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Freiwilligendienst: Wie viel ein Jahr verändern kann…

2016 war in vielerlei Hinsicht ein großartiges Jahr für mich. Es war mein letztes College-Jahr und ich spürte, dass ein Lebensabschnitt zu Ende geht. Auf der anderen Seite erreichte meine Vorfreude auf meinen Reverse- Freiwilligendienst in Deutschland einen neuen Höhepunkt.

Jyoti (21) aus Delhi  ©Thomas Kuller/MISEREOR

Ich wusste nicht, ob ich mich mehr auf das konzentrieren sollte, was endete oder auf das, was begann. Am 20. Mai 2016 schrieb ich meine letzte Prüfung und schon drei Tage später war ich startklar für mein Auslandsjahr in Deutschland. Ich erwartete, dass ich in dem Jahr, das vor mir lag, Neues erkunden, andere Menschen kennenlernen, mich auch einmal unbehaglich fühlen, trotzdem aber einen Riesenspaß haben würde.
 
Gleich am ersten Tag traf ich am Flughafen auf zwei wundervolle Menschen – Anna und Katha vom Freiwilligendienst –, die in diesem Jahr, das vor mir lag, meine Ansprechpartnerinnen werden sollten. Ich begegnete auch anderen, wie Sophie, meiner Mentorin, die mir eine große Stütze war und den gesamten Prozess meiner Ankunft und Registrierung begleitete. Sie erledigte mit mir alle Formalitäten und machte mich mit der Stadt Köln und der Unterkunft vertraut. Alle drei unterstützten mich die ganze Zeit und bildeten ein großartiges kleines Netzwerk, das mir Rückhalt gab.

Ich ging durch verschiedene Phasen in meinem Jahr in Deutschland. Die erste und herausforderndste war die „Flitterwochen-Phase“. In den ersten Monaten empfand ich es als verwirrend und herausfordernd, mich an ein neues Land, eine andere Umgebung zu gewöhnen und so viele neue Leute kennenzulernen. Doch gleichzeitig war es so spannend, in einem anderen Land zu sein, so dass ich unbedingt mehr über Deutschland erfahren wollte.
  
„Caritas“ heißt die Organisation, in der man mich einsetzte. Dort arbeitete ich mit Kindern und Jugendlichen aus unterschiedlichen Ländern – Krisengebieten wie Syrien, Afghanistan, Iran, Irak, Sudan, Somalia und Pakistan. Die meisten von ihnen waren aufgrund der schlimmen Lebensbedingungen in ihrem Heimatland nach Deutschland gekommen. Ich war in Projekten tätig, die ihre Integration durch Kunst, Sport, Musik und Theater fördern.

Meine Aufgabe, mich mit ihnen in ihrer komplizierten Lage zu beschäftigen, war schwer und fordernd. Dazu kam, dass ich ihre Sprache nicht sprach. Trotz aller Schwierigkeiten freuten sie sich jedoch, jemanden aus Indien – „Hind“ – kennen zu lernen, Geschichten über mein Land und Lieder von Lata Mangeshkar anzuhören und jemanden zu treffen, der aus demselben Land wie der Filmschauspieler Shah Rukh Khan stammt. Wir führten lebhafte Gespräche über „Masala Chai“, unseren Schwarztee mit Milch, Zucker und Gewürze, die scharfen Currygerichte und die vielfältige Kultur Indiens.
Mein Leben lang werde ich mich daran erinnern, wie viel ich in diesem Jahr erlebt habe. Ausflüge, die ich alleine unternahm, Zeit, die ich mit Freunden verbrachte – unvergessliche Momente, die ich immer in liebevoller Erinnerung behalten werde. Gelächter, Späße, Erzählen, das Gefühl zusammenzugehören, hat mich mit Menschen aus allen Ecken der Erde in Verbindung gebracht. Meine Zeit hier hat mir eine neue Sichtweise auf das Leben eröffnet und die Chance gegeben, mich selbst und die Welt um mich herum zu erforschen. Durch die Gespräche mit anderen verstehe ich nun die einzigartigen Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen uns besser.

Gemeinsam für eine bessere Welt unterwegs beim Köln Marathon: Nur eine der Herausforderungen, die ich in diesem Jahr gemeistert habe.

Ein großer Teil des Jahres war damit ausgefüllt, Herausforderungen anzunehmen, meine eigenen Grenzen auch mal zu überschreiten und mich so weiterzuentwickeln. Deutsch lernen, meine Zeit einteilen und einen Marathon laufen – all das war nicht leicht; dennoch hat es mich nicht davon abhalten können, weiterzumachen und sämtliche Grenzen zu überwinden, die ich oft auch in mir selbst errichtet hatte.

Jeder Abschied ist schwer. In solchen Momenten erkennt man, wie wichtig Beziehungen sind, welche Rolle man in seinem Umfeld spielt und wie verbunden man mit den Menschen ist. Zusammenzukommen, um „Auf Wiedersehen“ zu sagen und sich liebevoll zu umarmen, lässt die unterschiedlichsten Emotionen aufsteigen: Freude und Glück, aber auch das Gefühl, alles zurücklassen zu müssen. Niemals werde ich mein Jahr in Deutschland vergessen. All die Erinnerungen, Gefühle, Freundschaften und Erfahrungen haben mich zu dem Menschen gemacht, der ich heute bin. Ich bin mir sicher, diese Lernerfahrungen werden mir in meinem Leben helfen, auch weiterhin die richtigen Entscheidungen zu treffen. So wie diese, nämlich ein Jahr mit dem Reverse-Freiwilligendienst in Deutschland zu verbringen.

Über die Autorin: Jyoti Shukla von der indischen MISEREOR-Partnerorganisation PRAVAH verbrachte im Rahmen des Reverse-Freiwilligendienstes ein Jahr bei einer Partnerorganisation in Deutschland. Das sogenannte Reverse-Programm will interkulturellen Austausch ermöglichen und den Partnerdialog zwischen Globalem Süden und Globalem Norden stärken.

Aus dem Englischen von Jutta Hajek in Zusammenarbeit mit MISEREOR

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Gast-Autorinnen und -Autoren im Misereor-Blog.

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