Der Karneval in Lateinamerika findet nicht nur in Río de Janeiro statt. Die kulturelle Vielfalt der Karnevalstraditionen auf dem Subkontinent ist riesengroß: Besitzt Brasilien vielleicht den spektakulärsten, Uruguay vielleicht den längsten, Bolivien vielleicht den buntesten und Argentinien den vielleicht witzigsten Karneval, die verschiedenen Kulturen Lateinamerikas sind auch gerade hier herrlich vielfältig. Auch in der nordargentinischen Provinz Formosa, an der Grenze zu Paraguay gelegen und eine der ärmsten Regionen im südlichen Lateinamerika, wird Karneval gefeiert. Und zwar von der ganzen Bevölkerung.
Was dieses Jahr allerdings in dem kleinen Ort Las Lomitas, im Herzen der Provinz gelegen, passierte, war schon ein weit beachtetes Novum: zum ersten mal in der Geschichte nahm hier eine indigene Karnevalsgruppe an dem jährlich veranstalteten Umzug teil. Es waren 55 Kinder und Jugendliche des Wichi-Volkes, die dieses Jahr so nicht nur für lokale angeregte Diskussionen sorgten. Die Gruppe der 9-19 jährigen Mädchen und Jungen leben in drei indigenen Gemeinde und hatten sich schon vor Monaten zusammengeschlossen, um jetzt im März gemeinsam am Karnevalsumzug teilzunehmen. Der Name ihrer Karnevelsgruppe lautet „Agrupación Ele“, was in der Wichi-Sprache „Papagei“ heisst. Die Mitglieder einigten sich auf diesen Namen, da der in ihrem Habitat lebende Papagei in der Vision der Kids die Fähigkeit besitzt, von anderen Kulturen, ihren Gebräuchen und Sprachen zu lernen. Auch die Farben der Kostüme der Gruppe wurden gemeinsam festgelegt: Grün für die Natur, Gelb für die Früchte des in ihren Territorien wachsenden hitze- und trockenresistenten Johannesfruchtbaums und Braun für den Lehm, aus dem ihre Hütten und Häuser sind. Die Gruppe versucht in ihrer gemeinsamen Arbeit Elemente, die aus ihrer Wichi-Kultur stammen, mit den Einflüssen, die aus anderen Kulturen stammen und von den Mitgliedern als positiv wahrgenommen werden, zu verbinden. So z.B. ist die von ihnen gespielte Musik eine Fusion aus ihren traditionellen Trommelrhythmen mit Elementen aus dem Zamba und dem Zamba Reggae. Ziel ist es hierbei die eigenen kulturellen Werte einzufordern und sie gleichzeitig im Rest der argentinischen Gesellschaft zu verankern.
„Tokwaj“ bedeutet auf Wichi „abenteuerlicher Onkel“
Das für den diesjährigen Karnevalsumzug ausgewählte Thema war der indigene Schöpfungsmythos der Flüsse, die ursprünglich einem Baum entsprungen sind, der zu Beginn alles Wasser der Welt in sich trug. Die in der Provinz Formosa lebenden indigenen Völker werden tatsächlich von zwei wichtigen Flüssen, dem Río Bermejo im Norden und dem Río Pilcomayo im Süden, „umarmt“. Die Gruppe hat dann auch eine grosse „Tokwaj“ Figur und einen riesigen Dorado-Fisch gebaut, die stolz und mit viel Spass durch den Ort getragen wurden. Der „Tokwaj“ ist in der Wichi-Überlieferung der „abenteuerliche Onkel“, der durch sein Draufgängertum, aber auch durch sein unvorsichtiges Vorgehen zum Entstehen der Welt beitrug. So war er es, der sich eine eigene Angel baute und in dem großen Baum einen Dorado-Fisch angelte. Doch dieser war riesig und wehrte sich heftig. Und als er ihn endlich aus dem Baum herauszog, brach die Rinde und das gespeicherte Wasser ergoss sich auf den Boden. Ihm entsprangen so ein Geist und sein Sohn, die sich trennten und die beiden Flüsse, den Río Bermejo und den Río Pilcomayo, bildeten.
Indigenes Leben sichtbar machen
Die Kinder und Jugendlichen amüsierten sich nicht nur bei dem Umzug selbst, sondern hatten auch viel Spaß bei der monatelangen Vorbereitung. Die Misereor -Partnerorganisation APCD (Verein zur Förderung der Kultur und der Entwicklung) arbeitet mit dem Wichi Volk im Norden Argentiniens schon seit vielen Jahren und hat auch den Gruppenbildungsprozess der Kinder und Jugendlichen von „Agrupación Ele“ begleitet. Pablo, Mitarbeiter des APCD-Teams, meinte im Anschluss an den für alle Beteiligten durchweg vergnüglichen Karnevalsumzug: „Dieser Erfolg ist Produkt der Arbeit mit den Jugendlichen über die „Sichtbarkeit“ der indigenen Völker und der Schaffung konfliktfreier Räume“. Keine Selbstverständlichkeit in einer von Armut, Ausgrenzung und der zunehmenden Vernichtung der natürlichen Lebensräume gekennzeichneten Region, wie dem argentinischen Chaco. Pablo wies auch darauf hin, dass die Arbeit mit den Kids ohne die enge Zusammenarbeit mit den lokalen Pfarrern und ohne das anthropologische Wissen von APCD Freund und Kollegen John Palmer so nicht möglich gewesen wäre.
Sonderpreis für die „Papageien“
Das Auftreten der Gruppe wurde von allen Beteiligten frenetisch gefeiert, die Karnevalsjury vergab einen Sonderpreis und sprach eine Einladung für den kommenden Karneval aus.
Für die Kids war dies ohnehin klar:
„Es lebe der Karneval, es lebe das Volk der Wichis !“
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