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„Fangt wenigstens im eigenen Land an!“ – Mahnende Appelle, aber auch Zuversicht auf dem Bergfest der Klimapilger in Wuppertal

Von Münster bis zum UN-Klimagipfel in Paris. Zu Fuß. Täglich 20 bis 25 Kilometer. Wolfgang Löbnitz will beweisen, dass das zu schaffen ist. Wenn man ihn fragt, was ihn antreibt, sich diese riesige Wegstrecke anzutun, dann nennt dieser Mann als erstes seine Enkel. Ab April nächsten Jahres wird er drei davon haben. „Sie sollen mich später niemals fragen, warum ich diesen Weg nicht gegangen bin“, sagt Löbnitz.

Fangt endlich an

Pressekonferenz mit MISEREOR-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel und Erzbischof Ludwig Schick.

„Wenn es um Klimaschutz geht, soll jeder bei sich anfangen“, ergänzt er. Man könne sich die Hände kalt waschen, die Heizung ein wenig herunterdrehen. Und andere auf das Thema ansprechen. Das tut er auf seinem Weg vom Westfalenland nach Frankreich reichlich. Er trifft auf Gutwillige und Beratungsresistente. Er will sie überzeugen, im eigenen Leben nach Möglichkeiten zur Bewahrung der Schöpfung zu suchen. Aber er hat auch einen Wunsch an die Mächtigen auf dem Pariser Klimagipfel selbst: „Gebt Euch nicht mit Kompromissen zufrieden. Wenn Ihr Euch nicht einigen könnt, dann fangt wenigstens im eigenen Land mit einem wirklich wirksamen Klimaschutz an.“

„Halbzeit“ auf dem Weg nach Paris

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Podium mit Pirmin Spiegel und Ingrid Gabriela Hoven vom BMZ (rechts)

Das ist die Botschaft, die Löbnitz ans volle Auditorium beim sogenannten Bergfest der Klimapilger auf dem Heiligen Berg in Wuppertal richtet. Mehrere hundert Menschen waren ins dortige Evangelische Tagungshaus gekommen und feierten mit den Klimapilgern deren „Halbzeit“ – die Hälfte des Weges nach Paris ist geschafft. Bei zahlreichen Redebeiträgen war dabei ein vorsichtiger Optimismus spürbar, dass der UN-Klimagipfel Anfang Dezember ein Wendepunkt hin zum Besseren werden könnte. Wobei er dies auch zwingend werden müsse, sollten die bereits nicht mehr zu stoppenden Klimaveränderungen durch die Erderwärmung noch einigermaßen beherrschbar sein, wie Ingrid-Gabriela Hoven, Ministerialdirektorin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), betonte. Siezeigte sich einerseits erleichtert, dass bereits 150 Staaten konkret mitgeteilt haben, was sie für den Klimaschutz konkret tun wollen. Andererseits werde die globale Durchschnittstemperatur selbst bei konsequenter Umsetzung all dieser Vorhaben immer noch auf 2,5 bis 2,8 Grad steigen, erklärte Hoven. Deutlich zu viel gerade für jene überwiegend armen Länder, die am stärksten von den Klimaveränderungen betroffen sind. Daher hatte MISEREOR-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel nochmals ausdrücklich betont, die Welt müsse den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad begrenzen. Er setzte sich damit von der vorherrschenden Meinung ab, nach der eine Erhöhung um zwei Grad noch als vertretbar eingestuft wird. Spiegel warnte deshalb auch vor weiteren „Minimalkonsensen“. Um der Zukunft der gesamten Menschheit willen brauche es ambitionierte und verbindliche Klimaziele. Und es müsse Schluss sein „mit klimaschädlichen Subventionen in Milliardenhöhe“.

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Markt der Möglichkeiten

Hoven wiederum verwies auf die ihrer Meinung nach wegweisenden Beschlüsse der Bundesregierung – etwa den, bis zum Ende des Jahrhunderts vollständig auf fossile Brennstoffe zu verzichten. Oder die finanziellen Beiträge Deutschlands zum Schutz des Weltklimas zu verdoppeln. „Das dürfte Signalwirkung haben. Wenn Deutschland so etwas tut, dann ziehen andere Länder nach“, betonte die Ministerialdirektorin.

Interessant, was in einer weiteren Gesprächsrunde Johannes Remmel, Umweltminister von Nordrhein-Westfalen, zu sagen hatte. Der Grünen-Politiker lobte zwar auf der einen Seite das Wachstum bei der Nutzung erneuerbarer Energien im bevölkerungsreichsten Bundesland. Doch auf der anderen Seite sei längst nicht genug getan. „Der Anteil der Erneuerbaren liegt in NRW bei zehn Prozent. Das muss noch viel mehr werden.“ Gleichzeitig plädierte Remmel für eine „Versöhnung von Industrie und erneuerbaren Energien“. Deutschland brauche naturverträgliche Lösungen, um Branchen wie die Aluminiumindustrie zu erhalten, es sei ein hocheffizienter Maschinenbau ebenso notwendig wie eine leistungsfähige Chemieindustrie, um zukunftsfähige Technologien zu entwickeln. Dazu seien hohe Investitionen und auch enormes Wachstum notwendig, schrieb er allen ins Stammbuch, die allein im Vermeiden von Wirtschaftswachstum den richtigen Weg sehen.

„Die Erde ist des Herrn“

Manfred Rekowski, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, richtete einen biblischen Appell an die Versammlung und zitierte dazu Psalm 24: „Die Erde ist des Herrn.“ Sie sei nicht dafür da, ausgebeutet zu werden, sondern den Menschen „zum Bebauen und Bewahren anvertraut“. Das kann man nicht oft genug betonen.

Erzbischof Ludwig Schick, der Vorsitzende der Kommission Weltkirche in der Deutschen Bischofskonferenz, wies abschließend auf das Motto des Klimapilgerweges hin: „Geht doch!“ Und es müsse auch gehen, „denn sonst verspielen wir unsere Zukunft. Und das dürfen wir nicht“! Es sei von hoher Bedeutung, beim Klimaschutz die Perspektive auch derjenigen Menschen zu beachten, die weit weg von uns in anderen Weltregionen leben und unserer Solidarität bedürften. Schick dankte schließlich den wackeren Pilgern: „Sie verdienen Respekt und Hochachtung!“

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Ralph Allgaier arbeitet als Pressesprecher bei Misereor.

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