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Perfekt von rechts serviert – Cornelia Poletto im Interview über ihre Reise nach Vietnam

Die Fernsehköchin Cornelia Poletto war zu Besuch im Gastgewerblichen Ausbildungszentrum MAI SEN in Vietnam, das von MISEREOR unterstützt wird. Sie kochte gemeinsam mit den Auszubildenden und sprach mit Gründer Francis Van Hoi über seine Ideen. Bei einem Kaffee im Garten des Bistros der Kochschule erzählt sie von ihren Eindrücken.

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© Klaus Mellenthin/MISEREOR

Cornelia Poletto: Gerade hat mir die Kellnerin den Cappuccino perfekt von rechts serviert, und die junge Servicekraft dort drüben läuft herum und schaut überall und fragt, ob die Gäste alles haben. Ich habe den Eindruck, jeder und jede Auszubildende hier im MAI SEN ist mit großer Freude, Sorgfalt und Hingabe dabei.

Haben Sie während Ihrer Ausbildung ähnliche Erfahrungen gemacht?
Cornelia Poletto: Ja, es erinnert mich schon an meine eigene Zeit damals an der Hotelfachschule, das war auf jeden Fall ein besonderer Lebensabschnitt. Für die Auszubildenden hier ist es allerdings sicher noch einmal eine andere Erfahrung: Die meisten stammen aus sehr armen Verhältnissen, haben zum Teil sogar auf der Straße gelebt oder noch nie in einem richtigen Bett geschlafen, und müssen sich nun in einer Fünfsternewelt mit hohen Ansprüchen und Standards zurechtfinden. Das ist am Anfang sicher nicht leicht.

Worin liegt für Sie das Besondere an MAI SEN?
Cornelia Poletto: Dass Jugendliche und junge Erwachsene hier eine echte Chance bekommen. Sie werden später ohne Weiteres in einem der aufstrebenden Fünfsternehotels arbeiten können oder mit guten Ideen und dem, was sie hier gelernt haben, in ihre Provinz zurückkehren, um dort etwas aufzubauen. Man spürt ihren Respekt vor dieser Gelegenheit zum Lernen und man spürt, mit welcher Liebe und Hingabe die Leute, die hier ausbilden, diesen Betrieb führen.

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Pho heißt die Nudelsuppe, die Cornelia Poletto und Francis Van Hoi gemeinsam im Bistro MAI SEN essen. Die Vietnamesen essen sie am liebsten morgens, mittags und abends. © Klaus Mellenthin/MISEREOR

Und an Francis Van Hoi?
Cornelia Poletto: Francis ist ein verrückter Kerl, der sein Herzblut in dieses Projekt steckt. Er führt die Schule mit dem richtigen Mix aus Humor und Disziplin. Mit den Auszubildenden geht er sensibel um, scherzt gerne, macht aber auch klare Ansagen. So lernen die Schüler, mit ihrem späteren Arbeitsalltag klarzukommen. Auch unter den Schülern herrscht ein angenehmes Klima, es gibt viel Wertschätzung untereinander und ihre gute Laune ist ansteckend.

Kocht man hier, wie Sie es kennen?
Cornelia Poletto: Das Besondere ist, dass die Küche des MAI SEN über zwei Seiten verfügt, eine für die asiatische und eine für die europäische Küche. Die Schüler lernen das Repertoire aus beiden Küchenwelten. So werden sie auf die gesamte
Bandbreite internationaler Hotels vorbereitet. Dieser Mix spiegelt sich auch in der Speisekarte.

Wie schmeckt es Ihnen hier?

Cornelia Poletto: Die vietnamesische Küche finde ich super! Sie lebt vom puren Geschmack ohne viel Schnickschnack – darin ist sie meiner Welt der mediterranen Küche ähnlich. Gestern habe ich Pho probiert, eine Nudelsuppe, gewürzt mit Zimt und Sternanis, und war überrascht, wie viel Kraft, Wärme und Energie darin steckt. Hier isst man sie schon morgens zum Frühstück. In Vietnam wird ganz anders gefrühstückt als bei uns, das ist eine spannende Erfahrung, die ich mitnehme.

Von welchen Erfahrungen werden Sie noch zu Hause berichten?
Cornelia Poletto: Ich werde begeistert von den tollen Leuten schwärmen, denen ich hier begegnet bin. Sie haben es mit ihrer positiven Einstellung geschafft, mit jungen Menschen, die zuvor keine Ahnung von der Gastronomie hatten, einen solchen Betrieb aufzubauen – solche Ideen und so viel Mut wünsche ich mir auch in Deutschland.

Bleiben Sie mit Francis Van Hoi in Verbindung?
Cornelia Poletto: Ich habe mit Francis darüber gesprochen, Auszubildende für ein Praktikum in unser Restaurant nach Hamburg
einzuladen. Vielleicht gibt es den einen oder anderen, der dazu den Mut hat. Solch ein Austausch wäre auch für unsere Mitarbeiter interessant.

Wofür steht MISEREOR aus Ihrer Sicht?
Cornelia Poletto: MISEREOR kenne ich als Institution, die sich seit vielen Jahren mit Unterstützung der katholischen Kirche in Entwicklungsländern engagiert.

Das Interview führte Anemi Wick | Fotos: Klaus Mellenthin

Anemi Wick, freie Journalistin aus Luzern, ist seit mehr als sieben Jahren in Vietnam und Südostasien unterwegs und hat unter anderem für NZZ, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Schweizer Radio und Fernsehen sowie Deutsche Welle Online berichtet. Sie ist Autorin des „Fettnäpfchenführer Vietnam – Wo der Büffel zwischen den Zeilen grast.“

Klaus Mellenthin lebt und arbeitet als freier Fotograf in Berlin und Stuttgart. Das Schlüsselwort hinter seinen fotografischen Arbeiten ist Authentizität. Er ist hauptsächlich in den Kategorien Portrait, Reise und Architektur und Werbung tätig. Für MISEREOR hat er für eine Plakatkampagne mittlerweile Burkina Faso, Brasilien und jetzt Vietnam bereist.


frings-2-titelbildDieser Artikel erschien zuerst im MISEREOR-Magazin „frings.“ Das ganze Magazin können Sie hier kostenfrei bestellen >

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Gast-Autorinnen und -Autoren im Misereor-Blog.

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