile hat dazu beigetragen, dass insbesondere junge Menschen wenig Perspektiven für ihr Leben sehen. Angefacht durch die Wildwest-Aufbruchstimmung um die Bergbau-Konzessionen herum steigert sich die Frustration darüber, dass die angestammte Bevölkerung nicht nur nicht von den erwarteten Gewinnen aus dem Extraktivismus profitiert, sondern im Gegenteil auch noch von Land-Vertreibungen durch die Konzessionäre und ihre Sicherheitsdienste betroffen ist. Dies bietet den Nährboden für Terror und Gegenterror durch staatliche Sicherheitskräfte, die mittlerweile jegliche Berichterstattung aus der Konfliktzone mit rigidesten Methoden zu unterbinden versuchen. Massive Profitinteressen, die Mosambik seit Jahren als Haupteinfallstor für asiatisches Heroin auf dem Weg nach Europa und Amerika nutzen, befeuern den Konflikt zusätzlich.

© Peter Meiwald | Misereor

Die Regierung versucht, durch starke militärische Präsenz in der Region und gleichzeitiges öffentliches Totschweigen des Kriegs Ruhe in die Region zu bringen, was aber offenkundig bislang nicht erfolgreich ist. Einschätzungen zu militärischen Fähigkeiten der Regierung, den Konflikt in Cabo Delgado zu bearbeiten, divergieren. Einige meinen, die Armee wäre nicht kampffähig, andere berichten von massiver Aufrüstung.

Experten sehen Lösungsansätze allerdings nicht in einer weiteren Militarisierung des Konfliktes, sondern zunächst in einer Sicherstellung der Basisversorgung der Binnenflüchtlinge (Wasser, Lebensmittel, Sicherheit), in einer gemeinsamen Klärung der Faktenlage und in einer Bearbeitung der Konfliktursachen gemeinsam mit allen beteiligten Akteuren. Gleichzeitig wäre es hilfreich, den zivilgesellschaftlichen interreligiösen Dialog in der Region zu stärken.

In der Zwischenzeit sterben weiterhin Menschen an Unterernährung und damit verbundenen Krankheiten. Viele von ihnen haben zunächst durch den Zyklon Kenneth im vergangenen Jahr schon ihre Lebensgrundlagen verloren und sind dann von den Rebellenattacken ein zweites Mal vertrieben worden. Wer es bis nach Pemba geschafft hat, muss sich dort nun ohne staatliche Unterstützung bei entfernten Verwandten durchschlagen. So trafen wir am Stadtrand eine Familie, die nun mit 28 Personen, fast alles Frauen und Kinder, in einem Haus leben. Mit Unterstützung von Misereor versucht, die örtliche Caritas zumindest, diesen Familien mit Grundnahrungsmitteln und Seife das nackte Überleben zu sichern, doch selbst das wird von der Obrigkeit nicht gerne gesehen…

Über die Autoren: Anabela Belo, Misereor-Mitarbeiterin mit dem Schwerpunkt Mosambik und Peter Meiwald, Abteilungsleiter Afrika, besuchten vor einigen Wochen Misereor-Projekte in Mosambik.

© Peter Meiwald | Misereor

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Geschrieben von:

Peter Meiwald, Leiter der Afrika-Abteilung bei MISEREOR

Peter Meiwald leitet die Abteilung Afrika und Naher Osten bei MISEREOR.

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