Wunderschön sehen sie aus, unsere Mädchen, in ihren selbst geschneiderten Kleidern und mit einem Funkeln in den Augen, das sagt: „Heute ist mein großer Tag“! Es ist Graduation, Abschiedsfeier, und Eltern und Freunde sind gekommen, um sie nach einem Jahr mit nach Hause zu nehmen. Sie lassen sich feiern, tanzen ausgiebig, lachen, aber gleichzeitig merkt man auch, wie schwer dieser Tag für sie ist, denn wer weiß, was die Zukunft für sie bringen wird? Werden die Mädchen einen Job finden, genug Geld verdienen, das für ein anständiges Leben reicht? Oder landen sie wieder auf der Straße, wo sie vor einem Jahr rausgeholt wurden?
Der Straße entflohen
Vor nicht ganz einem Jahr sind sie von Mitarbeitern, Nachbarn, Polizei, Journalisten oder anderen NGOs ins „Trafficking Center“ der DMI Schwestern gebracht worden. Sie sind geflohen vor Missbrauch, häuslicher Gewalt, einem Leben in Armut, ohne Aussicht, der Straße zu entkommen. Manche sind sogenannte „Trafficking Children“, von ihren eigenen Eltern an Verwandte oder Firmen verkauft und als billige Arbeitskraft missbraucht worden. Während andere Kinder in ihrem Alter zur Schule gehen, mussten die Mädchen kochen, putzen und waschen. Ohne Bezahlung versteht sich, und behandelt, als wären sie nichts wert. Die meisten haben nicht mal die 7.Klasse, Grundausbildung in Tansania, beendet, und haben kaum Chancen, jemals an einen gut bezahlten Job zu gelangen.
Lernprozess
Doch das hat sich geändert in den letzten Monaten, langsam, aber stetig. Im Center bekommen die Mädchen die Möglichkeit, sich in verschiedene Richtungen fortzubilden. Aufgeteilt sind sie in zwei Gruppen: Die wenigen, die genügend Englischkenntnisse besitzen, lernen, wie man einen Computer benutzt,
Dokumente erstellt und bearbeitet, damit sie später vielleicht in einem der zahlreichen Copyshops arbeiten können. Die andere Hälfte widmet sich der Arbeit im Salon, schminken, frisieren und Nägel lackieren, sowie einer Schneiderlehre. Daneben lernen alle Mädels zusammen, wie man Batik-Stoffe herstellt und Seifenwasser und Kerzen produziert.
Doch es sind vor allem auch die kleinen, nebensächlichen Dinge, die einen wichtigen Teil des Lernprozesses ausmachen: Einem geregeltem Alltag folgen, Selbstvertrauen und Vertrauen in andere lernen, spüren, dass man sein eigenes Leben selbst in die Hand nehmen kann, dass man Pflichten und Aufgaben hat, an die man sich halten muss, dass man Teil einer Gruppe von Mädchen ist, die ähnliche Schicksale haben. Und das es irgendjemand gibt, dem es nicht egal wird, was aus einem wird, der einen so akzeptiert, wie man ist.
Man mixe: Walzer und Swahili Tanzschritte
Die letzten drei Monate durften wir die Mädchen auf ihrem Weg begleiten, haben sie in Englisch unterrichtet, ihnen gezeigt, wie man gebrannte Mandeln herstellt, Spiele gespielt, damit sie für ein paar Minuten wieder Kind sein durften und sind als heißbegehrtes Haarmodel mit blonden langen Haaren zur Verfügung gestanden.
Die Zeit verging wie im Flug, auf einmal ging alles ganz schnell und die Mädchen waren in den letzten Vorbereitungen für die Graduation vertieft: Aus selbst gebatiktem Stoff wurden Röcke und Blusen geschneidert, Einladungskarten wurden verschickt und Lieder einstudiert. Und natürlich durfte für einen richtigen Abschlussball eines nicht fehlen: Ein Walzer. Kritisch beäugt wurden die ersten Schritte und Drehungen schon, und nachdem wir der ganzen Choreografie Swahili Tanzschritte beigefügt haben waren, sah es zwar nicht mehr so ganz nach Walzer, aber umso mehr nach etwas ganz Besonderem aus.
Als der große Tag dann da war, waren wir ziemlich aufgeregt, und unglaublich stolz zugleich, als die Mädchen den Walzer vorführten. Es war egal, dass wir auf einem kiesigen Vorhof neben einem halb zerfallenen Schuppen standen, dass die Kleider selbst genäht waren und das Publikum auf Plastikstühlen saß. Denn es war (vielleicht gerade deswegen?) etwas ganz Besonderes, die Mädchen haben getanzt und gestrahlt, dass der Wieneropernball mit langen Kleidern und Kronleuchtern nicht eleganter hätte sein können.
Schwerer Abschied
Daneben gab es noch tansanische Lieder und Tänze, Reden, und endlich wurden die Zeugnisse überreicht. Den Mädchen standen die verschiedensten Gefühle ins Gesicht geschrieben. Stolz, Hoffnung, aber auch Angst, Unsicherheit, denn trotz allem, was sie in diesem Jahr gelernt haben, ist ihre Zukunft ungewiss. Als Angelika ihre Urkunde überreicht bekommt, bricht sie zusammen und muss zu ihrem Platz geführt werden.
Es ist so viel, was den Mädchen an diesem Tag durch den Kopf gehen muss, viel mehr, als ich erahnen kann. Denn trotz dem ganzen Stolz spürt man, dass in jedem auch die Angst da ist, die Angst vor der Zukunft, die Angst, wieder da zu landen wo man herkam, die Angst, zu der Familie zurück zu gehen, die einen verkauft hat.
Einige der Mädchen werden überschwänglich von ihrem Familien und begrüßt und gefeiert, bei anderen ist kein einziger aus der Familie gekommen, obwohl die Eltern keine halbe Stunde entfernt wohnen. Der Abschied fällt allen nicht leicht, denn die Zukunft ist ungewiss. Im Center hatten sie regelmäßig Essen, Unterricht, Freunde – sobald sie aus dem Tor raus sind, ist das Vergangenheit, dann beginnt wieder das normale, oftmals harte und ungerechte Leben. Aber sie werden sich erinnern: an Computer, gebrannte Mandeln und Walzerschritte.
Liebe Maleen,
Die Bilder sind wieder da…..wir sehen sie tanzen und in ein neues, oder auch altes Leben wieder zurückkehren. Was aus Ihnen wird ist ungewiss. Die Zeit und die Zuneigung die du Ihnen gegeben hast, werden sie aber in Ihrem Herzen tragen.
Geh immer deinen Weg, denn es ist der richtige!
Liebe Maleen,
man kann aus deinem Eintrag richtig herauslesen, wie sehr dir die Mädchen ans Herz gewachsen sind, wie stolz auch du auf sie bist und dass du ihre Ängste mit ihnen teilst. Und Walzer in Tansania? Super Idee! Das hätte ich auch sehr gerne mal gesehen. Macht weiter so!!!
Liebe Grüße aus Aachen, Uta
PS: Coole Frisur … 🙂
Liebe Maleen,
ist das nicht das Schönste was du ihnen geben kannst? Zeit, Aufmerksamkeit und viel Spaß? Ich find es super und drück dir die Daumen, dass es bei dir in Zukunft noch mehr solcher Momente geben wird!
P.S.: hmm gebrannte Mandeln, da würde ich mich jetzt gerne nach Tanzania beamen!