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10 Jahre Tsunami: Verspätete Hochzeit

Soziale Arbeit des katholischen DMI-Ordens (Daughters of Mary Immaculate) in Nagapattinam, Tamil Nadu

Fischer Ramesh, seine Frau Monimozhli, die Töchter Ramya (8) und Shanmugapriya (7). Fotos: Karin Desmarowitz

Wie viele Brautpaare, hatten der Fischer Ramesh [1] (30) aus Nagore und seine Verlobte Monimozhli (28), ihre Hochzeit für den letzten Sonntag im Jahr 2004 geplant. Die Familien hatten Aussteuer und Geld zusammengespart, um das Fest am 26. Dezember nach Hindu-Tradition zu feiern. Der Tsunami machte alle Pläne zunichte.

MISEREOR: Herr Ramesh, wie hatten Sie sich auf ihre Hochzeit vorbereitet?

Ramesh: Als Fischer auf einem großen Boot verdiente ich damals nicht schlecht. Ich lebte mit meinen Eltern in einem kleinen Haus direkt am Meer. Die Hochzeit war einen Monat vorher arrangiert worden, das ist bei uns so üblich. Wir hatten den Goldschmuck und die Aussteuer im Wert von 100.000 Rupien (rd. 1.300 Euro, Anm. d. Red.) im Haus. Ich ging morgens um vier Uhr noch einmal auf See und kehrte um sieben Uhr zurück, um rechtzeitig zur Hochzeit bei meiner Verlobten zu sein, die 80 Kilometer weiter weg wohnte.

MISEREOR: Aber dann kam der Tsunami…

Ramesh: Ja, dann kam der Tsunami und zerstörte alles. Es war acht Uhr, ich war noch am Ufer, da raste diese unglaubliche schwarze Wand auf mich zu. Der Lärm war ohrenbetäubend. Ich rannte zu unserer Fischerhütte, holte die Familie raus und gemeinsam liefen wir so schnell wir konnten über die Straße in die Moschee. Als sich die Welle zurückgezogen hatte, war nichts mehr übriggeblieben von unserer Hütte – alles war platt, dem Erdboden gleich. Nicht einmal die Steine konnten wir mehr finden. Wir hatten alles verloren. Sogar den Schmuck von der Brautseite, den die Familie traditionell an den Bräutigam übergibt.

MISEREOR: Wie ging es weiter?

Ramesh: Wir kamen in eine staatliche Notunterkunft. Dort lernten wir die DMI-Schwestern (Daughters of Mary Immaculate; Töchter der Maria Immaculata, Anm. d. Red.) kennen und sie arrangierten für uns die Hochzeit. Wir bekamen Hochzeitskleidung, Schmuck und Geld für das Essen. So konnten meine Frau und ich doch noch heiraten und eine Familie gründen, das war für uns sehr wichtig. Das gab uns Hoffnung. Außerdem gab uns die Regierung Geld und Boote, so dass wir wieder arbeiten konnten und etwas Geld sparten. Dann kam jedoch Diwali, das hinduistische Lichterfest. Ein Feuerwerkskörper ging in die Stromleitungen und das ganze Camp brannte ab. Wieder hatten wir alles verloren.

Soziale Arbeit des katholischen DMI-Ordens (Daughters of Mary Immaculate) in Nagapattinam, Tamil Nadu

Das Dorf Nagore, in dem Ramesh mit seiner Familie lebt, wurde 2004 dem Erdboden nahezu gleich gemacht. Noch immer kämpft der Fischer um das Überleben seiner Familie.

MISEREOR: Wie leben sie heute?

Ramesh: Nach der zweiten Katastrophe waren wir am Boden. Die DMI-Schwestern gaben uns psychologische Unterstützung. Und die Regierung baute eine neue Siedlung für junge Familien. Hier leben wir nun. Ich arbeite als Tagelöhner auf einem Fischerboot. Der Fang ist aber sehr viel schlechter als vor zehn Jahren und so verdiene ich 200 bis 500 Rupien am Tag (knapp drei bis sieben Euro, Anm. d. Red.). Das reicht hinten und vorne nicht. Ich arbeite jeden Tag, sieben Tage die Woche.

MISEREOR: Wie sehen Sie Ihre Zukunft?

Ramesh: Das Wichtigste sind meine beiden Töchter. Sie bedeuten mir alles. Jetzt geht es um ihre Zukunft, um ihre Ausbildung, sie sollen zur Schule gehen, einen Beruf erlernen, eine Familie gründen. Dafür arbeite ich hart. Mein Traum wäre ein eigenes Boot. Dann könnte ich uns von dem Fang ernähren. Als Lohnarbeiter hat man keine Chance.

[1] An der Südostküste Indiens haben die Menschen in der Regel keinen Nachnamen.

Das Interview führte Constanze Bandowski, freie Journalistin, im Auftrag für MISEREOR

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Gast-Autorinnen und -Autoren im Misereor-Blog.

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