Die Schauspieler Harald Krassnitzer und das Schauspielerehepaar Christine Sommer und Martin Brambach sind einem Millionenpublikum durch zahlreiche TV- und Kinoproduktionen bekannt, die beiden Männer auch als „Tatort-Kommissare“. Sie präsentierten in Leipzig zusammen mit MISEREOR eine ergreifende Inszenierung darüber, wie die Zukunft aussehen könnte und was wir dafür tun müssen. Die literarische Reise „Vom Klimawandel und der Zukunft der Erde“ lud zum Nachdenken ein. Musikalisch wurden sie dabei durch einfühlsame Musik von Dominik Schneider und Jörg Kinzius begleitet.
Auf einer Zugreise zum Drehtermin hatte Martin Brambach das Buch „Zehn Milliarden“ von Stephen Emmott gelesen und war zutiefst verstört. „So etwas hatte ich noch nie zum Klimawandel gelesen.“ Die Idee, damit auf die Bühne zu gehen, war geboren. In Wien trafen er und Christine Sommer zufällig den Tatort-Wien-„Kollegen“ Harald Krassnitzer, der spontan anbot, bei der „Klimalesung“ mitzumachen. In Leipzig sprachen alle drei auch öffentlich zu ihrer persönlichen Haltung zum Thema.
Vor der Veranstaltung im Rahmen des Katholikentages zeigten sie sich im Interview von ihrer privaten Seite zu Fragen wie Konsum, Lebensstil, Klimaveränderung und Fluchtursachen.
Was bewegt Sie dazu, so eine Lesung zu machen?
Harald Krassnitzer: Wir wollen darauf aufmerksam machen, in welchem Zustand wir uns gerade befinden und welche Sorgen wir haben. Es geht aber nicht darum, dass wir Schockbilder zeichnen und sagen, wie dramatisch und schrecklich alles ist. Wir machen eine Lesung mit Fachliteratur, und das Erstaunliche ist, dass das wunderbar zum Lesen ist und plötzlich so eine ganz eigene Atmosphäre entsteht. Wir versuchen, den einen oder anderen Gedanken mitzugeben, der zu einem Ausweg oder zu einer Lösung führen kann oder vielleicht auch die Angst nimmt.
Christine Sommer: Wir Menschen schauen gerne weg und verfolgen eine Vogelstrauß-Politik, aber man merkt an allen Ecken und Enden, dass die Erderwärmung dramatisch zunehmen wird, mit heftigen Konsequenzen für uns alle. Und dann gab es vor zwei Jahren diesen schrecklichen Sturm im Frühjahr, der im Ruhrgebiet sehr gewütet hat (Pfingstunwetter „Ela“ am 9.6.2014). Es war dramatisch. Es fühlte sich ein bisschen nach Endzeitstimmung an. Das Problem des Klimawandels zur Sprache zu bringen mit prominenten Partnern, wie meinem Mann Martin Brambach und mit Harald Krassnitzer, ist für mich ein ganz großes Anliegen.
Warum machen Sie diese Kooperation mit dem Werk für Entwicklungszusammenarbeit MISEREOR?
Harald Krassnitzer: Wir machen Lesungen, deren Reingewinn MISEREOR zukommt, denn sie ist eine Organisation mit einem sehr partnerschaftlichen Ansatz in der Entwicklungszusammenarbeit. Doch das Wirken der vielen NGOs wird immer nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein, solange es in Europa nicht eine Art Marshallplan für Afrika gibt. Wir brauchen einen größeren Plan, wie wir dort zusammenarbeiten können, beispielsweise in einer Art Freihandelsabkommen. Das brauchen wir viel dringender als mit den USA.
Die Lesung findet in Ihrer sächsischen Heimat statt, Herr Brambach. Gibt es einen Unterschied in Sachen Ökologie, wenn Sie Leipzig und Ihre Wahlheimat Recklinghausen vergleichen?
Martin Brambach: Ich glaube nicht, dass die Leute im Osten weniger Bewusstsein darüber hätten als die Menschen im Westen. Der Klimawandel betrifft die ganze Welt. Gerade auf dem Katholikentag sind viele, die sich aktiv damit auseinandersetzen, was weltweit passiert. Es ist vielen Leuten bewusst, dass es mittlerweile fünf nach zwölf ist, was den Klimawandel anbelangt. Trotzdem ist es nicht unwichtig, dass man mit dem Finger darauf zeigt. Letztlich sind wir es selber, die mit einem veränderten Konsumverhalten dazu beitragen können, dass es vielleicht nicht so schlimm wird. Aber auf Leipzig und auf die Leute freue ich mich auf jeden Fall.
Inwiefern haben Sie selbst Ihren Lebensstil verändert?
Christine Sommer: Wir versuchen unseren Lebensstil mit unseren vier Kindern unter die Lupe zu nehmen und vieles anders zu machen. Wir leben vegetarisch und meine Tochter isst vegan, denn die Massentierhaltung und der Anbau der Futtermittel ist eine Katastrophe fürs Klima. Man weiß, dass für ein Kilo Fleisch etwa viertausend Liter Wasser verbraucht werden. Wenn man sich die Ressourcen anschaut, die dem Ende zugehen, ist das ein Wahnsinn, dass Menschen noch so viel Fleisch essen. Ich versuche das Auto stehen zu lassen, nicht in Urlaub zu fliegen und fahre oft mit dem Zug. Man braucht zwar länger, aber es ist auch eine Art von Entschleunigung, die gut ist.
Martin Brambach: Der Konsum ist für uns ein großes Thema und wir versuchen ein Vorbild für die Kinder zu sein: mit Mülltrennung, mit Müllvermeidung, ja mit Konsumvermeidung. Wir fahren seit Jahren nur gebrauchte Autos, denn allein die Herstellung und der Transport von neuen Fahrzeugen ist enorm klimaschädlich und schädlicher als das alte Auto weiter zu nutzen, das vielleicht etwas mehr Sprit verbraucht.
Harald Krassnitzer: Der eigentliche Impuls ist die Tat. Je mehr Menschen anfangen ihr Leben tatsächlich zu verändern und wieder zu den wesentlichen Dingen kommen, desto rascher werden sich Veränderungen vollziehen. Ich habe das Gefühl, dass es immer mehr Menschen werden, die so denken. Da mögen wir Schauspieler nur ab und zu einen Impuls geben, so dass man sagt, jetzt erst recht in diese Richtung.
Wie halten Sie es sonst mit dem Wegwerfen?
Christine Sommer: Ich bin ein Fan von Reparaturen. Darum habe ich mein altes Bügeleisen auch zum Repair-Cafe gebracht. Heute werden Geräte so erzeugt, dass sie nach zwei Jahren auf dem Müll landen. Die älteste Glühbirne, die noch keine sogenannte Sollbruchstelle hatte, brennt immer noch (seit 1901 in Livermore, San Francisco). Wenn man Altes reparieren kann, ist das auch ein tolles Erfolgserlebnis. Das gibt es allerdings leider nicht bei dem ganzen elektronischen Kram von heute.
Ich bin auch Schirmherrin von Foodsharing in meiner Stadt. Das ist eine Organisation, die sich darum kümmert, dass essbare Lebensmittel nicht auf dem Müll landen. Und es ist unglaublich, wie viele Läden im Zuge dieser Aktivität Essen spenden, das sonst auf den Müll gekommen wäre. Ich finde das alles zutiefst unmoralisch, so viele Ressourcen für die Herstellung von Essen zu verbrauchen und es dann wegzuschmeißen, angesichts der Millionen Menschen, die an Hunger leiden.
Herr Krassnitzer, welche Themen liegen Ihnen besonders am Herzen?
Harald Krassnitzer: Es ist nicht allein der Klimawandel, der uns bewegt. Wir haben soziale Verwerfungen, wir haben ein Umverteilungsproblem, wir haben ein ökonomisches Problem. Wir haben eine Krise mit Flüchtlingen und wir haben einen extremen Rechtstrend, beziehungsweise plötzlich einen Trend zum Populismus. Ich habe das Gefühl, die Rechtspopulisten versuchen unsere Gesellschaften wieder mit alten Formen einzufangen und versprechen eine Welt, die nicht zu erfüllen ist. Doch diese alten Formen sind bereits gescheitert. Wir können Probleme wie Klimawandel oder wirtschaftliche Probleme nicht dadurch lösen, dass wir sie in die Zukunft schieben. Sie sind jetzt Realität, man muss jetzt handeln. Schließlich ist der Klimawandel ja nicht nur eine Bedrohung, sondern auch eine Herausforderung. Wir müssen neue Arbeitsplätze oder innovative Produkte schaffen, die den zukünftigen Generationen ermöglicht, sorgenfrei zu leben.
Aber keines dieser Themen lässt sich isoliert betrachten. Der Klimawandel steht in enger Verbindung mit einer Form des Kapitalismus, mit einer Form der Globalisierung und auch mit einer Form der Verteilung. Du kannst den Klimawandel nicht bekämpfen ohne dabei nicht auch zu überlegen, wie Du ein gerechteres und sozialeres System schaffst. Diese Zusammenhänge versuchen wir an diesem Abend darzustellen.
Was würden Sie sich wünschen, wie die Leute aus Ihrer Lesung herausgehen?
Christine Sommer: Es geht darum, dass man sich ein bisschen bewusster macht, in was für einem Wahnsinn wir hier leben, in was für einem unglaublich satten Wohlstand. Das ist nicht zu rechtfertigen, wenn man sich vorstellt, dass jahrzehntelang die anderen Kontinente dafür ausgebeutet worden sind. Unsere Sattheit ist unerträglich. Wenn wir uns bewusst werden, was wir lassen und wie wir miteinander umgehen, wäre das ein Erfolg. Man hat jeden Tag die Möglichkeit, die Welt ein kleines bisschen zu verändern. Man muss klein anfangen – einfach irgendwo.
Mit welchen Gefühlen blicken Sie in die Zukunft Ihrer Kinder?
Martin Brambach: Mit sehr gemischten Gefühlen. Ich kann nur hoffen, dass es in 30-40 Jahren noch eine Welt gibt, in der es lebenswert ist, in der es nicht zu viele Wetterextreme gibt, vor denen man Angst haben muss. Der Klimawandel wird Migrationswellen in Gang setzen, die wir uns gar nicht vorstellen können. Wir können uns auch nicht vorstellen, was passiert, wenn ein Staat wie Bangladesch plötzlich nicht mehr existiert, sondern im Golf von Bengalen untergeht. Da müssen dann 160 Millionen Menschen irgendwohin. Wir haben ja jetzt schon Probleme, wenn eine Million Menschen nach Europa kommen. Dann werden die Grenzen zugemacht und rechte Parteien gewählt. Insofern sehe ich die Zukunft unserer Kinder sehr zwiespältig.
Bei der Veranstaltung im Haus Leipzig lasen die Schauspieler Texte von Stephen Emmott, Papst Franziskus, Ilja Trojanov, Jean Ziegler, Hans Jonas, Petra Pinzler, Robert und Edward Skidelsky, Byung Chul Han, Joanna Macy , Wolfgang Uchatius und Mahatma Gandhi.
Die musikalischen Zwischenspiele hatten Dominik Schneider und Jörg Kinzius auf Basis eigener, mittelalterlicher oder jiddischer Vorlagen arrangiert.