Letzte Woche dominierte ein prunkvolles Großereignis die internationalen Schlagzeilen: 17 afrikanische Staats- und Regierungschefs folgten Wladimir Putins Einladung nach Sankt Petersburg zum Russland-Afrika-Gipfel, um die Zusammenarbeit in mehreren Politik- und Wirtschaftsbereichen zu vertiefen.
Den afrikanischen Kontinent zu umwerben hat momentan weltweit Konjunktur. Das hängt primär damit zusammen, dass bis 2050 jeder vierte Mensch auf der Welt Afrikaner*in sein wird und Afrika schon heute enormes Wirtschaftspotential besitzt. Die USA, die Europäische Union, die Türkei, China, Japan, Frankreich und Deutschland haben allesamt in den letzten Jahren ähnliche Gipfeltreffen einberufen, um Allianzen zu festigen und neue Geschäftsfelder zu erschließen.
Was passierte also auf dem Sankt Petersburger Gipfel? Wessen Bedürfnisse und Interessen standen im Mittelpunkt? Und was lässt sich dadurch für die deutsche Afrikapolitik, die momentan einmal mehr auf dem Prüfstand steht, ableiten?
Getreide im Mittelpunkt
Wie zu erwarten stand die Getreidefrage im Zentrum der Aufmerksamkeit. Ernährungsunsicherheit, Hunger und soziale Spannungen nehmen leider in ganz Afrika momentan zu. Das berichten auch unsere Partnerorganisationen aus Ländern der Sahelzone und Ostafrika. Durch den russischen Angriffskrieg und die damit verursachte Getreideknappheit sind die Lebensmittelpreise – nicht nur Weizen – enorm gestiegen. Zwar half das Schwarzmeerabkommen lange, die Getreidepreise zu stabilisieren, doch am 17. Juli zog sich Russland aus dieser Vereinbarung zurück. Zum großen Unmut afrikanischer Staaten und Sozialbewegungen. Daher hat Moskau nun angekündigt, es werde je zwischen 25.000 und 50.000 Tonnen Getreide an sechs afrikanische Länder liefern – primär enge Verbündete Moskaus (Burkina Faso, Eritrea, Mali, Simbabwe und die Zentralafrikanische Republik).
Präsident Putin als Wohltäter Afrikas? Genauer betrachtet ist dies leider zynische Politik auf dem Rücken der Ärmsten. Denn dass Russlands Armee gezielt ukrainische Getreidelager und Häfen angreift, Lebensmittellieferungen verhindert und damit die Verknappung des Getreideangebots antreibt, wurde auf dem Gipfel verschwiegen. Auch können die angebotenen, verhältnismäßig kleinen Liefermengen wohl kaum den abermaligen Anstieg der Getreidepreise auf dem Weltmarkt verhindern. Daher überrascht es nicht, dass afrikanische Gipfelteilnehmer die sofortige Wiederaufnahme der ukrainischen Getreideexporte über das Schwarze Meer sowie einen Waffenstillstand forderten. Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa betonte explizit, er sei nicht gekommen, um Spenden zu erbitten.
Wettlauf um Rohstoffe
Ebenso wenig erfreulich aus Sicht afrikanischer Bürger*innen dürfte es sein, dass Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin am Rande des Gipfels auftauchte, vermutlich um die Aktivitäten der Wagner-Truppen in Afrika auszuweiten. Diese agieren seit vielen Jahren vor allem in fragilen und meist autokratisch regierten Staaten Afrikas (wie beispielsweise in Mali und der Zentralafrikanischen Republik); ihre Dienste werden in der Regel mit Rohstoffkonzessionen vergütet. Projektpartner berichten uns, dass dieser neue Ansturm auf Rohstoffquellen und Mineralien durch ausländische Paramilitärs oftmals Verwüstung hinterlässt und nichts an der Lebenssituation der Zivilbevölkerung verbessert. Kritiker werden nicht selten rücksichtslos vertrieben und ermordet.
Waffenhandel und Wirtschaftsdeals
Im selben Atemzug sollte erwähnt werden, dass kein Land mehr Waffen an afrikanische Abnehmer verkauft als Russland. Simbabwes Präsident Mnangagwa beispielsweise schloss am Rande des Gipfels ein umfangreiches Partnerschaftsabkommen und bekam symbolisch einen neuen Kampfhubschrauber geschenkt. Es steht zu befürchten, dass Repressionen, die Einschüchterung lokaler Menschenrechtsverteidiger*innen und Einschränkung zivilgesellschaftlicher Räume damit befeuert werden – was im Gegensatz zu den demokratischen Bestrebungen der Zivilgesellschaft vor Ort steht.
Aus wirtschaftlicher Perspektive ist ansonsten nicht viel zu berichten. Russland hat den afrikanischen Staatschefs Unterstützung in Fragen der digitalen Innovation (vor allem im Bereich der Verschlüsselungssysteme), dem Ausbau der Infrastruktur sowie der Entwicklung von Ölfeldern angeboten. Doch auch hier steht zu befürchten, dass aus fossilen Megaprojekten nicht viel bei den Menschen vor Ort ankommt, bzw. dies ihren Interessen direkt zuwiderläuft. Angesichts der jetzt schon verheerenden Auswirkungen des Klimawandels in vielen Ländern Afrikas ist beispielsweise die Extraktion neuer fossiler Rohstoffe ein Irrweg.
Auf dem Papier ist jedoch nicht alles schlecht. So kündigte Russland beispielsweise Projekte zur Jugendausbildung sowie die Streichung von Staatsschulden in Höhe von 23 Milliarden Dollar an. Angesichts in Afrika weitverbreiteter Jugendarbeitslosigkeit sowie der sich aktuell ausbreitenden Schuldenkrise sind dies zumindest in der Theorie lobenswerte Initiativen.
Was bleibt nach dem Afrika-Gipfel?
Letztlich stellt sich aber die Frage, wieviel Substanz von all dem Polit-Theater bleibt. Weite Teile Afrikas sympathisieren mit anti-westlicher Rhetorik, wie sie Russland bedient. Doch aus afrikanischer Perspektive muss man bedenken: Sieht so respektvolles Engagement auf Augenhöhe aus? Werden dem Kontinent nachhaltige Wirtschaftsperspektiven eröffnet, seinen rechtsstaatlichen Tendenzen Rechnung getragen, soziale Herausforderungen und Konfliktursachen sinnvoll bekämpft?
Für deutsche Afrikapolitik gilt in diesem Zusammenhang, afrikanische Zivilgesellschaften stärker zu konsultieren und deren Perspektiven in den Mittelpunkt zu stellen. Denn politisches Engagement, das lokale Bedürfnisse und Erfahrungen ignoriert, ist letztlich – wie der Sankt Petersburger Gipfel zeigt – unglaubwürdig.