„Wir haben kein Land und kein Geld. Wie können wir da an die Zukunft unserer Kinder denken?“ Kaum zu glauben, dass Mohamed Sahib Udin trotzdem so nett lächelt, als er uns von seinem Leben erzählt.
– Zweiter Teil der kleinen Serie über meine Reise nach Bangladesch –
Ich treffe ihn in einem Dorf im Norden von Bangladesch. Die Geschichte seines Lebens ist die von Armut, Pech und Abhängigkeit. Letztes Jahr zum Beispiel musste er sich Geld leihen, um Saatgut zu kaufen. Auch ein Stückchen Land musste er pachten, denn sein eigenes Land reicht nicht aus, um sich und seine Frau zu ernähren. Aber als Pacht für dieses kleine Stück muss er die Hälfte (!) seiner gesamten Ernte abgeben. „Wenn ich Geld brauche, muss ich es mir leihen“, meint er. Wenn er Glück hat, hilft ihm ein Nachbar aus. Wie zum Beispiel jetzt zur Erntezeit, wo alle ein wenig Geld haben. Nachbarn nehmen keine Zinsen.
Winzige Summen zu Wucherzinsen
Aber zur Regenzeit, wenn alles knapp wird, können die Nachbarn nicht mehr helfen. Dann geht der alte Mann zum lokalen Geldverleiher und leiht sich für uns winzige Summen zu Wucherzinsen. Als Analphabet weiß er nicht, unter was er eigentlich seinen Fingerabdruck setzt. Immer wieder verlieren Bauern auf diese Weise ihr Land und so ist Udins Besitz im Laufe der Jahre geschrumpft. Jetzt, mit 75 Jahren, muss er immer noch als Erntehelfer arbeiten, um ein wenig dazu zu verdienen, denn auch seine Kinder können ihm nicht helfen. Es war immer zu wenig Geld da, um sie zur Schule zu schicken. Und so leben auch sie in Armut. Noch nicht einmal seine Ziege gehört ihm. Sie ist geliehen, und nur wenn sie zwei Junge wirft, darf er eins behalten.
Gegen die Armut braucht man viele Eisen im Feuer
Viele arme Kleinbauen in Bangladesch landen – oft durch Übervorteilung und Betrug – in der Überschuldung. Damit solche Schicksale weniger werden, ist Unabhängigkeit das große Ziel von den MISEREOR-Partnerorganisationen, deren Projekte wir besuchen. So unterstützen BARCIK und Caritas Mymensingh die Bauern dabei, selber Reis zu züchten und auf organische Anbaumethoden zu setzen, denn so sparen die Bauern das Geld für Saatgut, Kunstdünger oder Pestizide. Ein weiterer Ansatz ist Risikostreuung: Viele Farmer setzten mittlerweile auf verschiedene Reissorten. So fällt nicht die ganze Ernte aus, wenn ein Feld von Schädlingen befallen wird. Darüber hinaus bauen die Frauen Gemüse, Obst und Gewürze an. Um die Häuser herum stehen Obst- und Bambusbäume und viele Familien haben neben den Hof einen kleinen Fischteich angelegt, aus dem sie auch ihre Gärten und Felder bewässern. „Je mehr Möglichkeiten wir haben, desto sicherer sind wir, dass auch im nächsten Jahr genug da ist“, erklärt mir Udins Nachbar Sayed Bacchu. Ihm gelingt das ganz gut und deshalb kann er Udin auch oft helfen.
Über sein Erfolgsgeheimnis schreibe ich in meinem nächsten Beitrag.