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Auf dem Weg zur Amazonas-Synode: Alles ist miteinander verbunden!

“Wahrscheinlich waren die autochthonen Völker Amazoniens in ihren Territorien nie derart bedroht, wie sie es heute sind.” Papst Franziskus sprach, als er sich im Januar 2018 zur Vorbereitung der Amazonien-Synode mit Vertreterinnen und Vertretern der verschiedenen Völker Amazoniens traf, davon, dass ihre Leiden endlich „gehört“ werden müssen.

Auch die kleine Stadt Mirituba droht in den Fluten des Riesenstaudamms am Tapajós, ein Seitenarm des Amazonas, unterzugehen. © Kopp | MISEREOR

390 Völker und Nationalitäten mit fast drei Millionen Menschen leben heute in der Amazonas-Region. Immer wieder geben Regierungen Lateinamerikas vormals geschützte Gebiete für den Bergbau frei. Die Intensivierung der Weide- und Landwirtschaft für den Export-von Fleisch oder Gensoja führen zu Vertreibung, massiven Landkonflikten und der willkürlichen Abholzung des Waldes. Diejenigen, die durch den Bergbau oder die Erdölindustrie vertrieben wurden, stranden sprichwörtlich in den Peripherien der Städte. Oftmals ohne Besitz und Papiere blicken sie in eine schwere Zukunft und werden kriminalisiert. Die Sonderversammlung der Bischofssynode für das Amazonasgebiet im Oktober dieses Jahres findet aber auch in einer global von Krisen geprägten Zeit statt: Politiken nach dem Prinzip “Amerika-First” erstarken weltweit, Biodiversität und Artenvielfalt gehen zurück, der Klimawandel führt bereits jetzt zu irreversiblen Folgen, zivilgesellschaftliche Räume werden zunehmend eingeschränkt und unveräußerliche Menschrechte geraten in die Defensive.

Amazonien spiegelt uns schließlich einen Planeten, der von unterschiedlichsten Interessen schier zerrissen wird. Was zurückbleibt, ist zerstörte Erde und eine Bevölkerung, der es schlechter geht als zuvor. Mit diesen Völkern sind wir alle bedroht: die Armen und die Anderen, die Natur und die ganze Schöpfung. Nehmen wir Amazonien als „die grüne Lunge unseres Planeten“ ernst, müssen wir deutlich vor Augen haben: In absehbarer Zeit kann uns allen die Luft ausgehen.

Daniel und Osvalinda Alves ziehen Goiaven-Setzlinge. Nach den Prinzipien der Agroforstwirtschaft betreiben sie einen Bauernhof in Asentamento Areia im Bundesstaat Pará, Brasilien. © Kopp | MISEREOR

Ver- bzw. Aushandeln ist daher keine Option mehr. Wir müssen den Schrei und die Entrüstung der Betroffenen, den Schrei unserer Erde endlich hören. Die Kirche hat sich auf den Weg gemacht, den kolonialen Geist des Globalen Nordens zu überwinden, indem sie Zerstörung von Mensch und Mitwelt benennt, das Überstülpen kultureller Konzepte zu überwinden versucht und stattdessen auf die Lebenshaltungen, Träume und Weisheiten der originären Völker hört. Wir brauchen in unseren Kirchen und Parlamenten die Gesichter und Stimmen dieser Menschen Amazoniens, deren Leiden in ihre Geschichte eingeprägt sind.

Vom 25. bis 27. Februar habe ich an einem Studienseminar zur Vorbereitung der Amazonas-Synode in Rom teilgenommen, bei der Expertinnen und Experten aus Lateinamerika und der gesamten Weltkirche präsent waren. Unter ihnen viele Bischöfe und Kardinäle. Unser gemeinsames Ziel war es, über den Weg hin zu einer „integralen Ökologie“ nachzudenken – einen neuen Weg zu finden, die tiefe Beziehung zwischen allen Lebewesen besser zu verstehen. Ebenso über eine inkulturierte Kirche  Amazoniens, die Kultur und Identität ihrer originären Bewohner wertschätzt.

Unsere Partnerorganisationen in Amazonien sind inspirierendes Beispiel dafür, die kulturelle und soziale Identität der indigenen Völker und Bewohner Amazoniens zu erhalten. Sie schaffen Räume des Austausches, in denen Traditionen, Lebens- und Arbeitsweisen gepflegt werden und schützen konkrete Gebiete, um dies zu ermöglichen. Wir sind Lernende im respektvollen Umgang mit der Schöpfung und müssen uns von einer Vorstellung von Fortschritt und Entwicklung lösen, die nicht zukunftsfähig sind, weil sie auf einen Extraktivismus setzen, der von Mensch und Natur nimmt, aber zu wenig zurückgibt. Ich hoffe, dass die Kirche durch den Prozess der Synode die Kraft hat, die „mutigen Vorschläge“ und Impulse von Papst Franziskus in Realität zu verwandeln, denn wir sind Beschützer der Welt und nicht Räuber, um Schönheit zu säen und nicht Verseuchung und Zerstörung (vgl. LS 246).

Ich bin überzeugt, dass die Synode mehr sein wird als eine Sonderversammlung kirchlicher Akteure zu innerkirchlichen Angelegenheiten. Am konkreten Beispiel der Bewohnerinnen und Bewohner Amazoniens und ihres Lebensraumes, des Regenwaldes, werden grundlegende politische, wirtschaftliche, theologische und pastorale Fragen mit integraler Perspektive  auf der Tagesordnung stehen.

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Pirmin Spiegel ist Hauptgeschäftsführer bei Misereor. Bevor er 2012 zu Misereor kam, war er 15 Jahre in Brasilien als Pfarrer tätig und bildete in verschiedenen Ländern Lateinamerikas Laienmissionare aus.

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