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Überleben mit weniger als 1€ am Tag: Mumbais Pavement Dweller

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So genannte „Pavement Dweller“ in Mumbai im Viertel Goregaon. Man sieht es der Siedlung nicht an, aber die Menschen leben schon seit 10 bis 15 Jahren hier.

Die Kabel verlaufen keine zwei Meter über die einfachen Behausungen, aber trotzdem haben die Menschen seit 15 Jahren keinen Strom: so genannte „Pavement Dweller“, von denen es tausende in der indischen Finanzmetropole Mumbai gibt.

Was bedeutet es für arme Menschen, über keinen geregelten Zugang zu Strom zu verfügen und ihr Essen auf einer Feuerstelle zu kochen? Die Frage stellen wir uns auch gerade.

Ich arbeite nun seit rund sechs Monaten  für die indische Organisation SPARC in einem Projekt mit dem Titel „Energy Justice“. Gerade führen wir eine Befragung in den Armenvierteln von Mumbai durch, um die Probleme und Herausforderungen für städtische Arme rund um das Thema Energieversorgung besser zu verstehen. Letzte Woche waren wir bei einer  Siedlung von „pavement dwellers“, Menschen, die ihre Hütten auf dem Bürgersteig gebaut haben, weil sie sonst keinen anderen Platz in der Stadt fanden.

Die Hütten sehen zwar so aus, als wären sie gerade erst vor ein paar Tagen notdürftig zusammengezimmert worden, aber tatsächlich leben die meisten Familien schon seit 10 bis 15 Jahren hier, direkt neben dem Western Highway. Wir erfahren, dass die meisten von ihnen Adivasis sind, die indigene Urbevölkerung Indiens, und aus dem Osten des Bundesstaates Maharashtras stammen. Die Männer müssen als Tagelöhner arbeiten und verdienen ungefähr drei Euro pro Tag – aber es gäbe ja auch nicht jeden Tag Arbeit für sie, berichten die Frauen. Wir überschlagen die Zahlen kurz im Kopf: das bedeutet, dass die Familien in einer der teuersten Städte Asiens weniger als 1,25 Dollar pro Tag und pro Kopf zur Verfügung haben, der internationalen Definition von absoluter Armut. Wir können uns nicht vorstellen, wie man mit so wenig Geld in Mumbai überleben kann.

20 Prozent des Einkommens für Kerzenlicht und einen vollen Handy-Akku

Meine Kollegin Monali beim Ausfüllen des Fragebogens

Meine Kollegin Monali beim Ausfüllen des Fragebogens.

In unseren Studie erheben wir auch die Energiekosten pro Haushalt. Viel kann das hier ja kaum sein, denken wir – so ohne Stromanschluss. Aber, wie so oft in Indien, falsch gedacht. Die meisten Haushalte haben ein Handy, um erreichbar zu sein, falls es Arbeit für die Männer gibt. Die Akkus laden sie an einem Kiosk in der Nähe auf und bezahlen dafür zwischen 10 bis 15 Rupien pro Tag (etwa 15-20 Cents). Um abends ein wenig Licht in ihren Häusern zu haben, nutzen sie Kerzen, die auch etwa 10 Rupien pro Tag kosten. Das hört sich zuerst nach wenig an, aber weil die Haushalte so arm sind, machen die monatliche Energiekosten von 300 Rupien (kein Handy) oder 750 Rupien (Handy) zwischen 15 und 20 Prozent ihres Einkommens aus. Um diese Dimension zu begreifen, muss man das mal für sich selbst umrechnen: 20 Prozent des Gehaltes ausgeben, nur um das Handy aufladen zu können und abends etwas Kerzenlicht zu haben. Das Licht reicht noch nicht mal aus, um vernünftig lesen und schreiben zu können  – und so erledigen die Kinder der Siedlung ihre Hausaufgaben abends im Licht der Straßenlaternen.

Gesundheitsgefährdend und zeitintensiv: Kochen auf dem offenen Feuer

Die meisten Kinder aus der Siedlung gehen zur Schule, müssen aber abends im Licht der Straßenlaternen ihre Hausaufgaben erledigen.

Die meisten Kinder aus der Siedlung gehen zur Schule, müssen aber abends im Licht der Straßenlaternen ihre Hausaufgaben erledigen.

Diese Menschen brauchen wirklich jede Rupie zum Überleben und es überrascht uns daher nicht, dass die Haushalte mit Holz kochen. Das ist immer noch am billigsten, wenn man das Holz selbst sammelt.  Weil die Männer meistens tagsüber nicht zu Hause sind, ist dies allerdings Aufgabe der Frauen, die dafür jeden Tag zwei Stunden brauchen. Unter den Vordächern der Hütten oder auch in den Hütten befinden sich die einfachen Feuerstellen aus drei Steinen, auf denen der Topf steht. Das Kochen auf dem offenen Feuer mag auf den ersten Blick romantisch erscheinen, ist es aber in Wirklichkeit ganz und gar nicht. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass in jedem Jahr mehr als 4 Millionen Menschen frühzeitig an den Folgen vom Kochen mit Holz frühzeitig sterben. Darunter sind etwa 50 Prozent Kinder unter 5 Jahren.

In dem neuen Projekt „Energy Justice“ wollen wir gemeinsam mit den städtischen Armen Lösungen für diese Probleme entwickeln: zum Beispiel durch den Einsatz von kleinen Solarsystemen, die genügend Strom produzieren, um das Handy selbst aufladen zu können und abends elektrisches Licht zu haben. Effiziente Kochöfen  reduzieren die Rauchproduktion und benötigen bis zu 50 Prozent weniger Holz.

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Vincent Möller hat bis zum Mai 2014 bei Misereor als Referent für Energie- und Klimapolitik gearbeitet. Derzeit lebt er in der indischen Megastadt Mumbai und berichtet von dort über seine Arbeit und den Abenteuer Alltag in Indien. Seine Aufgabe vor Ort ist es, Misereor-Partnerorganisationen in den Themen Zugang zu Energie für die Armen und klimaorientierte Stadtentwicklung zu beraten.

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