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Landwirtschaft: Für Junge ist es fast unmöglich, Land zu bekommen

Jährlich nutzt das „Pesticide Action Network Asia Pacific“ (PAN AP) die Zeit um Erntedank, um auf das Thema Agrar- und Ernährungspolitik, Agrarökologie und engagierte, junge Initiativen in der Landwirtschaft aufmerksam zu machen. 2018 unterstützt MISEREOR sie dabei: Gemeinsam legen wir 16 Tage lang den Fokus auf die Frage: Wie sieht eine zukunftsfähige und nachhaltige Landwirtschaft für alle aus? Dazu haben wir mit Landwirtinnen und Landwirten in Deutschland, Asien und Lateinamerika darüber gesprochen, vor welchen Herausforderungen sie stehen und was sich ändern muss, damit junge Landwirte eine Perspektive haben.

Ein Bauer aus Paraiba, Brasilien, wässert sein Gemüsefeld. Foto: Eduardo Jalil Soteras/MISEREOR

Unsere Gesprächspartner:

  • Robson Guido Morão Prado, 28 Jahre alt, Landwirt aus Vila Bela da Santíssima Trindade in Brasilien. Robson baut auf rund 65 Hektar Obst und Gemüse für die Fruchtmuszubereitung an, hält Milchkühe und Vieh. Der Hof ist ein Familienbetrieb, der ohne Angestellte auskommt.
  • Njan Trang, 21 Jahre alt, konventionelle Landwirtin aus Vietnam. Njan baut Kaffee und Reis an, sie hat keine Angestellten.
  • Catharina von Hoegen aus Dorff, 26 Jahre alt, seit 2015 Bio-Landwirtin. Catharina und ihr Vater Christoph haben einen Angestellten, bewirtschaften aktuell rund 100 Hektar und der Hof wird seit mehr als vier Generationen von der Familie geführt.

Was sind wesentliche Herausforderungen für Ihren Betrieb?

Robson Prado: Dass wir ökologisch eine Produktion sichern wollen, die im „Einklang“ mit der Umwelt ist, denn wir spüren in unserer Region längst die Klimaveränderungen. Das betrifft sowohl die Temperatur als auch den Regen. Ökonomisch geht es für uns darum, unserer Produkte auf gerechtere Weise verkaufen zu können: Es ist nämlich sehr schwierig, die Einkünfte zu stabilisieren, da uns der Markt immer stärker geißelt.

Njan Trang: Ökonomisch ist die Situation für mich sehr unsicher; das liegt sowohl an den Wetterveränderungen aber auch der Ernte, die mal gut, mal schlecht ist. Und vor allem am schwankenden Marktpreis. Mein Ziel ist es, meine Anbauprodukte zu diversifizieren – vor allem Früchte und ich möchte ein „sauberes“ Arbeitsumfeld, indem es nicht nach Pestiziden und Chemikalien riecht, wenn ich meinen Garten betrete. Saisonal anzubauen würde mir helfen, ein stabileres Einkommen zu haben.

Catharina von Hoegen aus Dorff ist seit 2015 Bio-Landwirtin. Foto: MISEREOR

Catharina von Hoegen: Herausfordernd ist, dass wir nur bedingt von Subventionen profitieren. Diese sind quasi ein „Durchlaufposten“ und gehen direkt an die Verpächter. So sind wir abhängig von äußerer Hilfe. Lieber wäre uns, wenn die Preise nachhaltig wären und uns erlauben würden, die Pacht aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Auch darf der Milchpreis nicht unter die Produktionskosten fallen. Wegen der Gesetzeslage ist auch Direktvermarktung kaum möglich: Denn unsere Milch darf den Hof nicht unbehandelt verlassen. Ökonomisch sind wir jetzt zwar gut aufgestellt, die Kreisläufe stimmen, die Umstellung ist uns gut gelungen, aber wenn Bio wirklich ein Massentrend wird, ohne dass sich gleichzeitig das gesamte Ernährungssystem verändert, wird es schwierig für uns. Denn es ist nicht möglich, mit den hier verfügbaren ökologischen Ressourcen, Überschüsse für den Export zu produzieren. Zudem wird das Land knapper, Spekulationen und Aufkauf sind die Folge. Ökologisch ist der Klimawandel die Herausforderung: Weniger Regen heißt weniger Ernte.

Was ist Ihre Motivation für die Arbeit in der Landwirtschaft, wie zufrieden sind Sie?

Trang: Für mich geht es zu aller erst darum, Geld zu verdienen und mit der Landwirtschaft mein Überleben zu sichern – auch wenn ich dabei nicht wirklich zufrieden bin. Die Arbeit ist lang und körperlich hart, das Wetter immer unbeständiger und der Preis für meine Produkte ebenso. Aber: Wir brauchen wie Ingenieure oder Ärzte auch Bauern, die die Menschen mit Nahrungsmitteln versorgen. Wichtig wäre, dass Produkte auch in unserem Land weiterverarbeitet werden um damit auch ihren Wert hier zu steigern – und nicht in den USA.

von Hoegen: Mich motiviert das Traditionsbewusstsein, und: Es wäre schlimm, wenn die Landwirtschaft aussterben würde und wir die Entwicklungsländer „zwingen“ würden, alle Nahrungsmittel für uns zu produzieren. Hier bin ich sehr frei und selbständig aufgewachsen mit der Natur. Meine Arbeit gefällt mir.

Robson Guido Morão Prado, Landwirt aus Brasilien, baut auf rund 65 Hektar Obst und Gemüse für die Fruchtmuszubereitung an, hält Milchkühe und Vieh. Foto: FASE

Prado: Die große Motivation ist für mich, das zu tun, was ich gerne mag und von klein auf gelernt habe. Das bringt mir viel Ruhe und Zufriedenheit. Für mich ist wichtig in dem Beruf zu bleiben, um zu zeigen, wie wichtig die familäre Landwirtschaft für unser Land ist. Dass es möglich ist, damit Einkommen zu erwirtschaften und auf gesunde und nachhaltige Weise zu produzieren und so bessere, würdige Lebensbedingungen zu garantieren. Nicht nur für uns, die wir hier produzieren, sondern für die gesamte Gesellschaft.

Was müsste sich ändern, um die Lage der Landwirtinnen und Landwirte zu verbessern?

von Hoegen: Eine Gesetzesänderung könnte uns jeden Moment alles kaputt machen. Die Gesetze in Deutschland und der EU sind nicht aufeinander abgestimmt: Die Dünge- und die Ökoverordnung passen nicht zusammen. Ein Beispiel: Wenn wir Gülle abgeben müssen und kein Biobetrieb diese will, müssen wir an konventionelle Betriebe verkaufen. Das wird uns dann so angerechnet, als hätten wir sie selbst ausgebracht, wir selbst müssten dann wegen Überdüngung Strafe zahlen. Um wirklich im Kreislauf zu arbeiten müssten wir selbst Futter (z.B. Mais) anbauen. Das wiederum dürfen wir nicht, da wir kein Grünland in Ackerland umwandeln dürfen. Auch die Dominanz der Einzelhandelsketten ist für den Preis ein großes Problem. Um die Freude und Leidenschaft an der Arbeit zu steigern, wünsche ich mir mehr gesellschaftliche Wertschätzung. Wir werden häufig von Spaziergängern oder in den Medien beschimpft. Es gibt Falschberichte, Verleumdungen wegen Nitrat, wir gelten als Umweltverpester und Tierquäler. Sogar das Bildungssystem prangert uns Bauern an. Dabei haben wir insgesamt ein krankes System, wenn die Lebensmittelpreise so niedrig liegen.

Njan Trang, 21, baut Kaffee und Reis in Vietnam an.

Trang: Über Landwirtschaftspolitik in unserem Land weiß ich nicht viel, aber was ich weiß ist, dass die Menschen zunehmend über „saubere“ Landwirtschaft sprechen: organisch, pestizidfrei und zu Hause angebaut statt aus dem Supermarkt. Über organisch angebauten Kaffee habe ich noch nichts gehört. Ändern würde ich, dass die Wertschöpfung eines Produktes „zu Hause“ stattfindet, damit ich mehr davon habe. Zudem würde ich meine Produkte gerne direkt an den Kunden verkaufen und nicht erst über Zwischenhändler.

Prado: Früher lebten mehr Menschen auf dem Land, heute wurde der Großteil der hiesigen Grundstücke von einer einzigen Person aufgekauft, die nicht hier lebt. Das hat die Beziehungen im Dorf und die Art der Arbeit sehr verändert. Überall ist die primäre Einkommensquelle der Familien Viehhaltung, viele bauen nicht mal mehr Mais für den Eigenkonsum an. Das schafft eine große Abhängigkeit der Menschen von einer einzigen Einkommensquelle. Viele sehen sich gezwungen, ihr Land zu verkaufen und in die Stadt zu ziehen.Wir brauchen daher dringend mehr Anreize, dass die Menschen auf dem Land bleiben, vor allem die Jugend. Dafür braucht es bessere Strukturen, Zugang zu Krediten, technischer Unterstützung und Ausbildung. Es bleibt eine Produktionsweise, die dem Land schadet, kaum Jobs schafft und unsere Erde, unser Wasser und unsere Luft vergiftet. Für Junge ist es fast unmöglich, Zugang zu Land zu bekommen. Dem begegnet die Politik überhaupt nicht. Die Bodenspekulation macht den ländlichen Raum zu einem Konfliktraum, der von den Reichen dominiert wird. Deswegen brauchen wir ein neues Landwirtschaftsmodell. Es muss für die Landbevölkerung und die Umwelt gerechter sein.  Dieses Modell gibt es für mich schon und es hat sich schon bewiesen und bewährt: Die Agrarökologie.

Die Interviews führten Hermann Rupp und Madalena Ramos Görne.


Weitere Informationen

Veranstaltungen, Partnerstimmen, Misereor-Projekte und Publikationen zum Thema „Vielfalt“ rund um die „16 days of global action“ finden Sie in unserem Online-Dossier

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Rebecca Struck hat als persönliche Referentin von MISEREOR-Chef Pirmin Spiegel gearbeitet.

1 Kommentar Schreibe einen Kommentar

  1. Avatar-Foto

    Machen weiter so! Es gibt schon sehr viele Menschen , die Sie unterstützen wollen . Machen Sie mehr Veröffentlichungen über Agraökologie, damit sich Ihre Idee wie ein Flächenfeuer ausbreitet! Werden Sie viele, die nicht mehr überhört werden können!!!!!

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