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Von Norrköping bis nach Paris: Klimapilgerinnen und -pilger erreichen Wuppertal

Sie sieht frisch und entspannt aus. Und fröhlich dazu. Dabei hat Eva Katarina Agestan schon eine sehr lange Reise hinter sich – und noch ganz viel vor: Die 53-jährige evangelische Pastorin aus Schweden ist diejenige Person, die auf dem derzeit laufenden Ökumenischen Klimapilgerweg vom Nordkap bis zur UN-Klimakonferenz in Paris die längste Strecke zurücklegt. Von ihrer Heimatstadt Norrköping ist sie über Flensburg nun in Wuppertal angekommen und freut sich unverdrossen auf den weiteren Weg bis in die französische Hauptstadt.

Von Norrköping nach Paris (2)

Ankunft der Pilgerinnen und Pilger auf der Nordbahntrasse in Wuppertal

„Mama, was machen die Leute da?“, fragt ein kleiner Junge, als die rund 160 Klimapilgerinnen und –pilger am Samstag, singend oder auch begleitet von poppiger Blasmusik, mit vielen mahnenden Transparenten über die Nordbahntrasse die Schwebebahn-Stadt erreichen. Sie fällt schon auf, diese große Schar Unentwegter, die Passanten Flugblätter zum Thema Klimawandel überreichen und allein über ihr Auftreten ein starkes Signal setzen mit einer klaren Botschaft: Bei der UN-Klimakonferenz Anfang Dezember kann sich die Weltgemeinschaft im Kampf gegen die globale Erwärmung keine Kompromisse mehr erlauben, sondern muss entschlossene und vor allem verbindliche Maßnahmen ergreifen, um die Folgen des Klimawandels in Grenzen zu halten.

Von Norrköping nach Paris (3)

MISEREOR-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel im Gespräch mit Ministerin Barbara Hendricks

„Schmerzpunkt“ A 1

Ein starkes Signal setzt auch Bundesumweltministerin Barbara Hendricks, die am Morgen nach Gevelsberg gereist ist und mit den Klimapilgern eine Etappe Richtung Wuppertal zurücklegt. Es ist ein angenehmer Tag inmitten von herbstlich bunt gefärbter Natur, und doch gehört es zum Programm jedes Wandertages, nicht zu viel Idylle aufkommen zu lassen. Immer wieder hält die Gruppe an, um entweder an sogenannten „Kraftpunkten“ zu verweilen, wo man positive Beispiele für Klimagerechtigkeit oder nachhaltiges Wirtschaften besichtigen kann, oder eben das Gegenteil zutrifft. Solche Orte nennen die Organisatoren „Schmerzpunkte“, und als solcher ging dann auch die Querung der Autobahn 1 durch. Dass das dortige Geschehen mit all seiner Ressourcen-Vergeudung und Abgasbelastung klimapolitisch gesehen alles andere als vorbildlich ist, weiß jeder. Nur geändert wird an dieser Art der Mobilität auffallend wenig. Ob die Klimapilger mit ihrem Gegenentwurf einer größeren Gerechtigkeit für alle Menschen und ihrem Ruf nach einer Transformation unseres gängigen Lebens- und Wirtschaftsmodells etwas bewirken können? Man möchte es hoffen.

Von Norrköping nach Paris (4)

Pilger in der Wichernkapelle

Auf der Wuppertaler Nordbahntrasse, einst eine Bahnstrecke unter anderem für Kohle-Güterzüge, ist ein Stück von dieser Transformation spürbar. Hier ist ein hoch komfortabler und attraktiver Radweg quer durch die Stadt entstanden, der geradezu einlädt, das Auto stehen zu lassen. Am Rande liegt die ebenfalls neue Wichernkapelle als Rückzugs- und Besinnungsmöglichkeit für die Vorbeikommenden, die offen für alle Konfessionen ist. Auch ein neues, ungewohntes Modell, das den gesellschaftlichen Entwicklungen vorbildlich Rechnung trägt.

Ministerin Hendricks zeigt sich an diesem Ort optimistisch, was die Bemühungen um einen wirksamen Klimaschutz betrifft. Nach den am Freitag in Bonn beendeten Vorverhandlungen für den Gipfel sei zwar noch eine Menge zu tun. „Und trotzdem war die Woche ein Erfolg.“ Es gebe nun eine gute Basis für den weiteren Weg, weil die USA und China den Willen zu einer Einigung signalisierten, nachdem sie das ganze Verfahren vor Jahren noch torpediert hätten. „Das ist gar nicht hoch genug einzuschätzen, weil diese beiden Staaten mit ihren Richtungsentscheidungen auch viele andere Länder mitziehen: die USA Staaten wie Kanada und Australien und China andere Schwellenländer wie Brasilien oder Indien. Zudem gebe es die Perspektive, dass ab 2020 jedes Jahr 100 Milliarden Euro für die Anpassung an den Klimawandel bereitgestellt werden. Einschließlich privater Mittel sollen aus Deutschland zehn Prozent dieser Summe fließen. Mittlerweile haben über 150 Staaten, die für über 90 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich sind, ihre geplanten Beiträge zu dem neuen Klimaschutzabkommen vorgelegt. „In dieser Menge ist das bisher einmalig“, sagt die Ministerin.

Bedrohliche Lage in Tuvalu

Von Norrköping nach Paris (1)

Ankunft am ehemaligen Bahnhof Wuppertal-Loh mit Teilnehmern aus vielen Nationen

Allem Optimismus der SPD-Politikerin zum Trotz bleibt festzuhalten: Die Lage ist sehr ernst. MISEREOR-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel berichtet vor den Klimapilgern von einem Gespräch, das er neulich mit dem Premierminister des Pazifik-Staates Tuvalu, Enele Sopoaga, geführt hat. Dieser habe sich kritisch dazu geäußert, dass seit Jahren als Richtschnur für wirksamen Klimaschutz die Begrenzung der globalen Erwärmung auf zwei Grad genannt werde. „Bei zwei Grad wird unsere Insel untergehen“, habe er gesagt und sich dafür eingesetzt, dass die Weltgemeinschaft Maßnahmen ergreift, mit denen die Durchschnittstemperaturen um nicht mehr als 1,5 Grad ansteigen. „Wir müssen diejenigen, die am gefährdetsten und verletzlichsten sind, in allen Überlegungen und Beschlüssen an die erste Stelle setzen“, mahnte Spiegel. „Wir müssen die Dinge mit ihren Augen beurteilen.“ Die Menschheit sollte statt des permanenten Ausbeutens der Erde das gemeinsame Sorgetragen für den Schutz unserer Schöpfung zur ersten Priorität machen – „und dies in generationsübergreifender Solidarität“.

Auch der Generalsekretär des Indonesischen Kirchenrats, Gomar Gultom, findet eindringliche Worte. Weit stärker als in Europa erlebten die Bewohner seines Landes die Folgen des Klimawandels. Es gebe eine krisenhafte Verknappung sauberen Wassers, Atemwegserkrankungen nähmen zu, Bäuerinnen und Bauern hätten große Probleme, Pflanz- und Erntezeiten an die Wetterveränderungen anzupassen. Gultom geißelt die „ungebändigte Gier und den unglaublichen Konsumwahn im Norden“ und kritisiert auch europäische Unternehmen, die in Indonesien die Umwelt in einer Weise belasteten, wie es auf dem hiesigen Kontinent gar nicht erlaubt sei.

In der Tat: Es gibt noch jede Menge zu tun!

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Ralph Allgaier arbeitet als Pressesprecher bei Misereor.

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