UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung legt Abschlussbericht vor.
Ein Beitrag von Alicia Kolmans, Referentin für Welternährungsfragen bei MISEREOR.
Heute hat Prof. Olivier De Schutter, UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, sein Abschlussbericht dem UN-Menschenrechtsrat in Genf vorgelegt. In diesem Dokument hat er seine Schlussfolgerungen und Empfehlungen zum Ende seiner sechsjährigen Amtszeit zusammengefasst. In seiner Präsentation brachte er die Kernaussagen des Berichtes in folgendem Satz auf den Punkt:
„Die Bekämpfung von Hunger und Unterernährung ist ein erreichbares Ziel. Allerdings wird es dafür nicht ausreichend sein, die Logik unseres Ernährungssystems zu justieren – das Ernährungssystem muss stattdessen komplett umgekrempelt werden.“
Das passt gut zu den Worten von Kardinal Woelki und MISEREOR-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel zur Eröffnung der MISEREOR-Fastenaktion 2014 zum Thema Hunger. Kardinal Woelki hat in diesem Zusammenhang zur Umkehr aufgerufen: „Das heißt nicht: Macht weiter so, wie bisher, sondern wirklich: Kehrt um!“ Spiegel sagte „Wir brauchen ein neues Denken, ein neues Handeln von Staat und Gesellschaft, aber auch von jedem Einzelnen.“
In seiner sehr professionellen und diplomatischen, aber bestimmten Art, nahm De Schutter bei seiner Präsentation kein Blatt vor den Mund und warnte, dass das vorherrschende Ernährungssystem nur in Hinsicht auf Profitmaximierung für das Agrobusiness effizient sei. Ziele des Welt-Gemeinwohls, wie die Versorgung aller Menschen mit kulturell angepasster Nahrung, der Erhalt und die Förderung der bäuerlichen Landwirtschaft und der Schutz der natürlichen Ressourcen blieben hingegen auf der Strecke.
In seinem 28-seitigen Abschlussbericht findet man eine gute Zusammenfassung der aus MISEREOR-Perspektive sehr zutreffenden Analysen, die er im Laufe seiner Amtszeit in einer Vielzahl von offiziellen Berichten und anderen Veröffentlichungen gemacht hat.
Hier einige der Kernaussagen:
- Lokalisierte Ernährungssysteme müssen gestärkt werden. Zum Beispiel nicht Produktion für den Export, sondern lokalen Bedarf oder Stärkung der regionalen Vermarktung.
- Ernährungssicherheit kann nur erreicht und aufgebaut werden, wenn das Potential der (klein-)bäuerlichen Landwirtschaft unterstützt wird.
- Die Konsumseite des Ernährungsproblems bedarf einer größeren Aufmerksamkeit als bisher. Besonders wichtig sind eine Reduktion des übermäßigen Fleischkonsums, die Drosselung der Nachfrage nach Agrarkraftstoffen und die Begrenzung der enormen Verschwendung von Nahrungsmitteln.
- Bei dem Aufbau alternativer Ernährungssysteme ist eine demokratische Entscheidungsfindung zentral.
Zusammen mit MISEREOR freuen sich viele Organisationen der Zivilgesellschaft und sozialer Bewegungen – insbesondere bäuerliche Organisationen – über die Schlussfolgerungen und Empfehlungen von Olivier De Schutter. 80% der Hungernden leben auf dem Land! 50% davon sind Bauern und Bäuerinnen! In einem Umfeld, in dem ein Großteil der Dokumente und Positionen nationaler Regierungen und internationaler Organisationen eher Partei für das einflussreiche Agrobusiness ergreifen und für ein „weiter so wie bisher“ bzw. maximal für ein „Justieren“ des vorherrschenden Ernährungssystems eintreten, ist es sehr heilsam und motivierend, wenn aus „offizieller Seite“ für die Interessen der Benachteiligten und Marginalisierten Partei ergriffen und eine andere Logik eingefordert wird.
Ich selbst habe Olivier De Schutter einige Male auf internationalen Konferenzen und Treffen erlebt. Er ist eine beeindruckende Persönlichkeit, mit unglaublich viel Sachverstand und Engagement, aber auch Bescheidenheit. Ich hoffe sehr, dass sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin seine Arbeit auf ähnlich erfolgreiche – und für uns sehr hilfreiche! – Weise fortsetzen kann.