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Brasilien: Michel Temers Gruselkabinett

Kaum an der Macht und schon ist Michel Temer einer der meist gehassten Politiker im Land. Laut Meinungsumfragen liegt seine Popularität bei etwa 2 %. Bei Dilma Rousseff waren es vor ihrer Amtsenthebung immerhin noch 20 %. In seiner Ansprache als brasilianisches Staatsoberhaupt kündigt der nicht-gewählte Interimspräsident „Eine Regierung der Rettung“ an und sagt weiter „Wir werden das Land vereinen und befrieden“. Schaut man sich dazu sein neuformiertes Kabinett an, kommen einem ernsthafte Zweifel.

Michel Temer © Foreign and Commonwealth Office

Michel Temer © Foreign and Commonwealth Office

Brasiliens Image als sozialliberale, multiethnische Demokratie wird mit der Benennung des 23-köpfigen Ministerkabinetts auf die Probe gestellt. Dabei haben die neuernannten Minister einiges gemeinsam: sie sind alle Männer, weißen Ursprungs und vertreten die Oberklasse. Die brasilianische Elite ist zurück an der Macht und fühlt sich wenig verpflichtet, die 52 % Frauen und 53 % gemischtethnischen Menschen des Landes zu vertreten. Ein Kabinett ohne Frauen gab es das letzte Mal in Brasilien unter der Militärdiktatur. Nach Meinung vieler MISEREOR-Partnern setzt die Ministerbenennung klare, richtungsweisende Signale. Wer sind aber nun genau Temers neue starke Männer im Land und wie steht es um deren Vergangenheit?

Romero Juca (PMDB): Planungsminister

Romero Juca hat von Temer die Nachfolge als Parteivorsitzender der PMDB geerbt. Er gilt als rechte Hand des Interimspräsidenten mit einer dunklen Vergangenheit. 28 Prozesse laufen derzeit gegen ihn, darunter auch eine Anklage im „Lava Jato-Skandal“ um die Ölfirma „Petrobras“ und im „Zealot-Skandal“. Er soll Millionenbeträge unterschlagen haben. Als Vorsitzender der FUNAI (staatliches Organ für indigene Fragen) war er in den achtziger Jahren für die Vergabe von illegalen Verträgen zur Abholzung riesiger Gebiete in den Bundesstaaten Mato Grosso, Rondonia, Amazonas und Para verantwortlich und hat sich selbst dabei riesige Flächen an Land angeeignet. An der venezolanischen Grenze hat er Bergbaufirmen den Zugang zum Goldabbau in den Yanomani-Gebieten verschafft und später als Gouverneur des Bundesstaats Roraima illegalen Goldsuchern, Garimpeiros genannt, den freien Zugang zu den Schutzgebieten geebnet. Heute ist Juca Teilhaber vieler Fernseh- und Radiokanäle und ein sehr einflussreicher Mann.

Update: Nach einem am Montag, den 23.05, veröffentlichen Abhörskandal, musste bereits der erste aus dem neuen Temer-Kabinett seinen Stuhl räumen. In einem im April aufgezeichneten Gespräch mit einem anderen Politiker drängte Romero Juca darauf, dass man nach dem Regierungssturz von Dilma Rousseff  alles in Bewegung setze, um die verantwortlichen Richter bei den weiteren Ermittlung im Petrobras-Skandal zu stoppen.

Osmar Terra (PMDB): Minister für soziale und landwirtschaftliche Entwicklung

2001 wurde er in Rio Grande de Sul aufgrund von Veruntreuung von Geldern im Gesundheitssektor verurteilt. Des Weiteren liefen gegen ihn Untersuchungen des obersten Gerichtshofs wegen Steuerhinterziehung. Er ist ein Hardliner in der Bekämpfung von kriminellen Drogenkonsumenten. Omar Terra gilt als kompromisslos und ist in Brasilien ähnlich populär wie Temer. Er wird unter Temer für das Sozialprogramm „Bolsa Familia“ verantwortlich sein und es ist davon auszugehen, dass unter seiner Federführung die Unterstützung für arme Familien drastisch eingeschränkt werden wird.

Mendonca Filho (DEM): Minister für Bildung und Kultur

Der Besitzer großer Landgüter, sogenannten „Fazendas“, war in seiner Vergangenheit in verschiedene Korruptionsskandale verwickelt, unter anderem in den „Petrobras-Skandal“, ohne das ihm etwas nachgewiesen werden konnte. Mendonca Filho wird vorgeworfen, in seiner Amtszeit als Gouverneur von Pernambuco von der Weltbank bereitgestellte finanzielle Unterstützung in Millionenhöhe zur Bekämpfung der Trockenheit in der halbwüstenartigen Landschaft des Sertao unterschlagen zu haben. Ihm fehlt jeglicher Bezug zu den Sektoren Bildung und Kultur, die er nun verantwortet.

Bairo Maggi (PP): Landwirtschaftsminister

Der brasilianische Soja-Baron ist laut der Zeitschrift Forbes der zweitreichste Politiker in Brasilien und einer der größten Vernichter von Tropenwäldern. Maggi ist der Besitzer von „Ammagi“, einer der größten Soja-Export-Firmen des Landes. Nach Aussagen von Greenpeace war er allein für die Hälfte der Entwaldung in Brasilien in den Jahren 2013 und 2014 verantwortlich. In einem Interview mit der New York Times verkündete er: „Für mich hat eine Waldvernichtung von 40 % keinerlei Bedeutung. Für das, was wir machen, habe ich keine Schuldgefühle.“ Gegen Bairo Maggi läuft ein Verfahren wegen Geldwäsche.

Jose Sarney Filho (PV): Umweltminister

Jose Sarney ist Mitglied des berühmt berüchtigten Familien-Clan Sarney, der dank seines Medien-Imperiums seit 50 Jahren die Politik und das Leben in einem der ärmsten Bundesstaaten in Brasilien, in Maranhao, beherrscht. Die sehr einflussreiche Familie war in den vergangenen Jahren in eine Vielzahl von Korruptionsskandalen verwickelt. Gegen Sarney Filho liegt aktuell ein Verfahren wegen Verwendung öffentlicher Gelder für private Zwecke vor.

Alexandre de Moraes (PSDB): Minister für Justiz und Staatsbürgerschaft

De Moraes gilt als absoluter Feind von Sozialbewegungen. Er bezeichnete vor kurzem die Pro-Dilma Rousseff Demonstranten als „Akt der Guerillas“. Als Sekretär für Sicherheit war er im Januar 2016 in Sao Paulo für das brutale Vorgehen der dortigen Polizei gegenüber Demonstranten verantwortlich, die anschließend für ihr hartes Vorgehen noch gelobt wurde. Die Demonstranten protestierten damals gegen Fahrpreiserhöhungen im öffentlichen Nahverkehr.

Eliseu Padilha (PMDB): Stabschef

Gegen Eliseu Padilha laufen Ermittlungen des Obersten Gerichtshof wegen Verschleierung von Vermögenswerten, Gründung einer kriminellen Vereinigung und Bestechung.

Maurici Quintella (PR): Minister für Transport

2014 wurde er vom Bundesstaat Alogoas überführt, da er Haushaltsgelder, die für Schulspeisung von Kindern in öffentlichen Schulen vorgesehen waren, in die eigene Tasche gesteckt hatte.

Über den Autor: Stefan Kramer ist Leiter der MISEREOR-Dialog- und Verbindungsstelle in Brasilien.

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Stefan Kramer leitet die MISEREOR Dialog- und Verbindungsstelle in Brasilia/Brasilien.

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