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Agroforst im Schwarzwald – Lichtblick in dunklen Zeiten

Langsam schlängeln wir uns im Schwarzwald die kurvigen Straßen hoch auf 700 Meter – es geht zum Hof Sonnenwald. Oben angekommen strahlt die Sonne und auch Olef Koch, welcher die Agroforstwirtschaft in dem Betrieb etabliert hat und diesen bewirtschaftet. Gemeinsam wollen wir uns ansehen, wie in Deutschland Agroforstwirtschaft umgesetzt wird.

Agroforstwirtschaft: Bäume am Rande eines Ackers
Die Bäume dienen zum Schutz gegen Wind und Verdunstung. © Markus Wolter | Misereor

Eine multifunktionale Landnutzungsform

Agro – was? Was ist denn das, fragt ihr euch vielleicht. Vor allem in Lateinamerika arbeiten Misereor-Projekte gemeinsam mit bäuerlichen Betrieben in diesem System, das den Stockwerkbau des Regenwaldes simuliert: Auf verschiedenen Ebenen entsteht ein lebendiges System aus einjährigen Kulturen, Stauden, Sträuchern und Bäumen. Auf diese Weise lassen sich das ganze Jahr Lebensmittel produzieren, wodurch die Familien unabhängiger sind. Das Agroforstsystem ist in den Tropen und Subtropen mittlerweile gut etabliert und viele Misereor-Partner*innen nutzen es. Aber funktioniert das auch in Deutschland?

Ja, auch bei uns lässt sich das Agroforstsystem umsetzen, wie der Hof Sonnenwald beweist.
Wir gehen mit Olef Koch am gerade abgeernteten Kartoffelacker entlang. Auf beiden Seiten ist er von Streifen aus Erlen, Pappeln, Ahorn, Robinien, Esskastanien, Linden und Sanddorn umsäumt. „Dieser Baumstreifen soll die Windgeschwindigkeit bremsen und die Verdunstung minimieren“, erklärt Koch. Denn, erschreckend genug, auch im Schwarzwald hat es dieses Jahr zu wenig geregnet. Auch hier sind die Auswirkungen der Klimakrise deutlich spürbar. Koch hat Agroforstwirtschaft studiert und kann aus seinen Erfahrungen als Wissenschaftler konkret sein Wissen anwenden.
Es werden aber nicht nur Kartoffeln angebaut. Mit Praktiken des regenerativen Ackerbaus wird auch mit vielfältigen Kulturen wie Lein, Hanf und Linse experimentiert.

Acker
Agroforstwirtschaft zeichnet sich durch mehrdimensionale Nutzung der Ackerfläche aus. © Markus Wolter | Misereor

Mehrdimensionale Nutzung der Ackerflächen

Somit lernen Menschen aus dem Norden von den Erfahrungen aus dem Süden und wenden diese hierzulande an. Dabei ist Vielfalt das Zauberwort. Koch erklärt weiter, dass darüber hinaus auch eine neue räumliche Dimension genutzt wird. So dient der Acker nicht nur mit seiner flachen Weite, sondern auch mit seiner Höhe. Die Bäume und Sträucher am Ackerrand bieten neben dem Schutz vor starkem Wind noch andere Nutzungsmöglichkeiten: Der Sanddorn wird zur Saftherstellung genutzt, Erle und Pappel als Mulchmaterial für die Verbesserung des Ackerbodens, Esskastanien – na, der Name sagt es schon. Bäume wie Robinien, Elsbeeren, Baumhasel und Vogelkirsche werden für die Nutzung als Wertholz angebaut.

Außerdem zeichnet sich der regenerative Ackerbau durch bodenaufbauenden sogenannten Mulchkartoffelanbau aus. Dazu gehört der Anbau von hochwertigen Ölpflanzen wie Lein und Hanf. Gemeinsam auf dem Acker wachsen Speisehafer und grüne Linsen. Speisegetreide wie Dinkel, Weizen, Roggen und Emmer dienen der direkten menschlichen Ernährung. Als eigenes Hühnerfutter und Lockfutter für den Melkstand wird Futter-Weizen zusammen mit Futter-Erbsen angebaut. Zum Abrunden der Fruchtfolge gehört ein mehrjähriges Kleegras zum Mulchen im Gemüseanbau sowie zur Fütterung der Wiederkäuer. Wie ihr seht, die Vielfalt ist groß!

Agroforstwirtschaft: Rinder neben Anpflanzungen auf dem Acker
Nicht allein: Die Milchkühe teilen sich ihre Weide mit Bäumen, die auch als Futter dienen. © Markus Wolter | Misereor

Kombination von Tierhaltung und Ackerkultur

Auch auf der Weide finden wir Anpflanzungen. So wird die Ölweide auf dem Grünland geschnitten und dann als Futter für die Rinder als Mineralien- und Proteinlieferant genutzt.
Selbst im Ein-Hektar großen Gemüsegarten werden Gehölze gepflanzt. So entsteht ein extrem vielseitiges, hoch resilientes, also krisenfestes System. Die Vorzüge dieser Art der Landwirtschaft werden gerade in Sommern wie den letzten Dürresommern immer deutlicher.

Es gibt eine kleine Schar von Betrieben, die sich auf den Weg gemacht haben etwas auszuprobieren – eine echte Pionierarbeit, inspiriert von Bäuerinnen und Bauern aus dem globalen Süden. So gibt es im dunklen Schwarzwald, Hof Sonnenwald – wie der Name es andeutet – einen echten Lichtblick für eine zukunftsfähige Landwirtschaft.

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Markus Wolter ist Experte für Landwirtschaft und Welternährung bei Misereor.

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