Halle 16 auf der GRÜNEN WOCHE – ein Rondell im großen Treiben der internationalen Messe. Hier stellt das BMZ aus und MISEREOR berichtet, wie Bauern in Burkina Faso ihre Probleme angehen: Sie befragen die noch lebenden alten Spezialisten und nutzen damit ihre eigenen, über lange Zeit entwickelten Ressourcen. Denn die Landbevölkerung leidet unter Einkommensverlusten, weil Tiere krank werden oder die Ernte mager ist – bedingt durch Wassermangel, Bodenerosion, Unkraut, Pflanzenkrankheiten, Insekten – oder Pilzbefall. Lösungen werden durch das Wissen der erfahrenen Tierhalter und Ackerbauern gesucht und gefunden.Schon viele Jahre finanziert MISEREOR mehrere Organisationen in Westafrika, bei denen die Entwicklung „bäuerlicher Innovationen“ im Fokus steht. Die MISEREOR-Mitarbeiterinnen Sabine Dorlöchter-Sulser und Kerstin Lanje stellen drei Projekte von DIOBASS vor, die Bauern berät und den Rahmen dafür bietet, dass die Menschen ihre Probleme benennen und in Experimenten und Feldversuchen Lösungsansätze erarbeiten, z.B. bei der veterinärmedizinischen Behandlung. Die Bauern bleiben die Akteure und beweisen, dass das Klischee vom passiven afrikanischen Empfängerstaat obsolet ist.
Durch Zwiebelhütten ein besseres Leben
Das greift auch neue aktuelle MISEREOR-Kampagne auf: in bewegten Bildern und Texten erzählt Animata Compaoré aus dem Dorf Noungou in Burkina Faso über ihre innovative Zwiebellagerung. Allein durch die wenigen Veränderungen bei der Ernte und durch die neue Lagerhütte verdient sie so viel mehr, dass sie ihre Kinder zur Schule schicken kann. Die Bauern haben im Rahmen ihrer Forschung eine runde Lagerhütte aus Stroh entwickelt, die auf fünfzig Zentimetern hohen Holzpfeilern gebaut ist, so dass die Luft von unten kommt und gut zirkulieren kann– eine optimale Klimatisierung für die Zwiebeln. Die Kosten sind von der Größe abhängig und liegen zwischen 45 und 230 Euro pro Lagerhütte, von denen es in Noungou schon über dreihundert gibt. Zwei bis zehn Tonnen Zwiebeln können in einer Hütte gelagert werden. Diese verfaulen nicht mehr so wie früher, sondern halten sich bis zu zehn Monate. So können die Ackerbauern sie in der Trockenzeit zu höheren Preisen verkaufen, was ihr Einkommen enorm steigert. Durch die vielen Versuchsreihen haben die bäuerlichen Innovatoren vieles herausgefunden: z.B. dass sie die Knollen in der Lagerhütte kurz nach der Ernte monatlich, später wöchentlich, wenden müssen und den Ackerboden nur mit Kompost düngen dürfen.
Staatliche Forschung ist weit weg von den Bauern
So wie Aminata und ihr Dorf Noungou sehen sich viele mit ihren Problemen allein gelassen: im Ackerbau, in der Tierhaltung, bei der Tiergesundheit oder bei Lagerung, Verarbeitung und Vermarktung ihrer Produkte. Die staatliche – häufig unterfinanzierte oder vom Ausland geförderte – Forschung arbeitet weitgehend unabhängig von den Bauern. Ihre Ergebnisse sind häufig schwer zugänglich, zu teuer oder nicht auf den Bedarf der Bauern ausgerichtet. Ihnen fehlen Startkapital oder Transportmöglichkeiten, um solche Neuerungen umzusetzen. Das bestätigt auch eine Studie, die im Auftrag der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit 2014 die Top-Innovationen von achtzehn internationalen Agrarforschungsinstituten in Afrika untersucht hat. Dagegen bringen die bäuerlichen Innovationen im Rahmen der MISEREOR-Projekte konkrete Verbesserungen für die Menschen – wie der Kampf gegen Unkraut Pocken und Parasiten.
Songkoadba – Saatgut pudern und Unkraut bekämpfen
Striga ist ein Unkraut, das sich als Parasit an die Wurzel der Wirtspflanze setzt, beispielsweise bei Hirse, Sorghum und Mais. Und das mit gravierenden Folgen: 30 bis 100 Prozent weniger Ernte in der Subsahara bedeuten in US-Dollar ca. eine Milliarde Einbußen. Hundert Millionen Menschen leiden, weil durch Striga Nahrungsmittel knapp werden und das Einkommen sinkt. Das Unkraut ist ein riesiges Problem, auch in Burkina Faso. Dort rechnet man allein bei Sorghum mit Ernteausfällen bis zu 40 Prozent.
Die Bauern aus Zemstaaba de Danago im Burkina Faso haben aus einem lokalen Kraut das Puder „Songkoadba“ entwickelt, mit dem sie das Getreidesaatgut behandeln, bevor es auf die Felder gelangt. Mit Erfolg: die Ernte hat sich um 20-50 Prozent erhöht. Die staatliche Agrarforschungsanstalt INERA hat die Wirksamkeit des Pflanzenpuders bereits in einer ersten Versuchsreihe bestätigt.Frauen reisen mit ihrer Salbe gegen Parasiten durch die Region
Tiere sind für die Kleinbauern im Sahel existentiell, doch es sterben viele durch Pocken und Parasiten. Das Problem: es gibt kaum Tierärzte und wenn doch, dann sind sie teuer. Auch sind die Bauern nicht vor gefälschten Veterinärmedikamenten geschützt. Im Rahmen der bäuerlichen Innovationsforschung haben junge Tierhalter den bislang ungehobenen Schatz an Heilpflanzen gesucht – mit Erfolg. Sie suchten die wenigen, noch lebenden „Alten“ mit Hüterwissen auf und befragten sie systematisch.
Im Zuge dieser Suche nach den eigenen lokalen Ressourcen haben Frauen aus Toeghin die Heilsalbe „Tao-Tao“ entwickelt. Damit können sie Parasiten bei Hühnern und anderem Federvieh behandeln. Die Tiere sterben nicht mehr, sondern sichern und steigern das Einkommen der Tierhalterinnen. Die Frauen reisen mittlerweile in ihrer Region und mitunter in andere westafrikanische Länder, um ihre Salbe auf Messen auszustellen und länderübergreifend zu verkaufen. Tao-Tao wurde von der staatlichen Forschungsanstalt getestet: sie ist in ihrer Wirkung mit importierten Veterinärmedikamenten zu vergleichen und viel preisgünstiger. Die Frauen können ihr Einkommen sichern und ihre Kinder zur Schule schicken.Junge Tierhalter im Kampf gegen die Pocken
Eine Gruppe von jungen Tierhaltern im Dorf Kongo hat ebenfalls ein wirksames Pflanzenheilmittel gegen die Pockenseuche entwickelt. Bei der Erkrankung, die vor allem an narbigen Stellen auf dem Fell der Tiere sichtbar wird, verliert das Tier fünfzig Prozent des Gewichts und damit seinen Wert. Die Männer entwickelten eine Salbe, die sie zwei Wochen täglich anwenden – und die kranken Tiere werden wieder gesund. Die Innovatoren haben durch ihre Recherchen gleichzeitg herausgefunden, dass das Weiden unter dem afrikanischen Butterbaum, den sogenannten Karitébaum, die Pockenseuche fördert. Zecken, die die Erreger in sich tragen, fallen von den Bäumen und verbreiten sich unter den Tieren in den engen Nachtlagern. Die Innovatoren geben ihr Wissen über Haltungsmanagement weiter, damit es erst gar nicht zum Ausbruch der tödlichen Erkrankung kommt.
Mit kleinen Veränderung viel Wirkung für die Bauern
MISEREOR hat über viele Jahre zusammen mit drei verschiedenen Organisationen in Westafrika bäuerliche Forschungsprojekte finanziert. Im letzten Mai 2015 organisierte MISEREOR die erste bäuerliche Innovationsmesse in Westafrika mit – auf dem Messegelände von Ouagadougou. Vierundfünfzig Innovatoren aus acht westafrikanischen Ländern stellten einundzwanzig Innovation für die Pflanzenproduktion aus, elf für die Tierproduktion, vier für das Management natürlicher Ressourcen, acht für die bessere Lagerung und Verarbeitung von Agrarprodukten, zwei im Bereich Mechanisierung und drei Innovationen bei Organisation und Kommunikation der bäuerlichen Produzenten.Die Ergebnisse machen deutlich, dass das Erfahrungswissen von Bauern unterschätzt wird. Das Forschen mit ihnen muss Mainstream werden. Und schließlich sollte die Agrarforschung sich umgekehrt prioritär mit den zentralen Problemen aus Sicht der Bauern beschäftigen.