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Eid al Adha in Abuja – Eine Woche im Zeichen des Opferfestes

Abuja scheint heute still zu stehen. Zumindest auf den ersten Blick. Banken, Geschäfte und viele Büros sind geschlossen. Es fahren kaum Autos. Die großen sechspurigen Straßen der nigerianischen Hauptstadt wirken gespenstisch leer.

Nähert man sich jedoch einer der zahlreichen Moscheen der Stadt, so ändert sich das Bild: Trubel, Musik, Menschenmassen in traditionellen Outfits. Der Grund ist „Eid al Adha“, das islamische Opferfest, das in dieser Woche von Moslems in der ganzen Welt gefeiert wird – natürlich auch in Nigeria.

Die Nationalmoschee zählt ebenso wie die Nationalkirche (rechts im Hintergrund) zu den Wahrzeichen Abujas. Dazwischen befindet sich das "Unity Centre" im Bau, das als Symbol der Einheit Nigerias dienen soll.

Die Nationalmoschee zählt ebenso wie die Nationalkirche (rechts im Hintergrund) zu den Wahrzeichen Abujas. Dazwischen befindet sich das „Unity Centre“ im Bau, das als Symbol der Einheit Nigerias dienen soll.

Nicht nur für Moslems in Nigeria ist dies eine besondere Zeit. Gleich zwei Tage hat die Regierung als offizielle landesweite Feiertage deklariert. Und so genießen auch die Christen die arbeitsfreie Zeit. Und sie feiern mit – gemeinsam mit ihren muslimischen Freunden oder Verwandten.

Auch die Verbindungsstelle von MISEREOR bleibt geschlossen. Meine Mitarbeiter berichteten mir zuvor von ihren Plänen für die Feiertage. Unser Fahrer Moses möchte mit seinen Freunden gemeinsam feiern, denn die meisten von ihnen seien Moslems. Und natürlich will er sich das gute und reichliche Essen nicht entgehen lassen: „Unsere muslimischen Freunde wissen einfach am besten, wie man ein richtiges Festmahl veranstaltet“, so Moses. Auch die Sekretärin Christiana blickte bereits mit Vorfreude auf die Feiertage. Sie feiert mit ihrer Familie, schließlich ist die Zwillingsschwester ihrer Mutter Muslimin und hat die ganze Verwandtschaft eingeladen.

Eid al Adha – das islamische Opferfest

Eid al Adha ist das höchste islamische Fest des Jahres. Es wird zum Höhepunkt der Wallfahrt nach Mekka, der Hadj (deutsch gesprochen: Haddsch), gefeiert und dauert insgesamt vier Tage. Wer es sich leisten kann, opfert zum Fest ein Tier, meist ein Schaf oder eine Ziege. Und es ist guter Brauch, Freunde und Verwandte zum Verzehr des Fleisches einzuladen oder es unter den Armen zu verteilen.

Für uns kündigte sich das Fest schon in der vergangenen Woche an. Unser Nachbar, ein hochrangiger Beamter der Regierung, wollte sich wohl besonders großzügig zeigen und versammelte gleich eine ganze Schar von Tieren. Tagelang war die Straße vor unserem Haus von dutzenden Ziegen und Schafen gesäumt. Gestern wurden sie dann auf mehrere Kleinlaster geladen. Man wolle sie in das Heimatdorf meines Nachbarn bringen, berichtete mir einer der Fahrer. Dort soll ein besonders großes Fest gefeiert werden.

Wie meine Nachbarn zieht es viele Einwohner Abujas zum Feiern hinaus in ihre Heimatstädte und –dörfer. Abuja ist keine natürlich gewachsene Stadt und echte „Einheimische“ gibt es kaum. 1991 verlegte man den Regierungssitz in die neue geschaffene Hauptstadt, um dem Chaos der Megacity Lagos zu entkommen.  An Wochenenden und insbesondere zu Feiertagen verlassen viele Einwohner die Stadt und fahren zu ihren Familien. So kommt es, dass die Stadt an wichtigen Feiertagen wie ausgestorben wirkt.

Religion – zwischen Spannung und Hoffnung

An solchen Feiertagen zeigt sich Nigeria von seiner besten Seite: bunt und fröhlich und voller Stolz auf die Vielfalt des Landes. Wenig ist dann zu erkennen von der oft beklagten Spaltung des Landes zwischen dem muslimischen Norden und dem christlichen Süden. In Abuja vermischen sich Islam und Christentum ohnehin zu ziemlich gleichen Teilen. Ganz bewusst hat man die Hauptstadt ins Landeszentrum gelegt, um einen gleichen Zugang zu politischer Macht für Norden und Süden zu symbolisieren.

Das Zusammentreffen von verschiedenen Religionen, Kulturen und Ethnien macht Nigeria zu einem enorm spannenden und beindruckenden Land. Und an Tagen wie diesen, an denen diese Vielfalt in Harmonie zelebriert wird und Moslems und Christen gemeinsam feiern, kann man als Beobachter große Bewunderung empfinden.

Aber wer die Nachrichten aus Nigeria verfolgt, der weiß auch, dass es große Probleme gibt in Nigeria und dass diese Harmonie oft gestört wird. Manche Nigerianer behaupten sogar, sie sei eine Illusion und eine Spaltung des Landes sei langfristig unvermeidbar. In der Tat gibt es großes Konfliktpotential. Die Spaltung der politischen Lager verläuft auch entlang religiöser Konfliktlinien. Im sogenannten „Middle Belt“ des Landes gab es in der Vergangenheit oft gewaltsame Auseinandersetzung mit religiöser Dimension. Und die Gräueltaten der Terrororganisation „Boko Haram“ im Norden Nigerias verschärfen religiöse Spannungen.

In einem Kontext von hoher Armut, weit verbreiteter Korruption und einem allgemeinen Gefühl der Rechtlosigkeit finden viele Nigerianer die einzige Hoffnung in ihrer Religion. Leider werden sie dadurch oft anfällig für die Manipulationen falscher Prediger. Und auch manch skrupelloser Politiker macht sich die Religion zu Nutze, um Menschen in seinem Sinne zu mobilisieren und anzustacheln.

Diese Probleme darf man nicht unterschätzen. Sie müssen aktiv angegangen werden – wie zum Beispiel durch die Friedens- und Dialogarbeit vieler MISEREOR-Partner in Nigeria.

Heute allerdings geht der Blick weg von den Schattenseiten und wir genießen den Anblick der gemeinsam feiernden Menschen. Dass die Feierlichkeiten von Männern mit Maschinengewehren beschützt werden, gehört dabei leider zum nigerianischen Alltag.

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Mathias Kamp ist Politikwissenschaftler und seit Februar 2013 Leiter der MISEREOR-Verbindungsstelle in Abuja, Nigeria. Dort steht er in engem Kontakt mit den Partnern vor Ort und begleitet als Berater die von MISEREOR geförderten Projekte. Besonderes Augenmerk gilt dabei der Arbeit der Partner in den Bereichen gute Regierungsführung, Menschenrechtsförderung und Konfliktbearbeitung.

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