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Kolumbien: Der Täter in der Nachbarschaft

Vom schwierigen Weg zum Frieden. Reise zu Flüchtlingen, Rückkehrern und Goldsuchern.

Rubiela Morales, Dorfbewohnerin und Opfer von Vertreibung, Dorf Verera de Boqueron, San Francisco, Departamento Antioquia, Kolumbien; Foto: Florian Kopp/Misereor

Dorfversammlung in El Boqerón: Bürgerinnen und Bürger berichten über die Rückkehr in ihre Häuser nach jahrelanger Flucht. Foto: Florian Kopp/Misereor

Der Weg ins Gebirge könnte steiniger kaum sein. Langsam müht sich der Geländewagen über die huckelige Schotter-Piste nach El Boqueròn, einem Dorf oberhalb der kolumbianischen Kleinstadt San Francisco nordwestlich von Bogotá. Landschaftlich wirkt das tropische Gebirgsland betörend schön, doch das Leben hier oben ist sehr schwer. Die Menschen wohnen in einfachsten Behausungen, viele Gebäude sind heruntergekommen oder beschädigt.
Mehr als zehn Jahre lag El Boquerón wie ausgestorben da, die Bevölkerung war von anhaltenden Kämpfen vertrieben worden und musste teilweise in weit entfernten Regionen schauen, wo sie notdürftig unterkommen könnte. Dort blieb dann oft keine andere Alternative, als sich als Tagelöhner zu verdingen. Nicht wenige mussten nun am Straßenrand leben. Ihr Heimatdorf befand sich inmitten einer von bewaffneten Kämpfen betroffenen Zone, wo an ein normales Leben nicht mehr zu denken war. Paramilitärische Einheiten verdrängten die Bauern von ihren Feldern oder zwangen junge Anwohnerinnen und Anwohner, sich ihnen anzuschließen. Mit Tränen in den Augen berichtet eine Frau namens Rubiela Morales, dass damals ihr Sohn ¬- er war erst im sechsten Schuljahr – von Soldaten verschleppt wurde und sie ihn später ermordet wieder abholen musste.

Neue Zeitrechnung

Und doch beginnt nun in El Boquerón offenkundig eine neue Zeitrechnung: Vieles deutet darauf hin, dass der seit rund 50 Jahren anhaltende bewaffnete Konflikt zwischen den Rebellen der Farc (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) und der  ELN (Nationale Befreiungsarmee) sowie Paramilitärs und staatlichen Sicherheitskräften bald beendet ist, bis Ende des Jahres soll mit den Farc ein Friedensschluss offiziell besiegelt werden. Rund 220.000 Menschen hat dieser Krieg das Leben gekostet, zwischen sechs und sieben Millionen wurden zu Binnenflüchtlingen. Seit etwa dreieinhalb Jahren verhandelt die kolumbianische Regierung mit den Farc und neuerdings auch mit den ELN über ein umfassendes Friedensabkommen; viele Vereinbarungen sind schon getroffen und in ersten Anfängen umgesetzt worden – wie etwa das Recht vertriebener Menschen, wieder in ihre Heimatdörfer zurückzukehren.
El Boquerón ist hierfür ein gutes Beispiel. Das Dorf musste allerdings zunächst mit großem Aufwand entmint werden. Nun sind die Sprengfallen endlich entfernt. Langsam beginnen die Menschen, sich im alten Leben einzurichten, ihre Häuser instandzusetzen oder auch eine Brücke wieder aufzubauen, die von der ELN gesprengt worden war. Über seine Partnerorganisation ACA unterstützt MISEREOR die zurückgekehrten Bauern dabei, den Anbau und Verkauf ihrer Agrarerzeugnisse zu verbessern. In vielerlei Hinsicht beginnt der Alltag hier wieder von vorne. Noch ist nur ein kleiner Teil der ansässigen Familien wieder da, auch von einst 60 Schülern kommen erst sieben wieder zur Schule. „Wir haben bei unserer Rückkehr keine Hilfe bekommen, es war nichts organisiert, und nun haben wir keine Arbeit“, berichtet Maria Ofelia Pamplona. Auch wer krank ist, hat es schwer, es gibt keine Gesundheitsstation im Ort. Und ein Rest an Unsicherheit bleibt: „Wir gehen meist nur zu zweit nach draußen. Und vertrauen auf die Jungfrau Maria…“

Armenviertel Comuna 8, Medellin, Departamento Antioquia, Kolumbien; Foto: Florian Kopp/Misereor

Schwierige Lebensbedingungen im Armenviertel Comuna 8 am Rande von  Medellin. Einige Bewohner fürchten, wegen eines Seilbahnbaus erneut vertrieben werden. Foto: Florian Kopp/Misereor

 

Sechs Millionen Binnenflüchtlinge leben zurzeit in Kolumbien fernab ihrer Heimat, in ihrer Mehrheit vertrieben von gewaltsamen Auseinandersetzungen. Oder von Menschen, die sich mit Gewalt ihr zuvor bewohntes Land aneigneten. Die Täter kamen aus unterschiedlichen Gruppierungen, mal gehörten sie den Rebellenorganisationen an, mal zu deren Gegnern, den Paramilitärs. Im Kolumbien-Konflikt gibt es unter allen an der Gewalt beteiligten Parteien Täter, inklusive der Staatsarmee. Die Aufarbeitung ist schwierig, und die Farc-Rebellen werden einem Friedensschluss nur zustimmen, wenn ihnen gleichzeitig eine weitgehende Amnestie zugebilligt wird. Viele Menschen, die uns auf einer Reise durch Kolumbien begegnen, können sich nur schwer vorstellen, dass unter den gegenwärtig diskutierten Bedingungen ein echter und dauerhafter Frieden möglich ist.

Von Paramilitärs zur kriminellen Bande

Wie werden Menschen künftig miteinander umgehen, wenn sie von den Taten eines anderen wissen oder sogar davon betroffen waren, diese aber ungesühnt bleiben? Wie verhält sich die kleinere Guerillero-Organisation ELN, die erst sehr spät zu getrennten Friedensverhandlungen eingeladen wurde? Was wird aus den paramilitärischen Gruppen, die laut Gesetz schon vor mehr als einem Jahrzehnt demobilisiert werden sollten, aber in anderer Form einfach weiter existierten? Werden sie, die von ihren Ursprüngen her immer die Interessen der Großgrundbesitzer und internationalen Konzerne verteidigt haben, sich nun auflösen? Oder machen sie nur unter einem anderen Oberbegriff, etwa „kriminelle Banden“, weiter und besetzen schlimmstenfalls Territorien, die von Guerilleros im Zuge des Friedensprozesses aufgegeben werden? Wie werden die vielen Reichtümer und Ressourcen des Landes künftig verteilt? Wird es gelingen, die mafiösen Strukturen des Drogen- und Goldhandels zu durchbrechen? Alle diese Fragen untermauern, wie komplex dieser Konflikt in seinen Details ist, wie kompliziert und womöglich mit unerwünschten Nebenwirkungen versehen jede Art von „Lösung“ wäre. Es könnten neue Fronten entstehen. Andererseits macht der aktuelle Versöhnungsprozess auch Hoffnung – so stark, dass deren Hauptprotagonisten schon für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen wurden.

Ein junger Polizist betrachtet die Installationen im Museum Museo Casa de la Memoria, Medellin, Departamento Antioquia, Kolumbien; Foto: Florian Kopp/Misereor

Ein junger Polizist betrachtet die Installationen im Museum Museo Casa de la Memoria in Medellin. Hier wird die Geschichte des bewaffneten Konflikts umfassend aufgearbeitet. Foto: Florian Kopp/Misereor

Nur in Syrien gibt es mehr Binnenflüchtlinge als in Kolumbien. Allerdings findet man die Vertriebenen in dem lateinamerikanischen Land nicht in großen Lagern oder Containerdörfern. Stattdessen entstanden zum Beispiel am Rande großer Städte informelle Siedlungen, wo sich die Betroffenen mehr schlecht als recht ein neues Zuhause zusammengezimmert haben – in einfachen Hütten, die nur notdürftig mit dem zum Überleben Erforderlichen ausgestattet sind. Etwa 600.000 Vertriebene haben allein in Medellin Zuflucht gesucht, die allermeisten leben unter der absoluten Armutsgrenze.

„Kultur der Gewalt“

Wir besuchen eine solche Siedlung, die Communa 8, an einem steilen Hang der Stadt. Über enge, verschlungene Pfade erreicht man die einzelnen Häuser und passiert hübsche urbane Gärten, die die Menschen sich zur Selbstversorgung angelegt haben. Hier treffen wir Gisela Quintero, die mit ihrer Familie in einer beengten, ziemlich dunklen Hütte lebt und von der Vertreibung aus ihrem Heimatdorf in der Provinz Antioquia, etwa 80 Kilometer entfernt, erzählt. Vor 16 Jahren wurde sie gezwungen, das schöne Bergdorf mit viel Wald und guten Lebensbedingungen zu verlassen. Vertreibung ist in Kolumbien seit Jahrzehnten eine der verbreitetsten Methoden, die eigenen Interessen durchzusetzen. Manch einer spricht davon, dass sich in dem Land allmählich eine regelrechte „Kultur der Gewalt“ entwickelt hat. Meist geht es bei den Auseinandersetzungen um lukrative Ressourcen: Flächen für den Anbau von Palmöl oder Coca zum Beispiel, um Kohle, Gold und andere Mineralien. Und da vielfach nicht amtlich gesichert und notariell hinterlegt ist, wem bestimmte Ländereien gehören, setzen sich nicht selten bewaffnete Gruppen durch und behaupten einfach, dass sie die wahren Besitzer sind. Aber auch das gehört zur Wahrheit: Nur mit kriminellen Machenschaften – Entführungen, Erpressungen, Drogenhandel – können sich Organisationen wie die Farc finanzieren.
Claudia Serna von der MISEREOR-Partnerorganisation „Corporacion Jurudica Libertad“ beklagt, dass die Opfer der Massenvertreibungen nur spärlich entschädigt worden seien. Sie hätten kaum Perspektiven und unzureichend Zugang zu Bildung und Arbeit. Und nun drohe ihnen auch noch eine weitere Vertreibung. Im Hang der „Communa 8“ plant die Stadt Medellin eine Seilbahn. Deren Stahlträger sollen dort platziert werden, wo jetzt noch Flüchtlingshütten stehen. Die Bewohner stünden erneut vor einer ungewissen Zukunft. Die Stadt investiere in gigantische Infrastrukturprojekte, während für die Vertriebenen ausreichend Geld fehle, sagt Serna. In besagtem Hang schauen die Bewohner auf eine mit riesigem Aufwand errichtete Sportanlage, an der an keinem Detail gespart wurde. Für Menschen, die täglich ums Nötigste kämpfen, kommt das protzige Betonbauwerk einer Provokation gleich.

Afrokolumbianisches Dorf Playa Bonita am Fluss Rio Andagueda, Departamento del Chocó, Kolumbien; Foto: Florian Kopp/Miserero

Alltagsszene im afrokolumbianischen Dorf Playa Bonita am Fluss Rio Andagueda im Departamento del Chocó. Foto: Florian Kopp/Miserero

Nicht nur Flüchtlinge werden in Kolumbien an den sozialen Rand gedrängt. Das Land gehört zu jenen Staaten dieser Welt mit besonders eklatanten Unterschieden zwischen Arm und Reich. Während in Millionenstädten wie Bogotá zum Teil europäischer Standard herrscht, „sieht es woanders so aus wie im Tschad oder auf Haiti“, bringt es der UN-Gesandte für Kolumbien, Fabrizio Hochschild, auf den Punkt.
Unsere Reise führt uns in den Nordwesten des Landes nach Quibdó. Eine Stadt, „in der es keinerlei schöne Viertel gibt“, sagt die Deutsche Ursula Holzapfel, die hier seit mehr als drei Jahrzehnten für die katholische Sozialpastoral arbeitet. Weitestgehend leben hier Afro-Kolumbianer, die Nachfahren der Sklavengeneration, die einst von den Kolonisatoren zur Arbeit gezwungen wurde. Jetzt gehören die Menschen hier wieder zum krass benachteiligten Teil der Gesellschaft, leben in schäbigen Häusern und bewegen sich über Schlaglochpisten mehr schlecht als recht fort. Und ein Großteil von ihnen hat immense Mühen, das Überleben der eigenen Familie zu sichern. Die Lebenserwartung hier und in der gesamten Provinz Chocó sei um acht Jahre geringer als in Bogotá, sagt UN-Vertreter Hochschild.

Illegales Graben nach Gold

Wir steigen in ein Schnellboot und fahren mehr als eine Stunde lang über den Rio Andágueda in ein Gebiet, das zu den von Großunternehmen und Investoren besonders begehrten Regionen zählt. Hier wird Gold gefördert. Schwimmende Bagger graben am Flussuntergrund nach dem heißbegehrten Metall, und in der Nähe der Ortschaft Playa Bonita sehen wir Menschen in einer überirdischen Mine am Flussrand arbeiten. Mit enormem Aufwand werden aus dem Erdreich die spärlichen Goldbestandteile herausgesiebt. Längst ist der Abbau hier in der Hand dubioser Geschäftemacher, die Anwohner dürfen nur einen kleinen Teil des Goldes selbst vermarkten – so dass es gerade zum Leben reicht. „Die meisten Akteure, etwa 80 Prozent, sind hier illegal tätig“, sagt Pfarrer Ulrich Kollwitz von der örtlichen Sozialpastoral der Diözese Quibdó. Sie blieben aber unbehelligt, weil es kaum staatliche Überwachung gebe. Generell fehle den Behörden in zahlreichen Regionen Kolumbiens die absolute Kontrolle. Faktisch würden fast die Hälfte aller Landkreise von paramilitärischen Strukturen dominiert, sagen Eingeweihte. Besonders verhängnisvoll sei, dass die Goldgräber unerlaubt Regenwald rodeten, um an weitere Lagerstätten zu gelangen. Es gibt Erkenntnisse darüber, dass korrumpierte Staatsvertreter dem Treiben tatenlos zusehen und mafiöse Strukturen immer weiter um sich greifen – auch weil diese Art des illegalen Wirtschaftens leichtere Gewinne verspricht als der Drogenanbau. Den Priester Kollwitz, einen Deutschen, der seit mehr als 40 Jahren in Kolumbien tätig ist, bringt der Goldboom fast zur Verzweiflung. Es könne doch nicht sein, sagt er, dass es im Großraum Quibdó zu einer gigantischen Landschaftszerstörung und zur Kontaminierung der Flüsse mit Quecksilber komme, um Gold zu gewinnen, das dann zum größten Teil als Geldanlage wieder in Bankentresoren verschwinde. Er selbst hat in seinem Lebensumfeld ungewöhnliche Konsequenzen gezogen. Den Goldkelch für den Gottesdienst hat er abgeschafft, ebenso trägt er keinen Goldring mehr…

Pfarrer Ulrich Kollwitz (Pfarrer und Mitglied der Menschenrechtskomission von Quibdo) spricht mit Minenarbeiterin Maria del Socorro (56), illegale Goldmine gegenüber der Gemeinde la Sierra am Fluß Rio Andágueda, Departamento del Chocó, Kolumbien; Foto: Florian Kopp/Misereor

Der deutsche Priester Ulrich Kollwitz  spricht mit der Arbeiterin Maria del Socorro (56)  in einer Goldmine gegenüber der Gemeinde la Sierra am Fluss Rio Andágueda im Departamento del Chocó. Foto: Florian Kopp/Misereor

Vertreter der katholischen Kirche in Kolumbien und damit auch von MISEREOR-Partnerorganisationen betätigen sich schon seit vielen Jahren als Vermittler auf dem langen Weg zu einer Friedenslösung. Dazu gehörten auch Gespräche mit den Farc-Rebellen. Zudem wird es dem Wirken der Kirche zugeschrieben, dass bei den Friedensverhandlungen auf Kuba auch 60 Repräsentanten der Opfer des Krieges zumindest angehört wurden und damit erstmals eine öffentlich weit vernehmbare Stimme erhielten. „Es kann nicht nur darum gehen, dass sie ihr Land wieder zurückbekommen“, sagt Pater Dario Echeverry, Koordinator der Nationalen Versöhnungskommission in Kolumbien. „Auch ihre persönliche Würde muss wiederhergestellt werden.“ Und es sei wichtig, „dass alle Beteiligten ihre Verantwortung anerkennen“. Der Geistliche nennt einige der Knackpunkte bei den Verhandlungen: „Wir brauchen Garantien dafür, dass sich die Greueltaten nicht wiederholen. Und alle müssen ihre Waffen abgeben, auch die kriminellen Gruppen.“ Davon scheint man noch ein gutes Stück entfernt zu sein. Die paramilitärischen Gruppen wüchsen gar noch, ist allenthalben zu hören; es gebe Kräfte, die sich offen gegen den Friedensprozess positionierten, gerade in Wirtschaftskreisen. Viehzüchter seien darunter, auch die Besitzer großer Palmölplantagen, Zuckerrohr- und Sojafelder. Und nicht zuletzt der ehenmalige Staatspräsident Alvaro Uribe Velez.

Rückgabe und Entschädigung dauern Jahrzehnte

Die Menschenrechtsanwältin Claudia Erazo kritisiert, dass es noch Jahrzehnte dauern könnte, bis Entschädigungen oder die Rückgabe von Land abgeschlossen sind; die Behörden seien mit der Aufarbeitung komplett überfordert. Vielleicht sind sie aber auch nur unterbesetzt. Währenddessen werden Erazo und andere Anwälte und Interessenvertreter der Opfer, darunter auch Gewerkschafter, bedroht und angegriffen. Nicht wenige wurden ermordet. Gleichzeitig sei die grassierende Straflosigkeit nach solchen und anderen Taten nicht gestoppt, sagt Erazo.
Wird Kolumbien es schaffen, aus dem Kreislauf von Gewalt, Gegengewalt, Korruption und Kriminalität auszubrechen? Gibt es eine echte Chance auf ein versöhnliches Miteinander? UN-Repräsentant Hochschild glaubt, dass dies ohne internationale Hilfe nicht gelingen wird. Mit finanzieller Hilfe von außen könnten vor allem der soziale Zusammenhalt stabilisiert und die himmelschreienden Unterschiede zwischen armen und wohlhabenden Schichten abgemildert werden. Kolumbien habe alle Chancen, wirtschaftlich erfolgreich zu sein. „Das Land besitzt das Potenzial, vier bis fünf Prozent Wirtschaftswachstum pro Jahr zu erreichen. Allerdings nur ohne Krieg.“

Namen und Fotos von Bürgerkriegsopfern in der Kapelle des Bischofssitzes, Quibdo, Departamento del Chocó, Kolumbien; Foto: Florian Kopp/Misereor

Namen und Fotos von Opfer eines Angriffs auf eine Kirche in Bojayá in der Provinz Chocó im jahr 2002. Die Bilder sind in der Kapelle des Bischofssitzes Quibdo zu sehen. Foto: Florian Kopp/Misereor

Die Lage ist also nach wie vor heikel, die Zukunft ungewiss. Doch die Hoffnung machenden Signale mehren sich. So etwa die bewegende Versöhnungsgeste, die Vertreter der Farc-Rebellen Anfang Dezember in Bojayá in der Provinz Chocó zeigten. Dort hatten im Jahr 2002 Dorfbewohner in einer Kirche Schutz vor Kämpfen zwischen Farc und Paramilitärs gesucht. Dann flog eine Bombe durch das Dach – 79 Menschen kamen ums Leben. Nun haben sich die Rebellen öffentlich entschuldigt und die Verantwortung für das Massaker übernommen. In der Kirche des Bischofshauses von Quibdó stockt uns der Atem, als wir eine große Galerie von Porträtfotos an einer Wand betrachten. Sie zeigt die Opfer von Bojayá, überwiegend Kinder und Jugendliche, und diese Ausstellung lässt schmerzlich spürbar werden, welch unermessliches Leid dieser Krieg angerichtet hat und wie schwer der Weg hin zu echter Versöhnung werden wird.

„Haus der Erinnerung“

Noch ein weiteres Hoffnungszeichen nehmen wir in Medellin wahr: das Haus der Erinnerung, ein sehr aufwändig erbautes, modernes Museum, in dem der jahrzehntelange Bürgerkrieg aufgearbeitet wird – als Mahnmal, endlich aus der Spirale der Gewalt auszubrechen. Das Museum wurde 2011 eröffnet, auch MISEREOR beteiligte sich an der Finanzierung. In einem Nebenraum der eindrucksvollen Ausstellung treffen wir eine Gruppe von jungen Frauen – allesamt ehemalige Farc-Rebellinnen. Sie engagieren sich nun im Museum für Versöhnung und hoffen auf endgültige Reintegration in die kolumbianische Gesellschaft. Die Frauen wünschen sich nichts anderes als Frieden. Es wird also Zeit, dass dieser endlich besiegelt wird.


Mehr Informationen: Fact-Sheet des Kolumbien-Netzwerkes Kolko zur aktuellen Situation

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Ralph Allgaier arbeitet als Pressesprecher bei Misereor.

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