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Hunger in der Sahelzone

Wie entstehen Hungersnöte in der Sahelzone?

Hungersnöte entstehen nicht „aus heiterem Himmel“ und sie sind in den wenigsten Fällen nur auf Niederschlagsschwankungen oder Dürren zurück zu führen. In der Regel verursacht ein ganzes Bündel an Faktoren, die sich jeweils gegenseitig verstärken, akuten Hunger. Wenn es zu Hungersnöten kommt, sind meist drei Ursachen ausschlaggebend:

  • Die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln. Diese ist nicht nur abhängig von Wetterbedingungen und den erzielten Ernten. Die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln wird teilweise auch künstlich verknappt, wenn z. B. lokale Händler Getreide horten, um an Spekulationen zu verdienen.
  • Die vorhandene Kaufkraft der Bevölkerung, also wie viel Geld Menschen zur Verfügung haben, Nahrungsmittel zu kaufen bzw. dazu zu kaufen. Vielen Bauern fehlen die finanziellen Rücklagen, mit denen sie Dürreperioden überstehen könnten.
  • Der Umgang des Staates mit Krisen. Oft reagieren die Regierungen unangemessen. Sie spielen die Ernährungssituation aus politischen Gründen herunter und verschlimmern damit die Situation durch zu spätes Eingreifen. Dank des Aufbaus von Frühwarnsystemen können Staaten heute einiges dagegen tun, dass ihre Bevölkerung hungert. So können Regierungen verhindern, dass sich Grundnahrungsmittel extrem verteuern, indem sie ausreichend Getreidereserven anlegen und stufenweise freigeben. Finden die Herden nicht mehr ausreichend Futter auf den vorhandenen Weiden, kann der Staat den Hirten und Nomaden gezielt Tiere abkaufen. Das stabilisiert die Preise auf den Viehmärkten und hilft den Familien, mit dem Einkommen aus dem Verkauf der Tiere die Monate bis zur nächsten Regenzeit zu überstehen, ohne auf Hilfslieferungen angewiesen zu sein.

Im Jahr 2008 hat die starke Verteuerung von Nahrungsmitteln auf den Weltmärkten – teilweise verursacht durch Spekulationen – zu Ernährungskrisen geführt. Nicht nur im Sahel, sondern auch in vielen anderen Ländern weltweit wurden Nahrungsmittel für viele Menschen auf dem Lande und in den Städten unerschwinglich.

Politische Konflikte oder Kriege können die Ernährungssituation weiter verschärfen. Das geschieht derzeit im Tschad und in Kamerun, wo viele Flüchtlinge aus der zentralafrikanischen Republik Zuflucht suchen. Der Niger nahm ebenfalls umfangreich Flüchtlinge aus dem  Norden Malis auf.

Was kann man tun, um Hungersnöte zu verhindern?

Hungersnöte entstehen erst dann, wenn zahlreiche Warnzeichen nicht erkannt oder missachtet werden. Deshalb wurden in den vergangenen Jahrzehnten in den Ländern der Sahelzone umfangreiche Frühwarnsysteme eingeführt.

Neben staatlichen Maßnahmen – wie oben beschrieben –  müssen aber vor allem die strukturellen Ursachen von Hunger bekämpft werden. Dies ist Schwerpunkt der MISEREOR-Arbeit. Dabei geht es u. a. um den gesicherten Zugang zu Ressourcen wie Land und Kapital, aber auch zu Wissen und zu Absatzmärkten. MISEREOR-Projekte sind langfristig angelegt. Ziel ist es, die Bevölkerung in  gefährdeten Regionen darin zu unterstützen, wiederkehrende Hungerkrisen besser zu meistern.

Das geschieht im Bereich der Landwirtschaft vor allem

  • über Diversifizierung der Anbaupalette.
  • über den Anbau lokaler Sorten, die auch noch bei längeren Trockenperioden Erträge sichern.
  • über Maßnahmen zum Bewässerungsanbau, damit auch außerhalb der Regensaison angebaut werden kann.
  • über die Schaffung weiterer Einkommensquellen neben der Landwirtschaft.

Wie ist die aktuelle Situation?

Uns liegen Daten aus unterschiedlichen Sahelländern vor. Demnach ist die derzeitige Situation sehr unterschiedlich: Es gibt in Mauretanien, Niger, Mali und Tschad Regionen, in denen eine Hungerkrise droht. Die EU-Kommission schätzt, dass drei Millionen Menschen dringend Nahrungsmittelhilfe benötigen.

In Mali zeigt das Frühwarnsystem des Staates zum Beispiel, dass in vielen Regionen die Regensaison und auch die Ernten ganz passabel ausgefallen sind. Gleichzeitig verloren Bauern in anderen Gebieten aufgrund der geringen Niederschläge 60-70 Prozent ihrer Ernte. Dazu gehören Teile der Region von Djenne, Mopti, Douentza und das Dogonland.

Ein Beispiel: Die Dogon

Die Dogon leben in der Regel von mindestens drei Erwerbsquellen:

(1) vom Hirseanbau in der Regenzeit
(2) vom Zwiebelanbau in der Trockenzeit an unzähligen Kleintalsperren, die den Zugang zum Wasser ermöglichen
(3) von dem Geld, das junge Männer nach Hause schicken. Sie verdingen sich meist in den malischen Reisanbaugebieten oder in den Küstenländern wie der Elfenbeinküste als Saisonarbeiter.

Im Jahr 2013 hatte es im Dogonland so wenig geregnet, dass die Bauern in vielen Dörfern nur 30 Prozent der normalen Ernte einbringen konnten. Erschwerend kam hinzu, dass die wichtigen starken Regenfälle im August ausfielen. Damit fehlte nach der extrem niedrigen Hirseernte Wasser für den Zwiebelanbau – und damit dringend benötigtes Einkommen.

Die Dogon aber hatten bereits eine schlechte Ernte im vorletzten Jahr verkraften müssen. Hinzu kam die politische Krise in Mali. Die instabile Lage erschwerte es den Bauern, ihre Zwiebeln zu verkaufen. Viele Zwiebelbauern verschuldeten sich –  und das in einer Zeit, in der Verwandte und Flüchtlinge aus dem Norden Zuflucht in der Region gesucht hatten und zusätzlich unterstützt werden mussten.

Nach mehreren Krisenjahren haben die Menschen im Dogonland kaum mehr Rücklagen. Eine Hungerkrise droht. Deswegen verteilen MISEREOR-Partnerorganisationen an besonders notleidende Familien Nahrungsmittel und Saatgut für die nächste Saison. Im Rahmen von Food-for-Work-Programmen werden Pisten und Staumauern repariert. Über diese Maßnahmen wird die weitere Verarmung der besonders betroffenen Bevölkerung verhindert. Ohne Hunger zu leiden werden diese Familien in der nächsten Regensaison ihre Felder bestellen und auch wieder Zwiebelanbau betreiben können.  Damit die Nothilfeprogramme keine punktuelle Maßnahme bleiben, geht die Zusammenarbeit mit der  betroffenen Bevölkerung in Programmen mit  längerfristig angelegten Entwicklungsmaßnahmen auf.

Sabine Dorlöchter-Sulser ist Referentin für ländliche Entwicklung bei MISEREOR.

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Gast-Autorinnen und -Autoren im Misereor-Blog.

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