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Ein wichtiges Zeichen der Solidarität in Ost-Beirut

Man sieht sie nicht und man hört sie nicht, doch sie ist gegenwärtig. In den Gesichtern, die uns bei unserem Besuch in der Krankenstation der Schwestern zum Guten Hirten anschauen, bemerken wir sie – die Armut. Viele Blicke der Frauen erzählen Geschichten von Entbehrung, Not und Traurigkeit. Die meisten von ihnen, die schwanger oder mit ihrem Kind im Arm die Sprechstunde von Dr. Ahmed besuchen, sind Flüchtlingsfrauen aus Syrien oder aus dem Irak.

© Stahl / MISEREOR

Die Frauen sind unauffällig gekleidet, keine von Staub bedeckten flüchtenden Menschen, die wir von den Fernsehbildern kennen. Sie erhoffen sich Hilfe für ihr krankes Kind oder bekommen die notwendigen Impfungen, um sich und ihr noch ungeborenes Kind zu schützen. Die Krankenstation in dem unscheinbaren Containergebäude mit schmucklosem Wellblechdach und schmutzigem Außenanstrich liegt im Stadtviertel Jdeideh-Roueissat, einem der vielen sozialen Brennpunkte in Libanons Hauptstadt Beirut. Hier genau auf der Grenze, wo die Wohnviertel der Christen und Schiiten aufeinandertreffen, muss man wissen, wo man ist. Im eher christlichen Viertel Jdeideh ist das Fotografieren kein Problem, ein Foto in dem überwiegend von der Hisbollah kontrollierten Stadtteil Roueissat kann große Probleme machen. Auch 28 Jahre nach dem Ende des Bürgerkrieges ist das Leben der Menschen in Beiruts Stadtvierteln eng nach religiöser Zugehörigkeit getrennt, 18 anerkannte Konfessionen gibt es im Libanon. Wir wollen die Schwestern, die Mitarbeitenden, die Patienten und uns nicht gefährden und lassen draußen vor dem Container unsere Kameras in der Tasche stecken. Schwester Antoinette leitet die Krankenstation und stellt uns ihrem Mitarbeiterteam vor, das aus Ärztinnen, Ärzten, Krankenschwestern und Helferinnen besteht.

© Stahl / MISEREOR

In der Krankenstation haben die Patientenzahlen in den letzten Jahren mit Beginn der Syrienkrise stark zugenommen. Neben syrischen und irakischen Flüchtlingen finden auch viele libanesische Bewohner der hiesigen Stadtviertel die dringende benötigte Gesundheitsversorgung, die sie sich sonst nicht leisten könnten. Rund 1.500 Menschen besuchen jeden Monat die Krankenstation. Es macht für die meisten, die hierhin kommen, einfach den Unterschied: Seit die Vereinten Nationen ihre Hilfe für jeden Flüchtling reduziert haben und auch der libanesische Staat die Basisgesundheitsversorgung nicht mehr sicherstellen kann, rutschen immer mehr Familien in die Armut ab. Mehr als ein Viertel der libanesischen Familien lebt unterhalb des Existenzminimums.

Gefragt, ob die Patienten ihre Behandlung bezahlen können, schüttelt Sr. Antoinette den Kopf. „Die Menschen sind zu arm, um die Leistungen, die sie bei uns bekommen, zu bezahlen. Doch sie entrichten einen symbolischen Betrag, der ihnen das Gefühl vermittelt, nicht als Bittsteller zu kommen. Das ist wichtig, damit sie nicht auch noch ihre Würde verlieren“. Draußen am Eingang des Dispensariums hängt ein Schild mit einem arabischen Spruch. Schwester Antoinette übersetzt ihn für uns. Er lautet: „Religion ist für Gott, aber dieser Platz ist für jedermann.“ Wie wahr in diesem sensiblen Umfeld.

© Stahl / MISEREOR

Wir verabschieden uns und sind froh, dass MISEREOR mit Unterstützung deutscher Spenderinnen und Spender am Stadtrand von Beirut ein wichtiges Zeichen der Solidarität mit den Menschen setzen kann.


Mehr erfahren…

…über unsere Projektarbeit mit Flüchtlingen im Libanon >

Im Libanon suchen die meisten syrischen Flüchtlinge Schutz – kein anderes Land nimmt so viele Syrienflüchtlinge auf. MISEREOR-Partnerorganisationen betreuen und versorgen die Menschen. Flüchtlingskindern helfen sie, traumatische Erlebnisse zu überwinden.


…über das Thema „Flucht“ in unserem Dossier „Flüchtlingsarbeit – den Weg bereiten aus Angst und Not“>

68,5 Millionen Menschen sind heute auf der Flucht. Mehr als jemals zuvor. Jeder einzelne dieser Flüchtlinge hat einen ganz persönlichen Weg hinter sich. MISEREOR steht Flüchtlingen auf diesem Weg bei. Unsere Partnerorganisationen leisten Hilfe für Flüchtlinge im Nahen Osten, in Afrika, Asien und Lateinamerika. 


Flüchtlinge im Libanon: Halt finden im Leben durch Bildung

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Michael Stahl ist ein ehemaliger Mitarbeiter von MISEREOR und war zuständig für Partnerschaften und Spenderkontakte.

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