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Wandern für Solidarität mit Corona-Betroffenen

29. Mai 2020

Mehr als ein Monat ist seit meiner Wanderaktion vergangen, der Alltag zurückgekehrt. Inzwischen haben 35 Sponsoren ihr „Kilometergeld“ oder einen vorher zugesagten Festbetrag überwiesen.

Das Ergebnis der Spendeneingänge: 7.040,80 Euro!

Das ist großartig und hat meine Erwartungen weit übertroffen. Sehr, sehr herzlich bedanke ich mich bei allen Unterstützern! Nicht nur im eigenen Namen – sondern auch im Namen der Menschen, denen die Corona-Nothilfe gilt. Während sich die Situation in den europäischen Ländern allmählich entspannt, wird Lateinamerika zum Hotspot der Pandemie. In afrikanischen Ländern haben die Regierungen sehr früh harte Maßnahmen ergriffen, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern. Deshalb blieb die befürchtete große Katastrophe zunächst aus. In ganz Afrika wurden nach Angaben der WHO bisher knapp über 3.100 Todesfälle verzeichnet. Doch niemand kann in die Zukunft sehen. Viele Menschen haben mehr Angst vor wirtschaftlichem Ruin und Hunger als vor dem Corona-Virus. Routineprogramme in der Gesundheitsversorgung wurden gestoppt, um die Kapazitäten für Covid-19 freizuhalten. So bremst Corona den Kampf gegen Malaria (immer noch die häufigste Todesursache in Afrika), AIDS und Tuberkulose.

Teil der Hygienemaßnahmen in Mexiko sind auch Desinfektionen öffentlicher Einrichtungen und städtischer Betriebe wie etwa der Müllentsorgung von Mexiko-Stadt

Die MISEREOR-Partnerorganisationen reagieren auf die corona-bedingten Notsituationen. Auch ihre Arbeit ist durch die Pandemie betroffen. Ausgangsbeschränkungen und Kontaktsperren machen es unmöglich, Menschen zusammenzubringen: Im ländlichen Raum können zum Beispiel Schulungsprogramme nicht mehr durchgeführt werden; mobiler Unterricht für Straßenkinder kann nicht mehr stattfinden. Die Partner haben sich sehr schnell auf Soforthilfemaßnahmen umgestellt und versorgen die Menschen mit Hygieneartikeln, Lebensmitteln, sauberem Wasser.

Social Distancing in Bangladesch

MISEREOR unterstützt sie dabei. Mit meiner „Soli geht“-Aktion wollte ich einen kleinen Beitrag dazu leisten. Auch jetzt ist es noch möglich, die Aktion zu unterstützen und unter dem Stichwort „Spendenwanderung Gaidetzka“ an MISEREOR zu spenden:

IBAN DE75 3706 0193 00001010 10, BIC GENODED1PAX

Bleiben Sie gesund und hoffnungsvoll! Und wenn Sie Zeit haben: Gehen Sie hinaus in die Natur, genießen Sie den Frühsommer und entdecken Sie in diesen Tagen – wir feiern Pfingsten – die Spuren des Schöpfergeistes.

Herzlich grüßt Sie Ihre

Petra Gaidetzka


22. April 2020

Nach 22 Tagen habe ich meine Aktion beendet: „Solidarität geht“ – für MISEREOR, für die Betroffenen des Syrien-Krieges, die als Flüchtlinge oder Rückkehrer auf Frieden und eine gerechte Zukunft hoffen, für die Menschen in überfüllten Armenvierteln, die besonders unter der Corona-Pandemie leiden.

Im Globalen Süden gehören die Armen zur Risikogruppe, weil sie seit Jahren mangelernährt sind. In beengten Wohnverhältnissen können sie sicht nicht gegen das Virus schützen – und der Shutdown bringt sie um ihre Verdienstmöglichkeiten. In dieser Situation finden die MISEREOR-Projektpartner Wege, wie sie den Menschen trotz der Kontaktbeschränkungen zur Seite stehen können. Dabei brauchen sie unsere Unterstützung. „Solidarität geht“ – ja, sie funktioniert, wie die große Resonanz auf meine Wanderaktion beweist. Ich selbst bin tatsächlich gegangen und habe in 22 Tagen 307 Kilometer zu Fuß zurückgelegt. Und viele Menschen haben mich in Gedanken begleitet.

Die Klimakrise auszublenden, war Hybris

Die lebhafte Anteilnahme meiner Unterstützer hat mich beflügelt. Jeden Abend habe ich den Sponsoren, soweit sie mir namentlich bekannt waren, einen Bericht über die Tagesetappe gegeben und den aktuellen Kilometerstand genannt. Allen anderen gab dieser Blog die Möglichkeit, sich über meine Aktion zu informieren. Ich freue mich über das große Interesse, die zugesagten Kilometergelder, die kleinen oder größeren Festbeträge, über jede Form von moralischer Unterstützung – und bin sehr dankbar dafür!

Trockener, rissiger Boden

Die Wanderaktion fand unter allerbesten Rahmenbedingungen statt, die ich natürlich nicht selbst in der Hand hatte: Das Wetter war fast immer herrlich, die aufblühende Natur zeigte sich von ihrer schönsten Seite. So konnte ich die 22 Touren in der näheren und weiteren Umgebung von Aachen in vollen Zügen genießen. Die Wegstrecken variierten zwischen neun und 18 Kilometern – im Schnitt legte ich jeden Tag knapp 15 Kilometer zurück. Da wir in einer Kulturlandschaft leben, stieß ich bei meinen Wanderungen immer wieder auf Spuren menschlicher Eingriffe – vom römischen Aquädukt bis zu den rekultivierten Braunkohlegruben zwischen Rhein und Erft. Ich habe viel über die Sozialgeschichte der Eifel gelernt und die Narben gesehen, die zwei Weltkriege hinterlassen haben. Nur ein einziges Mal musste ich mit Schirm und Regenponcho wandern. Allerdings ist das eigentlich gar keine so gute Nachricht! Natürlich wandert es sich angenehmer bei schönem Wetter und klarem Himmel – aber dass es seit März im Westen Deutschlands kaum geregnet hat und an 22 Tagen nur einmal ein kurzer Landregen fiel, ist doch sehr bedenklich. Zwar grünt und blüht es überall, weil die Natur im Frühling einfach eine unglaubliche Lebenskraft entfaltet. Doch wie oft bin ich an bestellten Feldern vorbeigekommen und habe gesehen, wie trocken und rissig der Ackerboden schon ist! Die Waldbrandgefahr ist so früh im Jahr bereits hoch und steigt von Tag zu Tag. Steht uns in Deutschland das dritte Dürrejahr in Folge bevor, fragen die Bauern, und was wird das für die Ernte bedeuten?

Wir machen hier bei uns erst seit wenigen Jahren Erfahrungen, die für viele Bauern und Bäuerinnen im Süden der Welt seit langem Alltag sind. Sie spüren die Realität des Klimawandels schon viel länger als wir und haben viel weniger Möglichkeiten, die Begleiterscheinungen – Dürre, unkalkulierbar gewordenen Trocken- und Regenzeiten, Starkregen, Stürme, Ernteausfälle und Desertifikation – zu kompensieren. Seit Jahren reden Wissenschaft und Medien von der Klimakrise – zu glauben, die sei weit weg, betreffe uns in Europa nur bedingt und werde irgendwann wieder vorübergehen, war Hybris. Werden wir „nach Corona“ so weitermachen wie bisher, so egozentrisch, hedonistisch und gierig – oder werden wir, statt umzusteuern, sogar noch „eine Schippe drauflegen“, um uns für die corona-bedingten Einschränkungen zu entschädigen? Die geplanten Urlaubsreisen fallen 2020 aus – dafür reisen wir dann 2021 doppelt so viel? Heute las ich in der Zeitung, Konsumverzicht in Corona-Zeiten sei die völlig falsche Strategie. Trotz des reduzierten Bedarfs und der Existenzsorgen müsse man nun die Wirtschaft stützen und auf Teufel komm raus kaufen – zur Not eben online. Viele denken und handeln so. Dabei wäre es doch großartig, wenn wir die Corona-Ausnahmesituation als Anstoß zum Nachdenken und Umdenken nähmen – zugunsten der Umwelt, des Klimas und der weltweiten Gerechtigkeit. Ob es so kommt, wird sich zeigen.

Gesamtkilometerstand nach 22-tägiger Spendenwanderung: 307!

Kilometer 300 : Geschafft!

Wer erfahren möchte, was MISEREOR-Projektpartner gegen die Auswirkungen des Klimawandels unternehmen, wie sie gegen die Folgen der Corona-Pandemie kämpfen, wie sie sich für soziale Gerechtigkeit und Frieden engagieren – nicht nur im Libanon und in Syrien, sondern in rund 190 Ländern -, der kann sich auf www.misereor.de/projekte informieren.

Und wer noch auf den Zug aufspringen und meine „Soli geht“-Aktion unterstützen möchte, der kann unter dem Stichwort „Spendenwanderung Gaidetzka“ an MISEREOR spenden: IBAN DE75 3706 0193 00001010 10, BIC GENODED1PAX.

Bleiben oder werden Sie gesund!

Mit einem herzlichen Dankeschön

Petra Gaidetzka


14. April 2020

Ein völlig anderes Osterfest,
als wir es bisher kannten

14 Tage bin ich nun schon im Aachener Land und in der Eifel für MISEREOR unterwegs. Der Frühling boomt. Überall grünt und blüht es. Ich bin hin- und hergerissen zwischen der Begeisterung über die Schönheit der Landschaft und den trüben Gedanken an Corona und die Folgen.

Morgens höre ich in den Nachrichten, dass in der ecuadorianischen Stadt Guayaquil die Epidemie das Bestattungswesen lahmgelegt hat. Guayaquil, Hotspot der Corona-Pandemie in Südamerika – im Jahr 2014 war ich in dieser großen pulsierenden Stadt und erinnere mich an die freundlichen Menschen, aber eben auch an die Armenviertel, die kaum Infrastruktur und vor allem keine Wasserversorgung haben. Trinkwasser wird dort einmal am Tag durch Tankwagen geliefert. Wie soll unter solchen Umständen die Basis-Hygiene eingehalten werden, die zur Vorbeugung unerlässlich ist? Das Gesundheitswesen in Guayaquil ist größtenteils zusammengebrochen. In den letzten drei Wochen wurden fast 800 Leichen aus Privathäusern geborgen, über 600 Tote wurden aus Krankenhäusern abtransportiert – doch es dauert zu lange, bis die Leichen abgeholt werden. Die verzweifelten Menschen sehen oft keine andere Möglichkeit, als die Verstorbenen nach draußen, auf die Straße, zu bringen, weil man sie nicht tagelang im Haus behalten kann.

Ich aber wandere durch die Natur, die jeden Tag mehr aufblüht. Zwei Gedichte kommen mir immer wieder in den Sinn. An das eine, von Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau, erinnere ich mich noch aus dem Deutschunterricht: „Was ist die Welt und ihr berühmtes Glänzen? / Was ist die Welt und ihre ganze Pracht? / Ein schnöder Schein in kurzgefassten Grenzen / Ein schneller Blitz in schwarzgewölkter Nacht, / Ein buntes Feld, da Kummerdisteln grünen, / Ein schön Spital, so voller Krankheit steckt…“ Ja, er hat wohl recht, dieser Barockdichter, in dessen Lebenszeit der 30-jährige Krieg fiel. Hat er recht? Ist die Welt tatsächlich nichts anderes als ein Feld von Kummerdisteln? Es ist Ostern. Ein völlig anderes Osterfest, als wir es bisher kannten: Im größeren Familienkreis zu feiern, ist unmöglich. Die Kar- und Ostergottesdienste können wir nur im Fernsehen oder Internet verfolgen. Doch das Leben lässt sich nicht unterkriegen. Das verkündet dieser grandiose Frühling 2020 mit aller Macht.

Und so begleitet mich in diesen Tagen noch ein zweites Gedicht. Es stammt von Shalom Ben-Chorin, einem deutsch-israelischen Publizisten, der 1935 aus Deutschland floh und 1999 in Jerusalem starb – ich hatte die Ehre, ihn dort in den 1970er Jahren persönlich kennenzulernen. Mit dem Gedicht vom Mandelzweig hat Shalom Ben-Chorin 1942 gegen seine Ohnmacht und Verzweiflung angeschrieben, als er im Exil in Palästina vom Massenmord am jüdischen Volk erfuhr:

Freunde, dass der Mandelzweig
Wieder blüht und treibt,
Ist das nicht ein Fingerzeig,
Dass die Liebe bleibt?
 
Dass das Leben nicht verging,
Soviel Blut auch schreit,
Achtet dieses nicht gering
In der trübsten Zeit.
 
[…]
 
Freunde, dass der Mandelzweig
Sich in Blüten wiegt,
Bleibe uns ein Fingerzeig,
Wie das Leben siegt.

Um mich herum blühen die Obstbäume, brechen Blattknospen auf, sind die Wiesen bedeckt mit Löwenzahn und wilden Narzissen. Sie alle sind für mich ein österlicher Fingerzeig, dass das Leben unzerstörbar ist.

Werden wir aus der Krise lernen?

Perlenbach-Stausee

Nur – wie wird es weitergehen, dieses Leben, wenn die Corona-Krise überstanden ist? Werden wir aus der Krise etwas gelernt haben? Ich ertappe mich bei dem Gedanken, dass die erzwungene Entschleunigung des Lebens mir eigentlich ganz gut tut. In der Stadt ist der übliche Betrieb zum Erliegen gekommen. Viel weniger Verkehr auf den Straßen, geschlossene Läden, Ruhe. Es ist eine erzwungene Atempause. Freiwillig legen wir keine Pausen ein, obwohl wir sie eigentlich brauchen. Mir kommt es so vor, als ob in den letzten Jahren das Leben immer schneller geworden ist. Die Arbeit hat sich immer mehr verdichtet. Keine gesunde Entwicklung. Jetzt ist – durch einen Krankheitskeim – auf einmal alles ganz anders. Dass wir uns von unseren Freunden und Verwandten fernhalten müssen, fällt uns vor allem an den Osterfeiertagen schwer. So merken wir plötzlich, wie wichtig uns die Nähe zu anderen Menschen ist. Bisher haben wir sie für selbstverständlich genommen. Wir konnten uns jederzeit treffen, wir konnten jederzeit überall hin, alles war planbar und möglich. Selbst das Unmögliche haben wir uns erlaubt – ohne groß über die Auswirkungen auf die Umwelt, das Klima, den Globalen Süden und unsere eigene Gesundheit nachzudenken.

Fast bin ich geneigt zu sagen: Danke, Corona! Aber diese Pandemie ist alles andere als ein Segen, sie zerstört Leben, sie zerstört wirtschaftliche Existenzen und bedroht besonders die Armen überall auf der Welt. Und ich fürchte, dass die Welt nach der Krise weitermachen wird wie zuvor. „Business as usual“, wird dann die Parole lauten und der Rubel wird wieder rollen – vorzugsweise in die Taschen der Reichen, während viele Kleine auf der Strecke bleiben.

Solche Gedanken gehen mir durch den Sinn, während ich Kilometer um Kilometer zurücklege. In der Natur unterwegs zu sein, hilft gegen den Blues. Dankbar bin ich für die großartige Unterstützung durch meine Sponsoren und die vielen Kommentare, Nachfragen und Anregungen. Es tut gut, diese Verbundenheit zu spüren.

Aktueller Stand nach Tag 14: 194 Kilometer!


6. April 2020

Solidarität geht

Sieben Tage bin ich inzwischen gewandert – am Stadtrand von Aachen, in der Voreifel, auf dem Gebiet der Nachbargemeinde Herzogenrath und im Kreis Düren. Viele Gedanken gehen mir unterwegs durch den Kopf:

Gedanken an die Menschen, die in der Corona-Krise von großen Existenzsorgen gequält werden, Gedanken an die Flüchtlinge des Syrien-Krieges, deren Schicksal jetzt von dem alles beherrschenden Thema „Corona“ in den Hintergrund gedrängt wird – Gedanken auch an meinen Kollegen Michael, der die Aktion „Solidarität geht“ über Jahre geprägt hat. „Soli geht“ – unter diesem Motto machen sich Gemeinden, Gruppen und Schulklassen für MISEREOR auf den Weg, zu Fuß, mit dem Fahrrad, auf Inlinern! Auch meine Spendenwanderung ist eine „Soli geht“-Aktion und ich widme sie Michael, der uns vor wenigen Wochen – viel zu früh – für immer verlassen hat.

Spuren des Krieges –
Gebet für den Frieden

Kreuz am Moresneter Pilgerweg.

Dreimal stieß ich bisher auf „Drachenzähne“ – das sind Panzersperren des ehemaligen Westwalls, der von den Nazis zwischen 1936 und 1940 als westliche Verteidigungslinie errichtet wurde. Neben den Drachenzähnen und den Mauern, die als Panzersperren dienten, wurden Panzergräben ausgehoben und Betonbunker als Kampfunterstände angelegt. Die Reste sind heute noch überall im Aachener Land zu besichtigen – zum Beispiel an der Landstraße zwischen Kohlscheid und Horbach, am Schneebergweg nahe der niederländischen Grenze oder am Pilgerweg nach Moresnet. Aufgrund der massiven Bauweise wäre es zu aufwändig gewesen, den Westwall komplett zurückzubauen. So haben sich rund um die Relikte oft wertvolle Biotope gebildet, die vielen Tier- und Pflanzenarten als Rückzugsort dienen. Am Moresneter Pilgerweg fand ich ein Wegkreuz, das direkt auf einem Drachenzahn errichtet wurde. „Zum Dank für 70 Jahre Frieden in Europa, 1945 – 2015“, steht auf der Tafel am Fuß des Kreuzes. Woche für Woche, immer mittwochs, wird an dieser Stelle ein Gebet für den Frieden in der Welt gesprochen.

Inzwischen 75 Jahre Frieden in Westeuropa – da könnte man meinen, Friede sei der Normalfall! Doch wenn wir auf die Krisenherde der Welt schauen, besonders auf den Nahen Osten, wenn wir Politiker-Tweets lesen und uns die Zahlen zu Waffenhandel und Migration vor Augen führen, dann wissen wir: Der Friede ist nicht zwangsläufig von Dauer, er muss immer wieder neu erarbeitet und mit Leben gefüllt werden. Deshalb engagieren sich die MISEREOR-Partner in Nahost – über religiöse und soziale Grenzen hinweg – für ein friedliches Zusammenleben zwischen Flüchtlingen und Einheimischen. MISEREOR will sie dabei, auch mithilfe der Fastenaktion, unterstützen.

Spuren des Klimawandels

Gerodete Fläche im Preuswald.

Nicht nur das Thema „Krieg und Frieden“ beschäftigt mich auf meinen Wanderetappen. Ich kann beobachten, wie sich der Frühling entfaltet, jeden Tag ein wenig mehr. Jeden Tag färbt sich der Wald intensiver grün. Aber ich sehe auch die Verwüstungen, die der Borkenkäfer und die Winterstürme angerichtet haben: Im Wald bei Aachen stoße ich auf großräumige Rodungen und lese auf einer Infotafel: „Gerade im vergangenen Jahr, welches wieder besonders trocken und heiß war, wurden die Fichten hier im Preuswald so stark geschwächt, dass der Borkenkäfer auch die restlichen noch verbliebenen Bäume befallen konnte. Der milde Winter hat dazu geführt, dass die meisten Käfer unter der Rinde der Fichten überwintern konnten und sofort bei trockenem, warmem Wetter im Frühjahr wieder ausschwärmen und ihr Brutgeschäft fortsetzen.“ Um diesen Kreislauf zu unterbrechen, wurden die Bäume gefällt, aber: „Dies ist nicht das Ende. Wir werden die Flächen zeitnah Stück für Stück wieder aufforsten.“ Die regenarmen heißen Sommer, die milden Winter und die häufigen Stürme sind Begleiterscheinungen des Klimawandels. Es ist richtig, die Faktoren, die zur Erderwärmung beitragen, zu identifizieren und für eine wirksame Begrenzung der Klimagasemissionen einzutreten. Energiewende, Mobilitätswende, Abkehr von der Massentierhaltung – das alles brauchen wir, doch wir brauchen auch den Wald: Er muss überall auf der Welt geschützt werden, besonders in Amazonien, im Kongobecken und in Südostasien, aber eben auch bei uns. Denn Bäume sind CO2-Speicher und Teil des Wasserkreislaufs, tragen zur Wolkenbildung bei und reinigen die Luft. Jedes Jahr werden 15 Milliarden Bäume durch Abholzung vernichtet. Deshalb sind Aufforstungsinitiativen so wichtig – im Aachener Wald und weltweit.

Aktueller Stand nach Tag 7:
105 Kilometer!


1. April 2020

Drei Wochen Urlaub – und man kann buchstäblich nichts unternehmen! Nicht ver­reisen, nichts besichtigen, nicht ins Kino, nicht einmal im Straßencafé den Frühling genießen. Alles verboten wegen Corona.

Man kann nichts unternehmen? Falsch! In Nordrhein-Westfalen haben wir zwar „Kontaktsperre“, aber noch kein Ausgangsverbot. Allein oder zu zweit dürfen wir an die frische Luft. Ich kann also wandern. Und nachdem sich einige meiner Kollegen bei MISEREOR sportlichen Herausforderun­gen stellen, um die Fastenaktion zu unterstützen, will ich nicht zurückstehen: Seit gestern wandere ich jeden Tag mit Sponsorenunterstützung für MISEREOR!

Wir in Deutschland sehen zurzeit vor allem uns selbst: die Einschränkungen, denen wir unterworfen sind, und die wirtschaftlichen Probleme der Zukunft. Das ist verständlich, aber die Armen weltweit, für die die Corona eine Katastrophe bedeutet, dürfen dabei nicht aus dem Blick geraten. Die Part­nerorganisationen von MISEREOR bitten um Hilfe. Denn die Menschen im Süden, vor allem die Armen, sind von der Pandemie besonders hart getroffen. Viele leben in übervölkerten Armenvier­teln oder in Flüchtlingslagern, sind mangelernährt und haben dem Virus nichts entgegenzusetzen. Eine Intensivversorgung wie bei uns gibt es in diesen Ländern nicht – und auch keine Reserven, um einen staatlichen Schutzschirm aufzuspannen. So werden viele, die jetzt noch Arbeitsverträge ha­ben, bald auf der Straße stehen. Und etliche Menschen bestreiten ihren Lebensunterhalt durch Stra­ßenhandel und andere Tätigkeiten im informellen Wirtschaftssektor; darunter sind viele Kinder. Wenn Ausgangssperren verhängt werden (was weltweit der Fall ist), verdienen alle diese Menschen nichts mehr.

„Stadtwandern“ und die kleinen Paradiese vor der Haustür

Großartig, dass sich viele meiner Bekannten, Verwandten und auch einige Kolleginnen und Kolle­gen spontan bereit erklärt haben, meine Aktion zu unterstützen und für jeden Wanderkilometer ei­nen Betrag zu spenden, der der Fastenaktion gutgeschrieben wird. Im Gegenzug informiere ich mei­ne Follower über meine Erlebnisse, die Wegstrecken und den aktuellen Kilometerstand. Der Start bei herrlichem Frühlingswetter war vielversprechend – doch leider kann man weder voraussehen, wie sich das Wetter im Verlauf der drei Wochen entwickelt, noch ob die Ausgangsbeschränkungen weiter verschärft werden müssen. Dann könnten meine Tagesetappen recht kurz ausfallen. Und ich darf natürlich nicht krank werden. Deshalb ist für mich klar: Ich lasse es nicht langsam angehen, sondern setze mir das Ziel, bei trockenem Wetter auf jeden Fall 15 Tageskilometer zu schaffen. Am ersten Wandertag sind es sogar 18. Gut so – es soll ja etwas dabei herumkommen für die Menschen in den MISEREOR-Projekten, die jetzt unsere Hilfe brauchen.

Am ersten Vormittag ist „Stadtwandern“ angesagt. Von meiner Haustür gehe ich über den Lousberg (die höchste Erhebung Aachens, 264 m ü.NN) zum Markt und Dom und kehre über den Müschpark zurück, ein Biotop im Landschaftsschutzgebiet der Aachener Soers. Ein kleines Paradies direkt vor meiner Haustür! Einer der Wege führt zu einer Grabstätte: Zwei Soldaten sind hier im 2. Weltkrieg gefallen. Im Müschpark standen damals Artilleriegeschütze. Ich bleibe stehen, lese die Namen auf dem Kreuz – 20 und 26 Jahre alt waren die beiden jungen Männer, als sie starben. Ich spreche im Stillen ein Gebet für sie und die Opfer von Krieg und Gewalt, die im Mittelpunkt der Fastenaktion 2020 stehen.

Am Nachmittag verfolge ich den Weißen Weg, der von Aachen zur niederländischen Grenze führt. Seinen Namen erhielt er, weil die Farbe Weiß in seinem Umfeld häufig anzutreffen ist: weiß ge­schlämmte Gutshäuser, weiß gestrichene Gebäude und Holzzäune, weiß blühende Sträucher am Wegrand. Dass man nicht in die Ferne schweifen muss, um Schönes zu entdecken, bestätigt sich auch am zweiten Wandertag, der dem „WasserWeg Omerbach/Inde“ zwischen Weisweiler und Stol­berg-Schevenhütte gewidmet ist. Nah am rheinischen Braunkohlerevier hätte ich einen so schönen und verschwiegenen Weg – immer mit Blick zum Wasser, auf Bach, Teich, Sumpf und die regulierte Inde – nicht erwartet! Ein Idyll vor den Toren der Stadt Aachen.

Aktueller Stand nach Tag 2:
33 Kilometer!

Ich werde von Zeit zu Zeit über meine Wandererfahrungen berichten. Schauen Sie in ein paar Tagen noch einmal vorbei! Bis dahin – bleiben Sie gesund und bieten Sie Corona die Stirn!

Ihre Petra Gaidetzka

Geschrieben von:

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Gast-Autorinnen und -Autoren im Misereor-Blog.

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