Die Bundesregierung hat den Klimaschutz ganz oben auf die Agenda ihrer G7-Präsidentschaft gesetzt. Kanzlerin Merkel strebt ein starkes Signal des G7-Gipfels im Juni an. Auf dem Weg nach Paris, wo im Dezember ein neues Klimaabkommen beschlossen werden soll, wird es einige Meilensteine gegeben haben, die das politische Momentum für die Klimakonferenz stärken sollen. Eine dieser Wegmarken war – vermeintlich – der Sechste Petersberger Klimadialog. Der Titel der Konferenz: „Reaching for the Paris Outcome“. Ein Griff nach den Sternen?
Forum für progressive Klimapolitik
Zunächst einmal: Die G7-Präsidentschaft und der Petersberger Klimadialog haben nicht direkt etwas miteinander zu tun. Auch ist der Petersberger Klimadialog weder fixer Bestandteil der G7-Agenda noch Teil der UN-Klimaverhandlungen. Dem Selbstverständnis nach ist er ein „politisches Forum für eine progressive Klimapolitik“ mit dem Ziel, „den internationalen Klimaschutz […] voranzubringen“. Nach dem Scheitern der Klimakonferenz in Kopenhagen hatte Angela Merkel – damals noch „Klimakanzlerin“ – erstmals 2010 zum informellen Dialog auf den Petersberg bei Bonn eingeladen. Der französische Staatspräsident Francois Hollande und Außenminister Laurent Fabius waren in Berlin mit von der Partie. Letzterer präsidiert über die 21. Vertragsstaatenkonferenz (COP21) der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) im Dezember in Paris. Im Bundeskabinett hat Umweltministerin Barbara Hendricks die Federführung für die Klimaverhandlungen.
Alle an Bord?
Rund 35 Minister hatten die beiden Regierungen für den 17.-19. Mai eingeladen. Unter den Teilnehmenden waren die „Klimaminister“ der G7-Staaten – denn diese hatte Ministerin Hendricks für ein ebenfalls informelles Treffen gleich im Anschluss an die Konferenz geladen. Auch wichtige Schwellenländer wie Brasilien, China und Südafrika saßen in der Runde. Ebenso die COP-Präsidentschaften 2014 Peru und 2016 Marokko. Darüber hinaus waren die Chefin der Klimarahmenkonvention, Christiana Figueres, sowie die beiden Moderatoren der Vertragsverhandlungen dabei: Daniel Reifsnyder und Ahmed Djoghlaf haben in den ersten beiden Juni-Wochen in Bonn die schwierige Aufgabe, gemeinsam mit den Mitgliedsstaaten am vorliegenden Textentwurf für ein neues Klimaabkommen weiter zu arbeiten.
Zeit zum Handeln!
In ihrer Eröffnungsrede hob Umweltministerin Hendricks hervor, dass 2015 ein entscheidendes Jahr für „climate action“ sei. Sie drückte ihre Zuversicht aus, dass es in Paris ein neues Abkommen geben wird und forderte die Anwesenden auf, die Berliner Zusammenkunft zu nutzen, um wichtige Impulse für die internationalen Verhandlungen und die nationalen Aktivitäten zu geben. Das Prinzip Hoffnung könne mit Blick auf die Klimaveränderungen keine Strategie sein. Der Kampf gegen den Klimawandel sei „eine moralische Pflicht unserer Generation“, gegenüber zukünftigen Generationen und „gegenüber den Menschen, die schon heute […] jede Veränderung unseres Klimas am härtesten trifft“. Stichwort „Klimagerechtigkeit“ – das wird ein Knackpunkt für das neue Abkommen sein. Im zweiten Teil ihrer Rede hob Hendricks dann auffällig stark auf wirtschaftliche Aspekte ab: Klimaschutz sei noch „mehr als nur eine moralische Aufgabe“. (Geht das überhaupt?) Er sei vielmehr „die Voraussetzung für eine wettbewerbsfähige moderne Wirtschaft und damit für nachhaltigen Wohlstand“. Business as usual sei „ökonomisch unklug“, Klimaschutz eine „Investition“ in Gesundheit und Wohlstand. Allerdings sagte sie auch: „Die besondere Verantwortung der Industrieländer steht […] außer Frage.“ Daran werden sich Deutschland und auch die anderen G7-Staaten im Juni sowohl bei den Klimaverhandlungen in Bonn als auch beim G7-Gipfel in Elmau messen lassen müssen!
Alle müssen mitwirken
Veröffentlichte „Ergebnisse“ des Dialogs sind die (persönlichen) Schlussfolgerungen von Fabius und Hendricks, sowie ein gemeinsamer „Aufruf zum Handeln im Klimaschutz“ der Regierungen Frankreichs und Deutschlands. Darin bekräftigen beide Länder ihre feste Entschlossenheit, „alle Anstrengungen zu unternehmen, um ein ambitioniertes, umfassendes und verbindliches VN-Klimaschutzabkommen […] zu erreichen“. Alle Staaten müssten engagiert mitwirken und ihren Beitrag leisten „gemäß ihrer gemeinsame aber unterschiedlichen Verantwortung und Fähigkeiten und unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen nationalen Umstände“. Eine Formulierung, die bei der letzten Klimakonferenz in Peru gefunden wurde (siehe “Lima Call to Climate Action“). Das Prinzip der gemeinsamen aber unterschiedlichen Verantwortung wird in den bevorstehenden Verhandlungen und im Pariser Abkommen von zentraler Bedeutung sein. Es hat seinen Ursprung in der Rio-Erklärung von 1992 („Grundsatz 7“) und ist auch Bestandteil der Klimarahmenkonvention (Artikel 3.1). Das heißt einerseits, dass die aufstrebenden Schwellenländer einen angemessenen Beitrag zu Emissionsreduktionen leisten müssen – auch wenn sie in der Klimarahmenkonvention noch als „Entwicklungsländer“ gelten –, dass es aber auch besondere Regelungen für die am wenigsten entwickelten Länder geben muss.
Das Signal, das die Bundesregierung vom G7-Gipfel aussenden möchte, muss die Verantwortung und die Entschlossenheit der sieben Industrieländer klipp und klar aufzeigen: Wir werden unseren Beitrag zu mehr Klimagerechtigkeit leisten. Das ist ein wichtiger Baustein, damit in Paris der Griff nach den Sternen möglich wird. Ob dazu der Sechste Petersberger Klimadialog am Ende einen Beitrag geleistet haben wird, ist natürlich schwer zu sagen. Solche informellen Formate sind aber sicher hilfreich, damit die Regierungen einander nicht nur auf dem Verhandlungsparkett gegenübertreten.