2016 wurde bekannt, dass die mosambikanische Regierung die Schulden dreier staatlicher Unternehmen in Höhe von rund 2 Milliarden US-Dollar vor dem Internationalen Währungsfonds und den internationalen Gebern versteckt hatte. Ein erheblicher Teil des Geldes, das von der Schweizer Bank Credit Suisse und der russischen VTB-Bank auf dem Kapitalmarkt eingesammelt worden war, landete bei einer fragwürdigen Vermittlungsfirma, die beste Verbindungen zu mosambikanischen Regierungsmitgliedern hat. Die „versteckten Schulden“ stürzten Mosambik in eine Finanzkrise.
Herr Selemane, wer trägt die Hauptverantwortung für den Schuldenskandal?
Thomas Selemane: Unserem Verständnis nach sind sowohl die Gläubiger als auch die Regierung (FRELIMO oder mosambikanische Befreiungsfront) für die Schuldenkrise verantwortlich. Und auch die internationalenEntwicklungsorganisationen, die in Mosambik aktiv sind, haben nichts getan, um den Menschen bei der Überwindung der Krise zu helfen.
Welche Auswirkungen hat die Finanzkrise für die Bevölkerung?
Selemane: Vor allem fehlt es an Basisdienstleistungen für die Armen. Der Schulden-Skandal führte zu Kürzungen bei der Auslandshilfe, daher hatte der Staat ein weitaus geringeres Budget zur Verfügung, um die Bedürfnisse der Armen zu erfüllen. Einige Wirtschaftsfachleute betonen, dass das meiste Geld für jene Bereiche zur Verfügung gestellt werden müsse, die für soziale Dienstleistungen wie Gesundheit, Bildung, Wasser- und Sanitärversorgung verantwortlich sind. Was richtig ist. Aber es ist auch richtig, dass es keinen Sinn macht, weiter in diese Bereiche zu investieren, wenn die Regierung des Landes instabil ist.
Wie hat die Zivilgesellschaft auf den Finanz-Skandal reagiert? Gab es Proteste und Forderungen, die Geschehnisse aufzuarbeiten?
Selemane: Eine Gruppe von Nichtregierungsorganisationen hat sich an die Gläubiger gewandt, um eine Streichung und Neubewertung der Schulden zu erreichen. Zudem wurde eine Petition beim Verfassungsrat eingereicht. Darin wird gefordert, dass die Schulden für verfassungswidrig erklärt werden. Durch die Klage der USA (gegen drei ehemalige Mitarbeiter der Credit Suisse) wird nun sehr viel deutlicher, dass das mosambikanische Volk den beteiligten Banken Credit Suisse und VTB sowie den amerikanischen Investoren nichts schuldet. Es sind der ehemalige Finanzminister Manuel Chang und seine Vertrauten, die den Banken das Geld schulden.
Wer hat davon profitiert, dass Mosambik im Rahmen der HIPC/MDRI-Entschuldungsinitiative 2000 und 2005 weitgehend die Schulden erlassen wurden?
Selemane: Verschiedene Gutachten, die von internationalen Entschuldungsorganisationen und der lokalen Entschuldungsinitiative Mosambique Debt Group erstellt wurden, kommen zu dem Schluss, dass der Schuldenerlass vor allem der Mittel- und Oberschicht in Mosambik zugute kam. Diese wirtschaftlichen Eliten decken sich mit jenen Geschäftsleuten, die mit der FRELIMO-Regierung verbunden sind. Sie halten alle wirtschaftlichen Fäden in der Hand: seien es Geschäfte oder Top-Jobs beim Staat oder in staatlichen Unternehmen.
Angesichts der Verflechtungen, die Sie gerade geschildert haben, wäre da ein neuer Schuldenerlass zum jetzigen Zeitpunkt der richtige Weg?
Selemane: Es gibt in Mosambik derzeit weder die Diskussion noch den Willen für einen neuen Schuldenerlass. Was die Mosambikaner wollen, ist eine vollständige Aufklärung des Schuldenskandals. Die Bevölkerung in Mosambik sollte nicht für illegale Schulden verantwortlich gemacht werden, die dem Land nicht zugutegekommen sind. Diejenigen, die die Kreditverträge unterzeichnet haben, müssen dafür geradestehen.
Wie lässt sich generell die Zivilgesellschaft stärken, auch im Hinblick auf die zunehmenden Konflikte um Land? Und was trägt ihre Organisation, die Interdiözesane Reflexionsgruppe (GRI), dazu bei?
Selemane: Die Organisationen, mit denen ich zusammenarbeite, GRI und Observatório do Meio Rural (OMR), tun ihr Bestes, um das Land in Bezug auf die sozialökonomische Entwicklung auf einen guten Weg zu bringen. Wir veröffentlichen Studien und Analysen und setzen uns für ein besseres Landmanagement ein. Der Beitrag der GRI ist in das Engagement der mosambikanischen Bischofskonferenz eingebunden. Wir erstellen Analysen und Forschungen, um die Bischöfe bei ihren Überlegungen, öffentlichen Gesprächen und Publikationen zu unterstützen, so etwa bei Debatten wie der Landfrage.
Thomas Selemane
… ist Ökonom und Mitglied der Interdiözesanen Reflexionsgruppe GRI (Grupo de Reflexão Interdiocesano) der Diözesen Pemba und Beira und MISEREOR-Projektpartner. Die Gruppe unterstützt mit aktuellen sozio-ökonomischen Studien die Arbeit der Bischofskonferenz in Mosambik