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Weltfrauentag

Während heute weltweit an die Freiheit und die Gleichberechtigung der Frauen erinnert wird, befinde ich mich an einem Ort, an dem beides nicht weiter entfernt sein könnte. Kandhamal, ein Distrikt in Indiens ärmsten Bundesstaat Orissa.

Dicht bewachsene, grüne Hügel, breite Flüsse, und Laubwälder prägen die Landschaft. Alles wirkt friedlich, doch die romantische Fassade trügt. Dahinter verbirgt sich eine hierarchische Gesellschaft, in der Frauen keine Rechte haben. Vor allem dann nicht, wenn sie den unteren Kasten angehören. Fast täglich wird eine Frau sexuell missbraucht, misshandelt oder verschleppt. Justiz und Politik schauen zu oder weg und kreieren schockierende Fälle von Straflosigkeit im größten demokratischen Staat der Welt.

Während der brutale Vergewaltigungsfall in der indischen Hauptstadt Neu Delhi vor ein paar Monaten große Aufmerksamkeit erlangte, bleiben die meisten Übergriffe in Khandamal entweder unerzählt, meistens ungehört und fast immer ungesühnt. Die Ungerechtigkeit schockiert, macht wütend, man fühlt sich hilflos: Zwar ist das Kastensystem in Indien offiziell abgeschafft, in vielen ländlichen Regionen, wie hier in Khandamal, hat es jedoch noch Bestand. Angehörige der unteren Kasten haben so gut wie kein Ansehen und bei Weitem nicht die gleichen Rechte wie die höherkastige Bevölkerung. „Frauen in Indien haben an sich schon eine niedrige Stellung“ berichtet MISEREOR-Partner Father Ajay. „Wer dazu noch eine Dalit ist, gilt als frei verfügbar, als Freiwild.“

In den vergangenen Tagen traf ich viele junge Frauen, die von Männern der höheren Kaste auf grausamste Art und Weise ausgenutzt und missbraucht wurden. Viele haben zu viel Angst, um Anzeige zu erstatten. Und wenn sie sich trauen, werden sie selbst von den Polizeibeamten nicht Ernst genommen, nach Hause geschickt, zum Stillschweigen erpresst. Einer Frau bot ein Polizist ein Auto an, eine andere sollte für einen Job als Putzfrau ihre Anzeige zurückziehen. Einer legte ihre Nachbarschaft nahe, sich umzubringen.

MISEREOR-Partner Jana Vikas unterstützt die Frauen dabei, Anzeige zu erstatten, ihren Fall vor Gericht zu bringen, weist sie auf ihre Rechte hin und macht ihnen Mut. „Das Kastendenken ist hier tief verankert im Denken der Menschen, im gesamten System“, sagt Father Ajay. „Damit Frauen nicht nur als Objekte, sondern als Personen mit Würde und Rechten angesehen werden, muss  sich die Mentalität ändern und mit ihr das bis jetzt durch und durch korrupte System.“

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Daniela Singhal ist bei politischen Aktionen in der Hauptstadt vor Ort, trifft internationale Partner und ist im In- und Ausland für MISEREOR unterwegs.

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