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Bei den jesidischen Flüchtlingen im irakischen Sinjar-Gebirge

Nur 15 Kilometer ist die Frontlinie zu den Gebieten des Islamischen Staat (IS) von uns entfernt, vor und hinter unserem Wagen bewaffnete Peschmerga-Kämpfer, die uns Geleitschutz bieten: Die Reise in das Sinjar-Gebirge im Nordirak von Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon und mir war  eine Reise unter ganz speziellen Bedingungen.Jesiden nahe des Sinjargebirges

Wir passierten ausgestorbene jesidische Dörfer und Städte,  die erst fünf Wochen zuvor wieder durch die kurdischen Peschmerga befreit worden sind. Dennoch können die Menschen, die einst hier lebten, wohl nicht mehr zurück in ihre Dörfer und Städte. Die IS-Milizen haben „verbrannte Erde“ hinterlassen: Die Strom- und Wasserversorgung in den Siedlungen wurden systematisch zerstört und überall, selbst in den Ruinen der Häuser, wurden hunderte Minen zurückgelassen. Einen schnellen Neubeginn, geschweige denn einen Wiederaufbau zu wagen, ist vorerst nicht zu denken. Viele der Menschen hier, vor allem die Jesiden, trauen sich bisher nicht, aus dem Gebirge wieder zurück in ihre Dörfer zu kehren. Noch immer haben sie Angst davor, die IS-Kämpfer könnten zurückkommen.Jesiden nahe des Sinjargebirges

Die Menschen hier haben unfassbares Leid erfahren: Über 5000 jesidische  Frauen wurden entführt, vergewaltigt und auf Märkten verkauft. Gewalttaten wie diese fanden teilweise vor den Augen ihrer Kinder statt. Immer wieder werden in dieser Gegend, wo wir unterwegs waren, Massengräber entdeckt. Es wird noch viele Jahre dauern und ebenso viel Unterstützung  brauchen, bis die Opfer wieder Vertrauen in die Zukunft und in andere Menschen fassen können. Zutiefts traumatisiert wollen und können sie gar nicht über das sprechen, was sie erlebt haben, erleben mussten.Jesiden nahe des Sinjargebirges

Im Dorf Sheferdin treffen wir auf ungefähr 800 jesidische Familien, die hierher und weiter hinauf in die Berge geflüchtet sind. Monatelang lebten sie, eingekesselt von  IS-Truppen, in der kargen Gebirgslandschaft bei Minusgraden, Schnee und heftigen Regenfällen. Wir sehen: Hier fehlt es wirklich am Notwendigsten. Die Menschen sind der Kälte und dem Regen schutzlos ausgeliefert und sind dringen auf Hilfsgüter angewiesen! Die Kinder tragen dünne Kleidung, nur selten haben sie festes Schuhwerk an. Die Hilfslieferung, die wir hierher begleitet haben, besteht aus  Planen, Matratzen, Brennmaterial, Decken, Hygieneartikel und Lebensmittel, vor allem auch Babynahrung für die Kleinsten. Bisher ist MISEREOR die einzige Organisation, die über lokale Partner aus den kurdischen Autonomiegebieten Hilfstransporte ins Sinjargebirge ermöglicht hat: Zunächst über die Luftbrücke, seit dem 19. Dezember 2014 gibt es aber auch wieder einen Landzugang über die einzige Straße, die in die Berge führt. So wurde vielen Menschen die rettende Flucht in die kurdischen Autonomiegebiete ermöglicht. Andere wiederum möchten ihre angestammten Gebiete, ihre Heimat, nicht verlassen – sie harren noch immer in den Bergen aus. Für viele Familien war die Flucht in die Höhen des Sinjar-Gebirges Rettung in größter Not, denn die Brutalität der IS-Milizen gegenüber den Jesiden und das Leid der Menschen, denen wir auf unserer Reise begegnen, ist unermesslich.

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Barbara Wiegard arbeitet als Pressesprecherin bei Misereor.

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