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Mit Franziskus in Kolumbien

Auf Einladung der Kolumbianischen Bischofskonferenz begleiten wir Papst Franziskus auf seiner Reise und treffen Menschen, die sich für einen dauerhaften Frieden einsetzen.

Von Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer von MISEREOR, Monika Lauer-Perez, Kolumbien-Referentin von Adveniat und Pater Michael Heinz, Hauptgeschäftsführer von Adveniat

Jaime Diaz vom MISEREOR-Partner „Corporacion Podion“ zeigt Pirmin Spiegel die Fotos von Menschen, die ermordet wurden wegen ihres Engagement für eine friedlichere Welt.

Erinnerung an Zeugen des Konflikts: Jaime Diaz vom MISEREOR-Partner „Corporacion Podion“ zeigt Pirmin Spiegel bei ihrem Treffen in Bogotá Fotos von Ermordeten. Foto: Corporacion Podion

Am Tag bevor der Papst in Kolumbien eintrifft, besuchen wir Projekte in Bogotá. Wir besuchen Menschen, die etwas von dem leben, was der Papst sicherlich in diesen Tagen auch bei seinen Besuchen thematisieren wird: den Einsatz für die Ärmsten der Armen und für einen dauerhaften Frieden.

Beeindruckende Menschen in Bogotá

In Bogotá angekommen besuchen wir zuerst drei Ordensschwestern in einem zentral gelegenen Stadtviertel der 8 Millionen Menschen zählenden Hauptstadt Kolumbiens. Sie kümmern sich um Kranke, besuchen sie zu Hause und haben seit einem Jahr eine Herberge für krebskranke Kinder und ihre Angehörigen eingerichtet. Denn arme Familien aus den Kleinstädten und Dörfern fanden kaum eine würdige Unterkunft für ihre kranken Kinder, wenn sie zu Behandlungen in die Großstadt kamen. Mit Hilfe des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat konnte nun ein Haus errichtet werden, wo die Kinder und ihre Angehörigen während der Arztbesuche übernachten und auch essen können. Die Schwestern leben im selben Haus und kümmern sich um die Familien.

Nachahmenswert!

Unsere zweite Station führt uns in das Obdachlosenheim „Casa Papa Francisco“ der Comunidad Apostólica Donum Christi Servidores del Servidor. In einem Rotlichtviertel von Bogotá lebt diese Gemeinschaft, die ihr Leben ganz den Menschen auf der Straße schenkt. Mit der Unterstützung von hunderten Freiwilligen kochen und verteilen sie täglich über 600 Mittagessen, bieten eine Duschgelegenheit und frische Kleidung an und haben für 25 Kinder ein neues Zuhause geschaffen. Dieses große Netzwerk von über 600 Personen ist ein beachtliches Zeugnis der Nächstenliebe. Nachahmenswert!

Friede ist ein langer Weg

Es geht weiter zum MISEREOR-Partner „Corporacion Podion“, wo wir Menschen treffen, die sich über ihre Organisationen für Menschenrechte, Gerechtigkeit und Frieden in Kolumbien einsetzen – und das nicht erst seit gestern, sondern seit Jahrzehnten, jeden Tag immer wieder neu. MISEREOR unterstützt diese Gruppen schon seit Jahrzehnten.

Lebenszeugnisse von Erfolgen und Misserfolgen, Hoffnungszeichen und Neuanfängen, alles trägt dazu bei, dass durch viele kleine Leute, an vielen kleinen Orten, die viele kleine Schritte tun, unsere Welt verändert werden kann. Wir sind in Bogotá mit vielen unterwegs, die hoffen, dass der Friedens- und Versöhnungsprozess unumkehrbar wird und dass die Wurzeln des jahrzehntelangen Krieges angegangen werden.

Die kommenden Monate werden daher entscheidend sein für die Weichenstellung der Zukunft des Landes.

Bogotá: Start der Kolumbienreise von Papst Franziskus

Bogotá ist im Papstfieber und viele Menschen sind schon früh auf den Beinen, um eines der für heute angesetzten Zusammentreffen mit dem Papst zu erleben. Die gespannte Erwartung ist mit Händen zu greifen. Das Programm ist eng getaktet: Ein Treffen mit dem Präsidenten und ranghohen Politikern. Ein Besuch in der Kathedrale und eine Ansprache an die Jugendlichen. Ein erstes Treffen mit den kolumbianischen Bischöfen und anschließend ein weiteres mit Vertretern des CELAM, des Rates der lateinamerikanischen Bischöfe.

Der Morgen vergeht für uns im Gespräch mit dem einen oder anderen der Bischöfe, die aus vielen Ländern angereist sind. Endlich ist es soweit und wir werden mit einem Bus in den Park gebracht, allerdings schon drei Stunden vor Beginn der Messe. Auch diese Zeit nutzen wir zu intensiven Gesprächen mit den anwesenden Bischöfen. Plötzlich öffnet der Himmel seine Schleusen und eine wahre Sintflut geht nieder. Die Menschen ziehen Plastik-Capes über und harren stoisch aus. Genauso plötzlich wird rechtzeitig zu Beginn der Messe der Himmel wieder blau. Den offiziellen Angaben zufolge sind 1,3 Millionen Gläubige gekommen, um den Papst zu erleben. Der Jubel, als Franziskus endlich eintrifft, ist groß. Alles ist perfekt und festlich vorbereitet. Die Stimmung ist andächtig-erwartungsvoll.

Allerdings sieht man auf den riesigen Bildschirmen einen angestrengten Papst. Viele von uns beschleicht die Befürchtung, dass möglicherweise das Alter seinen Tribut fordert. Dennoch zieht Franziskus die Menschen in seinen Bann. Als er während der Messe einige Minuten der schweigenden Andacht fordert, sind 1,3 Millionen Menschen so still, dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können. Beeindruckend!

Villavicencio: Papst Franziskus lässt die Hoffnung auf Versöhnung wachsen

Villavicencio, die zweite Station der Papstreise, ist keine Metropole, sondern das Tor zum riesigen kolumbianischen Tiefland und dem Amazonasgebiet. Auch hier hat man sich auf den Besuch des Papstes bestens vorbereitet. Eine von den Klängen der in dieser Region typischen Harfen und dem mitreißenden Gesang des jugendlichen und farbenfroh gekleideten Chors begleitete Messe, führt uns das Kolumbien abseits der Hauptstadt vor Augen und Ohren.

Der Papst spricht am Anfang seiner Predigt ein wichtiges Thema an: Die Rolle der Frau in der Gesellschaft und den immer noch weit verbreiteten „Machismo“. Damit bringt er das Thema Gewalt ins Spiel und spinnt seinen Faden von der Gewalt hin zur Versöhnung weiter. Allen Menschen, so mahnt er, müsse die Tür zur Versöhnung geöffnet werden – ohne Ausnahme. Dazu braucht es Menschen, die den Mut haben, den ersten Schritt in diese Richtung zu gehen. „Jeder von uns kann das tun!“ Ausreden lässt Papst Franziskus nicht gelten.

Vertreter der über hundert indigenen Völker Kolumbiens haben sich aus allen Teilen des Landes aufgemacht, um ihre Anliegen zu Gehör zu bringen. Sie übergeben dem Papst ein Geschenk und erinnern an die Wichtigkeit, die Natur zu respektieren und zu schützen. Franziskus ruft uns allen, die wir die Natur ausbeuten und ihr Gewalt antun, dazu auf, uns auch mit der Natur zu versöhnen. Aufrüttelnd!

Nachmittags sind 6000 Opfer versammelt. Sie geben dem Wunsch und dem Willen zur Versöhnung Gesicht und Stimme. Vier von ihnen erzählen ihre erschütternden Erlebnisse und berichten von ihren ersten Schritten zur Versöhnung: ein ehemaliger FARC-Kämpfer, eine Frau, die sich den Paramilitärs angeschlossen hatte, eine Afrokolumbianerin, die Opfer der Gewalt durch die Guerilla wurde und eine Frau, deren Tochter entführt und getötet wurde und deren zwangsrekrutierter Sohn im Kampf gefallen ist. Sie legen Symbole ihres Schmerzes als Zeichen der Versöhnung vor einem schwarzen Christus ab, dem eine Bombe Arme und Beine abgerissen hat. Er stammt aus einer Kirche, in der eines der größten Massaker in der Geschichte des an Opfern so reichen Bürgerkriegs stattgefunden hat. Franziskus dankt ihnen. Jedes einzelne seiner sehr persönlichen Worte ist ein eindrücklicher Aufruf zur Versöhnung. Kaum jemand kann sich der Hoffnung entziehen, dass Versöhnung tatsächlich möglich ist. Sie keimt in diesem Moment fast körperlich spürbar auf.

Es werde, so der ebenfalls anwesende Vizepräsident Kolumbiens, im Friedensprozess eine Zeitrechnung vor und nach dem Besuch des Papstes geben. Wir haben in diesem Moment gespürt, dass ein großer Schritt in Richtung Versöhnung in vielen Herzen gegangen wurde.

Danke, Papst Franziskus, für die mitfühlenden und niemanden verurteilenden Worte und Gesten und das, was sie in vielen von uns auslösen. Ergreifend!

Ein Beitrag von Monika Lauer-Perez, Kolumbien-Referentin von Adveniat, Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer von MISEREOR und Pater Michael Heinz, Hauptgeschäftsführer von Adveniat


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Rückblick auf unsere Reise durch Kolumbien

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Pirmin Spiegel ist Hauptgeschäftsführer bei Misereor. Bevor er 2012 zu Misereor kam, war er 15 Jahre in Brasilien als Pfarrer tätig und bildete in verschiedenen Ländern Lateinamerikas Laienmissionare aus.

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