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Rom: 50 Jahre Katakombenpakt

Am 16. November 1965, kurz vor dem Abschluss des 2. Vatikanischen Konzils, bekannten sich rund 40 Bischöfe in der Domitilla-Katakombe zu einer „dienenden und armen Kirche“. Sie verpflichteten sich, arm zu leben und auf äußere Anzeichen von Macht zu verzichten. Weitere Bischöfe schlossen sich an – 500 von knapp 2.500 Konzilsvätern. Damals wurde eine der Samen für die Theologie der Befreiung gesät und die 1968 von der lateinamerikanischen Kirche getroffene „Option für die Armen“ (Medellín) vorweggenommen. IMG_6458

Die Selbstverpflichtung der Konzilsbischöfe, unter ihnen Helder Câmara aus Brasilien, ist als „Katakombenpakt“ bekannt geworden. Wirklich bekannt? Wer hat davon Notiz genommen? Man spricht auch vom „geheimen“ Vermächtnis des Konzils. Die Befreiungstheologie in Lateinamerika und anderswo ist auch aus dem Katakombenpakt hervorgegangen, aber die Vorschläge der Konzilsgruppe „Kirche der Armen“ fanden nur indirekt Eingang in die offiziellen Konzilsdokumente, und die Theologie der Befreiung ist, wie manche sagen, Geschichte. Oder ist sie, wie Gustavo Gutierrez sagt, stets aktuell geblieben, weil es immer Arme gab und gibt? Papst Franziskus, selbst Lateinamerikaner, hat sich in seinem ersten apostolischen Schreiben „Evangelii gaudium“, ganz in der Tradition seines Namenspatrons Franz von Assisi, für eine „arme Kirche“ ausgesprochen. Eine „arme Kirche“ – nicht eine „Kirche für die Armen“. Ein kleiner und feiner, aber wesentlicher Unterschied!IMG_6501

Am Jahrestag der Unterzeichnung des Katakombenpaktes fand in der Domitilla-Katakombe in Rom ein Gottesdienst statt, der mehr sein wollte als eine Gedächtnis- und Jubiläumsfeier. Unter dem Leitthema „Zeichen der Zeit – 50 Jahre Katakombenpakt erinnern und erneuern“ hatte das Institut für Politik und Theologie, Münster, rund 260 Engagierte – Zeitzeugen, Aktive der ersten Stunde, Theolog(inn)en und theologisch Interessierte, Studierende aus Freiburg, Tübingen, Bonn, Münster, Osnabrück und Bochum, Teilnehmende aus Lateinamerika, der Schweiz, Deutschland, Asien (Sri Lanka) und Afrika (u.a. Tunesien, Kongo) – nach Rom eingeladen. Auch wir (Petra Gaidetzka, Markus Büker) waren dabei, um MISEREOR zu vertreten. Unter dem Vorsitz des 92-jährigen emeritierten Bischofs von Ivrea, Luigi Bettazzi, versammelte sich die Gruppe zu einer bewegenden Messfeier. Den Katakombenpakt erneuern, das heißt vor allem auch: in seinem Geist den aktuellen Herausforderungen – zum Beispiel Flucht und Migration – zu begegnen.

Bischof Bettazzi

Bischof Bettazzi

Bischof Bettazzi, zusammen mit José Mario Pires aus Paraíba in Brasilien einer der letzten noch lebenden Konzilsbischöfe, die damals den Katakombenpakt unterzeichneten, ermutigte uns dazu.

Veränderung der Gesellschaft – im Hinblick auf Gerechtigkeit und Ökologie – verlangt auch nach Veränderung der Kirche. Am Sonntagabend erzählte der überaus vitale Altbischof in einem „Kamingespräch“ aus seinem Leben, vom Konzil, vom Zustandekommen und von der Umsetzung des Katakombenpaktes, dessen Saat er heute, nach 50 Jahren, aufgehen sieht – mit Franziskus und dem Engagement der nachwachsenden Generationen von Aktiven, Theolog(inn)en, Theologiestudierenden und Interessierten.

2015-11-16 Domitilla Katakomben 50 Jahre KPakt (19)

Messe in den Domitilla Katakomben

Die Predigt in der Domitilla-Katakombe hielt der Jesuit und Befreiungstheologe Jon Sobrino aus El Salvador. Er erinnerte an die Märtyrer und Märtyrinnen der Befreiungstheologie, insbesondere an Erzbischof Óscar Romero und die am 16. November 1989 in San Salvador ermordeten sechs Jesuiten und zwei Frauen, in denen – so Jon Sobrino – „Jesus und sein Gott durch die Welt gegangen sind und ihr Kreuz getragen haben“.

Ein Wort von Pablo Neruda stimmte in den Gottesdienst ein: „Sie mögen alle Blumen abreißen – den nächsten Frühling werden sie nicht verhindern“. Ist mit Papst Franziskus bereits ein neuer „Frühling der Kirche“ angebrochen? Einige hoffen es, andere können es noch nicht so recht glauben, viele – auch wir, auch Partnerinnen und Partner von MISEREOR – wünschen es sich und wollen nicht abseits stehen, sondern Reformen vorantreiben. Ob der Frühling Bestand hat, das wird auch von uns abhängen. Denn: „Ein Franziskus macht noch keinen Sommer“. Der Katakombenpakt von 1965 kann zu einem Ansporn werden, Befreiungstheologie neu zu entdecken, weiterzuschreiben und konkret werden zu lassen: gegen Ausgrenzung, Menschenverachtung und Gewalt – zuletzt erlebt in Paris am 13. November –, gegen eine „Wirtschaft, die tötet“ und für das „Buen vivir“, das gute Leben für alle.

Über die Autoren: Petra Gaidetzka ist als Referentin für das Netzwerk Schule  bei MISEREOR tätig, Markus Büker  arbeitet als Referent für Grundsatzfragen bei MISEREOR.

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Gast-Autorinnen und -Autoren im Misereor-Blog.

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    Wer schon einmal in der Katakombe gestanden hat, spürt die besondere Atmosphäre dieses geschichtsträchtigen Ortes – einerseits im Bewusstsein so vieler Vestorbener aus der Frühzeit des Christentums unmittelbar hinter den Mauern, andererseits m Wissen um den damaligen Geist des Aufbruchs hin zu einer anderen Kirche. Dass dort immer und nicht nur bei der 50-jährigen Jubiläumsfeier ein MISEREOR-Hungertuch hängt: ein schönes Bild unserer unmittelbaren Verbundenheit. Danke!

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