Das Kap der guten Hoffnung – diesen Namen hat die Südspitze des afrikanischen Kontinents erhalten, weil es für die frühen Seefahrer einen Wendepunkt darstellte. Hatte man diesen gefährlichen Punkt umschifft, war der schwierigste Teil der Reise überstanden. Ganz in der Nähe des Kaps, genauer gesagt auf der Farm Goedgedacht, trafen sich in der vergangenen Woche über 40 Vertreter von MISEREOR-Partnerorganisationen aus Südafrika, Brasilien und Indien sowie von Organisationen in Deutschland.
Auch Deutschland befindet sich an einem bedeutenden Wendepunkt: Das Land steckt mittendrin in der Energiewende. Manfred Ebeling, Landwirt aus dem Wendland und Mitglied der Bäuerlichen Notgemeinschaft berichtete auf Goedgedacht vom Weg dahin. Er erzählt hautnah vom langen Kampf gegen Atomenergie und die Deponierung von Atommüll in Gorleben. Traktoren gegen Polizei – solche Bilder hatten die Konferenzteilnehmer bisher nicht mit Deutschland verbunden. Zwar kennen viele das deutsche Wort „Energiewende“. Doch wenigen war bisher bewusst, dass die deutsche Energiewende nicht im Jahr 2011 durch Angela Merkel angefangen hatte, sondern ihren Ursprung in einem langen Kampf gegen eine nicht nachhaltige Energieversorgung, nämlich Atomstrom, hat.
Die Probleme der Energieversorgen sind weltweit die gleichen
So unterschiedlich Indien, Brasilien, Südafrika und Deutschland auch sein mögen, die Probleme der Energieversorgung sind doch recht ähnlich: So zahlen Normalverbraucher in Brasilien mehr als doppelt so viel für Energie wie Industrieunternehmen. Auch in Südafrika zahlen die größten Energieverbraucher aufgrund von langjährigen Verträgen so gut wie nichts, während für die Bürger die Energiepreise pro Jahr um bis zu 25 Prozent steigen. Besonders deutlich wird die Verteilungsungerechtigkeit am Beispiel Indiens. In dem Land, das sich rühmt, Satelliten ins All schießen zu können, haben noch immer über 300 Millionen Menschen keinen Zugang zu Elektrizität. Und das vor allem in Gebieten, wo Kohle abgebaut und zu Strom umgewandelt wird.
Ein weiteres gemeinsames Problem ist die enge Verzahnung von Energiewirtschaft und Politik. In Südafrika etwa hält die Regierungspartei ANC 25 Prozent der Anteile an dem Unternehmen Hitachi Power Africa, das am Bau der Kohlekraftwerke „Medupi and Kusile“ beteiligt ist. Eine tatkräftige Unterstützung von erneuerbaren Energien ist da nicht zu erwarten.
Demokratische Mitbestimmung? Fehlanzeigen!
Und in Brasilien diktiert Petrobras, der siebtgrößte Energiekonzern der Welt, der brasilianischen Regierung weitgehend ihre Energiepolitik. Eine demokratische Mitbestimmung findet so gut wie gar nicht statt. Das zeigt sich zum Beispiel Belo Monte. Über ihren Kampf gegen das riesige Staudammprojekt berichtet die Staudammbewegung (Organisation Movimento dos Atingidos por Barragems, MAB). Die Bilder aus Brasilien zeigten blockierte Straßen – und waren denen aus dem Wendland verblüffend ähnlich. Im Namen einer scheinbar klimafreundlichen und kostengünstigen Technologie – was weder für Kernenergie noch für Wasserkraft bei genauem Hinsehen zutrifft – werden die Interessen der Menschen mit Füßen getreten..
Entsprechend des Titels „Power Up! A Just Energy Transition for the South“ sollten die Folgetage nun aber weniger der Problemanalyse dienen, sondern Antworten auf die Frage bringen, wie man von einem zentralisierten Energiesystem, das auf fossilen Brennstoffen basiert, zu einer gerechten und dezentralen Energieversorgung kommt, die demokratischen Prinzipien entspricht und auf erneuerbare Energien setzt.