Wir alle sind WM. Alle Augen richten sich derzeit gespannt auf die Spiele in Brasilien. Public-Viewing Locations schießen hier in Berlin und anderswo wie Pilze aus dem Boden, Arbeitgeber erlauben Mittagsschlaf für übernächtigte Mitarbeitende, Schwarz-Rot-Gold löst Silbergrau als beliebteste Autofarbe ab und meine Kolleginnen und Kollegen bei MISEREOR fiebern, wie viele andere auch, in Tipprunden mit. Von den Medien weitgehend unbemerkt betreibt dagegen die FIFA derweil ein perfides Foulspiel gegenüber der Regierung in Brasilia: Schon im Vorfeld der WM zwang die FIFA den Gastgeber, den großen WM-Sponsoren wie McDonalds, Budweiser und Johnson & Johnson – um nur einige zu nennen – weitgehende Steuerbefreiungen einzuräumen.
Dabei zählt Brasilien zu den Ländern mit der größten Ungleichheit weltweit: Die ärmsten 40 Prozent der Gesellschaft, immerhin 40 Millionen Menschen, erhalten nur 3 Prozent des Einkommens, während sich fast ein Drittel des Ackerlandes in den Händen von einem Prozent Großgrundbesitzer befindet. Schon die WM-Vorbereitung hat Milliardenbeträge verschlungen. Durch die Steuertricks der FIFA gehen der Regierung nun geschätzt weitere 180-380 Millionen Euro an Steuern durch die Lappen. Geld, das im Spiel gegen die Armut dringend für bessere Schulen, Krankenhäuser und den öffentlichen Nahverkehr ausgegeben werden sollte. Kurzum, um Brasilien ein wenig fairer zu machen.
Die FIFA ist inzwischen bekannt dafür, ihre ökonomischen Interessen unter dem Vorwand der völkerverständigenden Wirkung des Fußballs knallhart durchzusetzen. Schon bei der WM 2010 in Südafrika waren alle FIFA-Partnerfirmen von der Zahlung der Einkommen- und Umsatzsteuer für alle Konsumgüter und Fanartikel, die im Bereich der Fußballstadien, der Übertragungszentren, der Trainingsplätze, der Fan-Parks, oder der VIP-Zonen verkauft wurden, befreit worden. Rund um die Spielstätten entstand einem Bericht des Handelsblatts zufolge so eine riesige Steuerblase.
Vor und auch während der Weltmeisterschaft machen viele Menschen in Brasilien ihrem Unmut Luft, weil ihre Regierung mit öffentlichen Mitteln glänzende Fußballfassaden aufbaut, während für Schulen, Gesundheitsversorgung und öffentlichen Verkehr kein Geld da sein soll. Diesen Ruf nach besserer Regierungsführung in Brasilien sollten wir ergänzen durch unseren Ruf nach besserer internationaler Regierungsführung. Die multinationalen Unternehmen, die sich jetzt mit FIFA-Lizenz die Embleme des Fußballs und der brasilianischen Kultur umhängen, um weltweit ihre Geschäfte zu steigern, sind keine Hungerleider. Sie können Steuern zahlen – genau so wie brasilianische Unternehmen und Kleinhändler, die während der Weltmeisterschaft diese Privilegien auch nicht genießen. Dass die Multis jetzt ihre Profite auf Kosten der brasilianischen Staatskasse mehren, ist das Ergebnis eines schmutzigen Deals, an den wir zunehmend gewöhnt werden: Mächtige internationale Wirtschaftsakteure (die FIFA ist selbst ein solcher – mit Sitz in der Steueroase Schweiz) erpressen demokratisch gewählte nationale Regierungen.
Höchste Zeit also, der FIFA wegen ihrer Steuerfouls die rote Karte zu zeigen. Die spanische Organisation InspirAction fordert den FIFA-Präsidenten Sepp Blatter in ihrer Kampagne „Las Jugadas de la FIFA“ dazu auf, endlich die Spielregeln zu ändern und fair zu spielen. Ein Ende der Steuertrickserei wäre nicht nur eine gute Nachricht für die skandalgeschüttelte FIFA, es käme sicher auch gut bei den WM-Fans an – auf den Fanmeilen genauso wie bei MISEREOR.