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Frauenpower gegen den Hunger: Durch Entschlossenheit zur Ernährerin der Familie

Shantabai  Rathore, 50, ist Kleinbäuerin in Nilegaon, einem kleinen Ort im indischen Bundesstaat Maharashtra. Durch die Unterstützung der Organisation SSP (Swayam Shikshan Prayog) ist sie in nur wenigen Jahren zu einer viel respektierten und gefragten Landwirtin geworden, die nicht nur ihre eigene Familie ernährt, sondern mit dem Verkauf ihrer Ernte auch zusätzliches Geld verdient. „Ich habe nie eine Ausbildung erhalten – heute fühle ich mich als die Stütze meiner Familie.“

Heute kann Shantabai, Kleinbäuerin aus dem indischen Maharashtra, ihre Familie durch den Gemüseanbau und -verkauf versorgen. Fotos: SSP

Heute kann Shantabai, Kleinbäuerin aus dem indischen Maharashtra, ihre Familie durch den Gemüseanbau und -verkauf versorgen. Fotos: SSP

Frau Rathore, wie war Ihr Alltag, bevor Sie am Programm von SSP teilgenommen haben?

Shantabai Rathore: Ich bin in Nilegaon als Mitglied der „Tande“geboren, die außerhalb der Ortschaft leben und wenig Kontakt zur Dorfgemeinschaft haben. Meine Familie besaß kein Land, mein Mann und ich haben auf unterschiedlichen Farmen gearbeitet. Für unsere Arbeit haben wir etwas von der Ernte abbekommen, aber kein Gehalt. Zu Hause war unser Hauptnahrungsmittel Chapati (Anm.d.Red.: indisches Brot) mit Chilis, das gab es meist zwei Mal am  Tag. Es gab auch Tage, da ist die Familie hungrig ins Bett gegangen. Wir hatten keinen Strom, was heißt, dass alles wichtige im Haus vor Sonnenuntergang erledigt werden musste.

Und wie hat sich das heute verändert?

Seitdem ich Teil der  „womens agriculture“-Gruppe von SSP bin und an den Trainings teilnehme, bin ich Teil der Gemeinschaft. Die Milch, die ich melke, verkaufe ich an einen Händler im Ort. Die Ernte verkaufe ich auf dem Markt und in unserer Nachbarschaft.  Die Kleinbäuerinnen hier haben in der Vergangenheit immer die gleichen Pflanzen angebaut, es gab kaum Vielfalt und damit auch keine guten Preise auf dem Markt. Heute diskutieren wir erst in der Gruppe, was wir  anbauen und wie das am besten geht, und was gesund ist und was weniger. Gibt es neues Saatgut, wird es geteilt. So haben wir ein breites Angebot an Hülsenfrüchten, Ölsamen, Gemüse und Blattgemüse. Ich selbst baue nicht mehr Soja oder Zuckerrohr an, sondern verschiedene Sachen und betreibe auch Zwischenfruchtbau. Wir verdienen heute doppelt so viel auf dem Markt. Jetzt haben wir zu Hause auch Strom, können so länger auf dem Feld arbeiten und abends den Haushalt machen. Außerdem konnten wir etwas vom Einkommen sparen und uns 3 Acre (Anm. d. Red.: etwa 1,2 Hektar) Land im Dorf kaufen. Mein Mann, mein ältester Sohn und ich betreiben heute unsere eigene Farm.

Shantabai, ihr Mann und ihr Sohn haben heute etwa 1,2 Hektar Land. Sie setzt statt auf "cash crops" auf nachhaltige Landwirtschaft und Vielfalt.

Shantabai, ihr Mann und ihr Sohn haben heute etwa 1,2 Hektar Land. Sie setzt statt auf „cash crops“ auf nachhaltige Landwirtschaft und Vielfalt.

Wie haben Sie die Trockenzeit in Indien überstanden, vor allem die letzte Dürre, die sogar als „Jahrhundertdürre“ bezeichnet wird?

Auch wenn wir dieses Jahr wieder mit der Trockenheit zu kämpfen hatten, finde ich es bemerkenswert, das kein Haushalt hier sein Vieh verkaufen musste, um zu überleben. Wir haben verstanden, wie wichtig es ist, die Tiere zu behalten! Stattdessen haben viele Kleinbauern kleinere Darlehen aufgenommen und in den Anbau von Futtermitteln investiert. Das hat uns allen sehr geholfen.

Warum haben Sie sich entschlossen, an dem Programm von SSP teilzunehmen?

Eine der SSP-Leiterinnen hat begonnen, hier im Dorf mit anderen Frauen zusammen zu arbeiten. Sie hat von günstigen Anbaumethoden, nachhaltiger Landwirtschaft und dem Einfluss abwechslungsreicher Ernährung auf unsere Gesundheit erzählt, vom Nachteil  der “Cash Crops“ und von organischen Anbaumethoden. Nach ein paar Monaten sah ich, wie sich die Felder der Frauen veränderten und frisches Gemüse wuchs. Das hat mich sehr beeindruckt – und ich wollte Teil der Gruppe sein. Mein Mann hat das erst nicht verstanden, er sah darin keinen Sinn. Ich habe ihn dann mitgenommen und ihm die Farmen der Frauen gezeigt, und er hat mich verstanden. Ich habe erst einen halben Acre von ihm bekommen, um auszuprobieren. Heute arbeiten wir auf unserem ganzen Land so.

In Gruppen berät SSP Kleinbäuerinnen über nachhaltige, vielfältige und lokal angepasste Landwirtschaft, die mit eigenen Mitteln auskommt.

In Gruppen berät SSP Kleinbäuerinnen über nachhaltige, vielfältige und lokal angepasste Landwirtschaft, die mit eigenen Mitteln auskommt.

Was haben Sie gelernt?

Hauptsächlich, das Beste aus allen verfügbaren Mitteln herauszuholen: Aus dem Boden, dem Anbau der Futtermittel für unsere Tiere und dem Wurmkompost. Ich habe gelernt, wie wichtig frische und gesunde Nahrungsmittel sind und auf meine Gesundheit zu achten. Ohne einen gesunden Körper können wir nicht richtig arbeiten und nichts verdienen. Ich bin heute sehr glücklich und zufrieden, dass alles so gekommen ist. Durch meine Entschlossenheit und viel harte Arbeit kann ich nicht nur meine Familie ernähren, sondern auch auf dem Markt verkaufen und so zusätzlich Geld verdienen. Ich bin stolz, wenn Frauen auf meine Farm kommen und Rat bei mir holen. Mich macht das selbstbewusster, mein Wissen mit Anderen zu teilen. Ich habe nie eine Ausbildung erhalten. Heute fühle ich mich als die Stütze meiner Familie.

Das Interview führte unsere Partnerorganisation SSP, Übersetzung: Misereor.


Weitere Informationen

Online-Dossier „Gutes Essen für Alle?“

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Rebecca Struck hat als persönliche Referentin von MISEREOR-Chef Pirmin Spiegel gearbeitet.

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