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Wer bremst verliert!

Auf Bangladeschs Straßen braucht man drei Dinge: Gute Nerven , gute Nerven, gute Nerven. Auch noch nützlich: eine laute Hupe, helle Scheinwerfer und starke Bremsen.  Start einer kleinen Serie über meinen Projektbesuch in Bangladesh.

Vorfahrt hat der Stärkste (c) 2012 Kathrin Harms/MISEREOR

Vorfahrt hat der Stärkste (c) 2012 Kathrin Harms/MISEREOR

Von  Bangladeschs Hauptstadt Dhaka bin ich unterwegs in den Norden des Landes. Ich besuche das Beispielprojekt für die Kinderfastenaktion 2013. Über drei Stunden soll unsere kleine Gruppe für die knapp 100 Kilometer brauchen.

Allerdings vergeht die erste Stunde schon mit Stop-and-Go in Dhaka. Die Staus der Hauptstadt sind legendär.  Ein echtes Geduldsspiel,  denn das Hauptprinzip des hiesigen Verkehrs heißt wohl „alles oder nichts“. Sobald sich eine Lücke auftut, drückt der Fahrer aufs Gas, um gefühlte  drei Sekunden später  abrupt zu bremsen.

Haarscharf

Was  bin ich  froh,  als wir endlich auf der Landstraße Richtung  Norden sind!  Die Erleichterung hält aber nur bis zum ersten Überholen.  Als wir an einem der zahlreichen Motortaxis vorbeifahren, rast ein Überlandbus auf uns zu. Er blinkt heftig mit den Scheinwerfern und hupt. Langsamer wird er nicht. Auch unser Fahrer denkt nicht ans bremsen; hupt seinerseits und zieht im allerletzten Moment links rüber.

Bangladesch hat von den britischen Kolonialherren den Linksverkehr geerbt. Aber meistens fahren wir rechts. Denn unsere Fahrt ist eine Art Dauer-Überholmanöver.

Autobahn trifft Dorfstraße

Die Die liebevolle Verzierung der LKWs steht in krassem Gegensatz zur Fahrweise. (c) 2012 MISEREOR

Die liebevolle Verzierung der LKWs steht in krassem Gegensatz zur Fahrweise. (c) 2012 MISEREOR

Viele Straßen sind völlig überlastet.  Der „Highway“ von Dhaka nach Mymensingh ist zweispurig.  Auf diesen zwei Spuren fahren nicht nur  Autos,  Lastwagen und Busse ,  sondern auch Rickschas, Motoradtaxis und schwerbeladene Fahrräder.  Denn entlang unserer Route geht ein Dorf ins nächste über.  So wird der Highway zur Dorfstraße. Bangladesch ist der Flächenstaat mit der größten Bevölkerungsdichte.  150 Millionen Menschen leben hier auf einer Fläche so groß wie Bayern. Zwei Drittel von ihnen auf dem Land.

Auf den hiesigen Straßen gilt das Recht des Stärkeren. Ganz unten: Fußgänger – ein kurzes Hupen reicht, und egal ob Frau, Mann oder Kind springt zur Not in den Straßengraben. Denn kein Gefährt würde bremsen.

Selbst die Männer, die mühsam ihre schweren Handkarren schieben, werden ohne Mitleid zur Seite gehupt. Und so geht es weiter, wie beim Skat. Motorrikscha sticht Fahrradrikscha. Lastwagen sticht Auto. Und die Könige der Straße, sind die riesigen Überlandbusse. Deren Fahrer brausen permanent hupend über die holprigen Pisten.

Prinzip  Rittertunier

Rikschas sind Bangladeschs Verkehrsmittel Nr. 1 (c) 2012 Kathrin Harms/MISEREOR

Schwierig wird es, wenn sich zwei gleich „starke“ Gefährte begegnen. „Wer bremst verliert“, und so rasen mitunter zwei Busse mit Affenzahn aufeinander zu.   So ähnlich wie beim mittelalterlichen Rittertunier denke ich.  Meistens bremst dann doch noch im letzten Moment einer der beiden ab. Oder die Rikscha , die gerade überholt wird, bremst – so kommt ein Bus gerade noch vorbei.  Manchmal aber eben auch nicht. Nach unserer Ankunft, lese ich  im Newsletter unserer Partnerorganisation über einen tödlichen Buszusammenstoß, vor einem Monat.

Deshalb steige ich am nächsten Morgen mit einem etwas mulmigen Gefühl in den Wagen. Es geht weiter in das Dorf Chatika. Mehr darüber in meinem Beitrag „Abhängig“.

Geschrieben von:

Ansprechtpartnerin

Marianne Pötter-Jantzen ist Referentin für Kampagnen und Dekolonialisierung bei Misereor.

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