Seit 60 Jahren setzt sich MISEREOR für Menschen ein, denen ein Leben in Würde, Freiheit und Sicherheit verwehrt ist. Als einmalige Aktion gestartet hat sich MISEREOR zum größten katholischen Werk für Entwicklungszusammenarbeit der Welt entwickelt.
Alles begann mit einer Rede zur Zeit des Wirtschaftswunders. Als der Wohlstand in der deutschen Bevölkerung sichtbar wurde, stellte Joseph Kardinal Frings den deutschen Bischöfen in Fulda die zentrale Frage, die letztlich zur Gründung MISEREORs führte: Was können wir gegen Ungerechtigkeit und ungleiche Lebenschancen in der Welt tun?
Den Mächtigen vom Evangelium her ins Gewissen reden
Sein Vorschlag an die Vollversammlung der Bischöfe: Ein Bischöfliches Werk, das Hunger und Krankheit in der Welt bekämpft. Dabei ging es „nicht um ein Mittel der Mission“, sondern um Hilfe „ohne Unterschied der Glaubenszugehörigkeit“. Eine wichtige Aufgabe des Werkes sah er darin, den Menschen ins Gewissen zu reden: Jedem Bürger, jeder Bürgerin, damit sie durch „Werke der Barmherzigkeit“ und persönlichen Verzicht die Armen im Kampf gegen Hunger und Krankheit unterstützen. Und: Den „Mächtigen der Erde“, den Meinungsträgern, den Reichen und Regierungen, damit sie ihre Entscheidungen zum Wohle des Menschen einsetzen. Von Beginn an liegt MISEREOR somit auch ein politischer Auftrag zugrunde.

Das Plakat der ersten MISEREOR-Fastenaktion 1959 unter dem Leitwort „Gebt ihr ihnen zu essen“ © MISEREOR
Die erste Fastenaktion 1959 mit dem Leitwort „Gebt ihr ihnen zu essen“ war ein voller Erfolg. Über 34 Millionen Deutsche Mark kamen an Spenden zusammen. Zunächst sollte die Aktion nur ein paar Jahre gehen, 1967 beschloss die Deutsche Bischofskonferenz jedoch eine Fortführung auf unbestimmte Zeit. Das erste MISEREOR-Projekt förderte ein Leprazentrum in Indien.
Meilensteine
Immer wieder stieß MISEREOR wichtige politische Veränderungsprozesse an und begleitete diese durch Kampagnenarbeit. Beispielsweise prangerte das Werk während der Fastenaktion 1983 das Apartheitsregime und den Rassismus in Südafrika an. Ganz zum Missfallen des damaligen bayrischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, der sich beim Vorsitzenden der Bischofskonferenz beschwerte. Doch das Werk blieb standhaft in seiner Kritik, und die Geschichte hat ihm letztendlich Recht gegeben. Auch wenn Rassismus weltweit immer noch verbreitet ist, wurde zumindest das Unrecht des Apartheitsregimes beseitigt.
Aufsehen erregte MISEREOR 1996 auch mit der gemeinsam mit dem Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) herausgegebenen Studie „Zukunftsfähiges Deutschland“. Diese forderte eine radikale Reduzierung des Energie- und Materialverbrauchs um 80 bis 90 Prozent. Der Widerspruch aus Landwirtschaft und Industrie ließ nicht lange auf sich warten. Heute sind viele Positionen aus der Studie weitgehend Konsens. Drastische Reduktionsziele für Klima-Emissionen stehen sogar im Koalitionsvertrag der Bundesregierung.
MISEREOR gehört zu den Pionieren des Fairen Handels und sorgte 1973 für die die Einfuhr des ersten fair gehandelten Kaffees über die Niederlande nach Deutschland ein. Nach der Gründung der GEPA The Fair Trade Company im Jahre 1975 beteiligte sich MISEREOR im Rahmen der Fastenaktion 1978 am Verkauf von Jutetaschen unter dem Motto „Jute statt Plastik“, das heute in aller Munde ist. Damals wurden Jutetaschen aus Bangladesch mit dem Slogan „Jute statt Plastik“ zum Symbol für einen anderen Lebensstil. Was damals als bewusstseinsbildende Kampagne startete, spiegelt sich jetzt im Verzicht auf Plastiktüten wider.
„Mit langem Atem für mehr Gerechtigkeit“
Es braucht meist einen langen Atem und starken Willen, um gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen. Doch diese kleinen und großen Erfolge sowie die teilweise Verbesserung der Lebensbedingungen in den Partnerländern des globalen Südens, zeigen, dass MISEREOR auf einem guten Weg ist. In Zukunft wird der Umgang mit dem Klimawandel und eine nachhaltige Lebens- und Wirtschaftsweise, die im Einklang mit der Natur und den Menschen verläuft, eine der zentralen Herausforderungen für MISEREOR und seine Partner sein.