Vor zwei Jahren waren wir auf Wandertour in Schweden. Was meinen 12-jährigen Sohn dabei beeindruckte, waren weder die wunden Füße noch das Schlafen am Feuer, sondern eine frisch gefüllte, volle Pulle: Als wir am zweiten Tag kein Wasser mehr hatten, ging ich bei der Rast an einem See ans Ufer, tauchte die Flasche unter und setzte sie an. Einfach so. Gluckgluck. „Du trinkst das Wasser aus dem See?“, fragte mein Sohn ungläubig.
Ich gebe zu, es war ein bisschen grün. Aber mir passierte nichts – entgegen der Annahme, dass Wasser aus dem Hahn kommen muss, um es zu trinken. Im Wannsee oder in der Elbe schwimmen? Vielleicht, aber dann heißt es: „Mund zu!“ Auch die Expertin vom Umweltbundesamt schüttelt sich: „Unbehandeltes Wasser aus deutschen Flüssen würde ich nicht trinken“, sagt sie. E. coli Bakterien aus den Kläranlagen können für Bauchschmerzen sorgen.
Dabei würden sich Millionen von Menschen darum reißen, ihren Durst aus dem Bodensee zu stillen. Fast 160 Millionen Menschen weltweit, das Doppelte der Einwohnerzahl Deutschlands, sind gezwungen Wasser aus oberirdischen Gewässern wie Flüssen, Seen und Teichen zu trinken, sagt die Weltgesundheitsorganisation WHO – und zwar aus deutlich trüberen Wasser als unseren heimischen Seen. Über zwei Milliarden Menschen haben keinen direkten Zugang zu sicherer Wasserversorgung. Jedes Jahr sterben 500.000 Menschen an Durchfall, der von schlechtem Wasser kommt. Und trotz Problemen mit Pestiziden und Arzneimitteln im Grundwasser: Fast überall hat in Deutschland Wasser aus dem Hahn beste Qualität.
Welcher Luxus das ist, merkt man erst, wenn man in fremden Ländern den Wasserhahn aufdreht und Chlor oder Schlimmeres riecht. Denn selten wird die globale Ungleichheit so deutlich wie beim Wasser. Während wir zwischen stillem und lautem Mineralwasser wählen, fehlt in vielen Teilen der Welt selbst der tägliche Schluck aus der Pulle. Das liegt nicht nur daran, dass diese Gegenden wasserarm sind. Oft wird das kostbare Nass auf den Feldern verschwendet, es wird vergiftet von der Industrie oder es wird vernachlässigt, Leitungen in die Armenviertel zu bauen.
Nicht umsonst ist Zugang zu sauberemWasser eines der wichtigsten Entwicklungsziele der UN. Aber diese „Nachhaltigen Entwicklungsziele“ gelten für alle, nicht nur für die Armen. Es geht nicht nur darum, in Mali Brunnen zu bohren. Sondern auch darum, Technik zu entwickeln, die Wasser spart und diese den Armen zur Verfügung zu stellen – und Regierungen und Unternehmen zu verpflichten, die Bevölkerung mit sauberem Wasser zu versorgen.
Aber wir sollten auch vor der eigenen Haustür im Trüben fischen. Ein Jahr nach unserem Wander-Abenteuer war ich mit meinem Sohn auf der Havel paddeln. Die Gegend nördlich von Berlin sieht mit ihren Seen, Wäldern, Wiesen und Sümpfen schon ein bisschen aus wie Schweden. Aber das Havelwasser trinken? So durstig waren wir dann doch nicht.
Über den Autor: Bernhard Pötter arbeitet als Redakteur für Wirtschaft und Umwelt bei der Tageszeitung taz in Berlin. Seine Themen sind vor allem Klima, Energie und Entwicklung im weltweiten und nationalen Maßstab – und die Querverbindungen dazwischen. Auf vielen Reisen hat er begriffen: Ohne Armutsbekämpfung und gutes Regieren gibt es keinen Umweltschutz und keinen Frieden.
Dieser Artikel erschien zuerst im MISEREOR-Magazin „frings.“ Das ganze Magazin können Sie hier kostenfrei bestellen >
Der Artikel von Misereor über das Fischen im Trüben hat mich als Angler nachdenklich gestimmt. Es ist wichtig, dass wir uns bewusst sind, dass unser Handeln Auswirkungen auf die Umwelt und andere Menschen hat, und dass wir uns unserer Verantwortung als Anglerinnen und Angler bewusst sind. Der Artikel verdeutlicht, dass wir uns nicht nur um unseren eigenen Erfolg und unsere eigene Beute kümmern dürfen, sondern auch um die Folgen unserer Handlungen für die Umwelt und die Gesellschaft. Insgesamt ein wichtiger Appell, sich als Anglerinnen und Angler verantwortungsbewusst zu verhalten und unsere Handlungen immer wieder zu reflektieren.