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Ein Eingriff, und ein Symbol

Hysterektomie – ein Eingriff, der jedem Medizinstudenten aus seinen Gynäkologiekursen geläufig ist. Was ich bisher in erster Linie mit alten Frauen, schlechtem Bindegewebe und vielen Schwangerschaften in Verbindung gebracht habe, wird für mich mehr und mehr zum Symbol für die Rolle der Frauen im Gurageland.

Beladen wie Esel: äthiopische Frauen

Beladen wie Esel: äthiopische Frauen

Die Frauen in Äthiopien schuften. Beladen wie Esel laufen sie kilometerweit von Dorf zu Dorf, schleppen tonnenweise Steine auf Baustellen und ackern sich den Rücken krumm auf dem Feld. Beim Heben und Stemmen dieser Lasten machen sie sich nicht nur den Rücken kaputt, sondern bauen außerdem in ihrem Körperinneren einen solchen Druck auf, dass ihre Beckenbodenmuskulatur dem nicht lange standhalten kann. Sie wird insuffizient, was dann zur Folge hat, dass die Gebärmutter nicht mehr im Körper gehalten werden kann.

Auch diese Frauen haben eine Hysterektomie hinter sich…

Auch diese Frauen haben eine Hysterektomie hinter sich…

Dann kommt sie durch die Vagina raus, hängt zwischen den Beinen, wird eingequetscht beim Sitzen, wird dreckig, manchmal von der Sonne verbrannt, und entzündet sich schließlich. Und dann kommen sie ins Krankenhaus, voller Scham, und unterziehen sich der einzig möglichen Therapie: Hysterektomie, dem Herausschneiden der Gebärmutter.

Oft sieht man es den Frauen auf den ersten Blick an: die Füße platt getreten und rissig, das Gesicht von Sonne und Wind gegerbt, den Rücken vornüber gebeugt gegen die Schmerzen. Viele von ihnen sind alt, aber einige Frauen trifft dieses Schicksal schon sehr früh, in einem Alter, in dem sie eigentlich ans Kinderkriegen denken. Aber wer keine Gebärmutter mehr hat, kann auch keine Kinder mehr kriegen. Das ist überall auf der Welt eine bittere Konsequenz; in einer Gesellschaft, in der erst ein Haufen Kinder eine richtige Familie bedeuten, ist es umso härter.

Neulich war ich mit ein paar jungen Mädchen an einem Brunnen, wo sie täglich Wasser holen. Aus Neugierde habe ich einen der Wasserbehälter genommen – und konnte ihn grade ein paar Zentimeter über den Boden heben.

Ein typischer Zeitvertreib der Männer im Gurageland

Ein typischer Zeitvertreib der Männer im Gurageland

Mein erster Gedanke war: „Viel zu schwer, das kann nur ein Mann heben!“ Stattdessen hat ihn sich ein mageres Mädchen auf den Rücken gewuchtet, das mir knapp bis zur Schulter ging…

Ich bin jetzt fast zwei Monaten im Gurageland, aber ich habe noch keinen Mann gesichtet, der wie eine Frau mit Lasten beladen unterwegs ist. Ihr Anblick, wenn sie palavernd am Straßenrand sitzen, Kaffee trinken und Chad kauen, ist mir dagegen sehr geläufig…

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Julia Cordes ist Medizinstudentin im 10. Semester und arbeitet für drei Monate im Attat-Hospital im Gurageland, Äthiopien.

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