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Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte: Wenig ambitioniert

Im Juni 2011 verabschiedete der UN-Menschenrechtsrat Leitprinzipien, die die menschenrechtlichen Staatenpflichten und Unternehmensverantwortung im Wirtschaftsgeschehen beschreiben. Fünf Jahre später haben erst elf Regierungen nationale Aktionspläne zur Umsetzung der Leitprinzipien beschlossen. In Kürze soll ein deutscher Aktionsplan folgen. Anfang Juni hatten sich die fünf beteiligten Bundesministerien auf einen gemeinsamen Entwurf geeinigt, der hinter den Erwartungen von Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften weit zurück blieb. Nun hat das Bundesfinanzministerium (BMF) eine sogenannte Streichliste vorgelegt, mit der der Aktionsplan vollends wirkungslos würde.

Vertritt VENRO im Steuerungskreis der Bundesregierung zum Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte: Armin Paasch, MISEREOR-Experte für Wirtschaft und Menschenrechte.

Vertritt VENRO im Steuerungskreis der Bundesregierung zum Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte: Armin Paasch, MISEREOR-Experte für Wirtschaft und Menschenrechte.

Dreh- und Angelpunkt der UN-Leitprinzipien ist das Konzept der „menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht“. Danach sollen Unternehmen die menschenrechtlichen Risiken und Auswirkungen ihrer Aktivitäten und Geschäftsbeziehungen auch im Ausland untersuchen. Sie sollen den Risiken mit angemessenen Maßnahmen begegnen und darüber transparent berichten. Ein Entwurf des deutschen Aktionsplans, auf den sich die fünf zuständigen Bundesministerien (für Äußeres, Wirtschaft, Justiz, Arbeit und Soziales sowie Entwicklungszusammenarbeit) Anfang Juni geeinigt hatten, brachte die „Erwartung“ zum Ausdruck, dass deutsche Unternehmen diese menschenrechtliche Sorgfalt entlang der gesamten Lieferketten walten lassen. Bis 2020 solle die Hälfte aller deutschen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern die notwendigen Prozesse zur Gewährleistung der menschenrechtlichen Sorgfalt eingerichtet haben. Andernfalls wolle die Bundesregierung zusätzliche Maßnahmen einschließlich gesetzlicher Regelungen erwägen.

Opfer von Menschenrechtsverletzungen müssen Unternehmen anklagen können

Gewerkschaften, Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen hatten diesen Entwurf als unzureichend kritisiert. Sie forderten bereits jetzt eine gesetzliche Verankerung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten deutscher Konzerne einschließlich ihrer Tochterunternehmen und Zulieferer. Zuwiderhandlungen sollten Bußgelder nach sich ziehen und im Schadensfall Zivilklagen von Opfern vor deutschen Gerichten möglich machen. Die Bundesregierung sollte zudem Unternehmen von staatlichen Aufträgen und Maßnahmen der Außenwirtschaftsförderung ausschließen, die erwiesenermaßen gegen ihre Sorgfaltspflichten verstoßen haben. Menschenrechte müssten auch bei der Aushandlung und Umsetzung künftiger Handelsabkommen der EU grundlegend gestärkt werden – so die Forderung.

Dem Bundesfinanzministerium geht jedoch bereits der bisherige Entwurf entschieden zu weit. Wie aus informierten Kreisen verlautete, lehnt das BMF schon den Begriff der „menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht“ ab, obwohl die G7 in Elmau ausgerechnet auf deutsche Initiative die Privatwirtschaft zur Einhaltung ebendieser „Sorgfaltspflicht“ noch „dringend aufgerufen“ hatten. Statt einer „Erwartung“ will das BMF lediglich eine unverbindliche Empfehlung aussprechen. Anders als im bisherigen Entwurf geplant, sollen die Sorgfaltspflichten nicht einmal für Unternehmen im Eigentum des Bundes verbindlich gelten. Die Zielvorgabe von 50 Prozent will das BMF ebenso streichen wie die mögliche Prüfung einer gesetzlichen Regelung nach 2020. Prüfen will das BMF stattdessen die Belastungen für die Unternehmen und stellt das gesamte Vorhaben darüber hinaus unter Finanzierungsvorbehalt.

Derzeitiger Entwurf des NAP ist Schlag ins Gesicht für Millionen Arme

Bei Amnesty International Deutschland, Brot für die Welt, MISEREOR und Germanwatch stößt die jüngste Intervention des BMF auf Unverständnis und Empörung. „Die Verabschiedung eines solchen Aktionsplans wäre eine Blamage für die Bundeskanzlerin – und ein Schlag ins Gesicht von Millionen armer Menschen“, erklärt der VENRO-Vorsitzende Bernd Bornhorst. VENRO hatte gemeinsam mit dem Forum Menschenrechte und dem DGB im Steuerungskreis der Bundesregierung für einen ambitionierten Aktionsplan geworben.

Ob die Bundesregierung sich überhaupt auf einen Aktionsplan einigen wird, steht nun in den Sternen. Dem Vernehmen nach sind die Fronten zwischen den fünf zuständigen Ministerien einerseits und dem BMF andererseits weiterhin verhärtet. Wenn sich beide Seiten bei den kommenden Sitzungen der Abteilungsleiter und Staatssekretäre im September nicht einigen können, müssen möglicherweise am Ende die Koalitionsspitzen entscheiden. Welche Priorität die Menschenrechte bei Kanzlerin Angela Merkel, Vize-Kanzler Sigmar Gabriel und CSU-Chef Horst Seehofer haben, wenn deutsche Wirtschaftsinteressen im Spiel sind, wird sich dann zeigen.

Ein Beitrag von Armin Paasch, Referent für Wirtschaft und Menschenrechte bei MISEREOR. Armin Paasch vertritt den Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe VENRO im Steuerungskreis der Bundesregierung zum Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte.


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Armin Paasch ist Experte für Verantwortliches Wirtschaften und Menschenrechte bei Misereor.

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