In Rio stehen alle Zeichen auf Olympia. Und auch im MISEREOR-Projekt „Se Essa Rua“ bereitet man sich auf dieses Großereignis vor. Denn dort steht Ende April die brasilianische Eröffnung des Aktionsbündnisses „Rio bewegt. Uns.“ in der Olympiastadt an.
Auf einem der höchsten Hügel Rios, im Stadtteil Cosme Velho, befindet sich ein Teil des Projekts „Se Essa Rua“. Wie wichtig dieses Projekt für die Kinder und Jugendlichen ist, erklärt die 49-jährige Fatima Bento mir während meines Besuchs. Seit über 10 Jahren arbeitet sie bei „Se Essa Rua“ , kurz SER genannt, und versteht sich als „Brücke zwischen dem armen Stadtteil Cosme Velho und dem Rio, das die Touristen aus aller Welt anlockt“. Bereits ihre eigenen drei Kinder und mittlerweile schon fünf Enkelinnen profitierten und profitieren von den Angeboten des Projekts. Werte wie Freundschaft, Gerechtigkeit, Frieden, Nachhaltigkeit, Lebensfreude und vieles mehr, werden hier den Kindern und Jugendlichen auf unterschiedlichste Art und Weise vermittelt und Freundschaften, die hier entstehen, halten ein Leben lang.
Fatima führt mich durch Cosme, wie sie den Stadtteil kurz nennt. Hier stehen illegal gebaute Häuser, ohne notarielle Grundstücksurkunden, dicht an dicht. Und es wird noch weiter gebaut. Oft leben die ca. 7000 Einwohner mit 3-4 Generationen in den kleinen Häusern. Die Einheit der Befriedungspolizei (UPP) habe hier wenig gebracht, erzählt sie. Es sei zwar etwas ruhiger geworden bezüglich der Gewalt, doch insgesamt fühlen die Menschen sich immer noch unsicher. Auch versprochene Angebote wie Kurse zu Weiterbildung seien bisher ausgeblieben. Somit sei die von SER aufgebaute große Sporthalle weiterhin eine der wichtigsten Einrichtungen hier im Viertel. Sie wird für Events, Aufführungen und Aktivitäten genutzt.
Am Nachmittag geht es für mich weiter zum Zirkuszelt von SER in die Gemeinde São João de Meritii. In diesem dauerhaften Zirkuszelt finden sich täglich um die 100 Kinder und Jugendliche zusammen und werden von professionellen Zirkuskünstlerinnen- und Künstlern ausgebildet. Diese sind oft selbst bei SER groß geworden. Erika arbeitet als Pädagogin bei SER und berichtet mir von den Erfolgen des Projektes. Da ist zum Beispiel die elfjährige Larissa, die nach dem Eintritt bei SER ihre Talente zu entdecken begann. Auch konnte ihr dank SER eine Geburtsurkunde ausgestellt werden, die sie bis dahin noch nicht besaß. Damit konnte sie sich endlich in der lokalen Schule immatrikulieren. Dinyo Mora, einer der Zirkuskünstler und ausbildender Pädagoge, ist seit seinem sechzehnten Lebensjahr im Projekt aktiv. Seit zehn Jahren unterrichtet der heute 39-jährige die Kinder und Jugendlichen. Sein Strahlen in den Augen verrät, wie viel Freude er an seinem Job hat. Freude ist es auch, was man dem 17-jährige Alex Critian Vira da Silva anmerkt, wenn er von dem Zugewinn einer „neuen Familie“, die hier auf dem Trampolin, an den Seilen und beim Jonglieren entsteht, spricht. „Selbst an Wochenende hängen wir ständig zusammen“, wirft seine Kollegin Renata Nonato ein, die am liebsten in den Lüften auf der Schaukel übt. Sie alle lieben diesen Ort, die Aufführungen und die Welt des Zirkus und freuen sich auf die Eröffnungsfeier des Aktionsbündnis „Rio bewegt. Uns“ am 26.4., das eben die wirklich wichtige Seite eines jeden Sports zeigen wird und zu dem der Erzbischof von Rio de Janeiro, Dom Orani Tempesta, der deutsche Generalkonsul Harald Klein und viele weitere Gäste erwartet werden.
Über die Autorin: Regina Reinart arbeitet als Referentin für Brasilien bei MISEREOR.