Fortschreitender Klimawandel, wachsender Hunger und Fehlernährung weltweit, extreme Armut und Kriege und Konflikte – die globalen Herausforderungen sind gewaltig. Neben dem Klimawandel hat auch die Corona-Pandemie die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert, die Ungleichheiten verschärft und Entwicklungen zunichtegemacht. Wie stellen sich die Parteien, die nach der Bundestagswahl im September für eine Regierungsbeteiligung in Frage kommen, hinsichtlich der wachsenden globalen Herausforderungen auf? Welchen Stellenwert geben sie der internationalen Zusammenarbeit und der Agenda 2030 in ihren Wahlprogrammen?
Brot für die Welt, MISEREOR und die Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen haben darüber am 3. März 2021 mit Vertretern und Vertreterinnen der Parteien in der Malzfabrik in Berlin gesprochen. Rund 900 Zuschauerinnen und Zuschauer verfolgten die Podiumsdiskussion im Livestream.
Es braucht Lösungen!
Die drei Gastgeber haben in ihren Begrüßungsworten zusammengefasst, was sie sich von der Politik erhoffen:
“Papst Franziskus hat immer wieder betont, dass die Welt die Wegwerfmentalität überwinden muss. Dabei geht es nicht nur um die Reduzierung des Mülls und die Verringerung der Luftverschmutzung. Wir erleben leider, dass in vielen Ländern der Welt und besonders an den Grenzen auch Menschen wie Abfall behandelt werden. Damit wollen und können wir uns nicht abfinden und wollen die Politiker fragen, wie sie dazu stehen.”
Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer von MISEREOR
“Klimawandel und Pandemie können nur weltweit eingedämmt werden oder überhaupt nicht. Die internationale Zusammenarbeit und der Ressourceneinsatz zur Umsetzung der Agenda 2030 muss daher gestärkt werden. Welchen Stellenwert räumen die Parteien der internationalen Zusammenarbeit und vor allem den Vereinten Nationen ein? Welche Ressourcen setzen die Parteien zum Erreichen der Klimaziele und zur Bewältigung der Migrationsbewegungen auf der Welt ein?”
Detlef Dzembritzki, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN)
“Wie sehen die Konzepte der Parteien aus im Kampf gegen den Klimawandel, Corona-Pandemie und für mehr soziale Gerechtigkeit weltweit?“
Dagmar Pruin, Präsidentin von Brot für die Welt
Hier die spannendsten Antworten:
Wie viel Platz ist für ….
Entwicklungspolitik?
Paul Ziemiak, Generalsekretär der CDU
“Deutschland kann die Probleme nicht alleine lösen, aber wir haben nicht nur durch unsere wirtschaftliche Stärke eine große Verantwortung, sondern, weil man uns vertraut. Wenn wir uns dieser Dimension bewusst sind, können wir viel erreichen.”
… soziale Gerechtigkeit weltweit
Jörg Schindler, Bundesgeschäftsführer Die Linke
“Soziale Gerechtigkeit ist eine Frage, die sich weltweit stellt. Insbesondere werden wir in der Bundesrepublik keine nationale Gerechtigkeit herstellen können, wenn wir das nicht auch in einen internationalen Kontext stellen und Standards schaffen, die über unsere nationalen Grenzen hinaus wirken. Das gilt für die Frage der Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums, für die Frage von Lieferketten, Handelsbeziehungen, Kooperations- statt Freihandelsabkommen, für die Frage von Sozialstandards und natürlich auch für eine friedliche Entwicklung.”
… internationale Zusammenarbeit
Lars Klingbeil, Generalsekretär der SPD
“Wir müssen eine Mentalität entwickeln, dass wir globale Probleme auf Augenhöhe angehen. Es geht nicht darum, dass wir als reiches Industrieland den anderen etwas Gutes tun, es geht um neue Formen der Kooperation. Wir sehen gerade in der Corona-Zeit, dass wir globale Probleme global bekämpfen müssen. Das geht nur auf Augenhöhe und partnerschaftlich. Nicht nur zwischen Staaten, sondern auch mit der Zivilgesellschaft und NGOS.”
… Klima und Menschenrechte
Michael Kellner, Bundesgeschäftsführer von Bündnis 90/ Die Grünen
“Was ich mir wünschen würde als konkretes Projekt für die nächste Legislaturperiode wäre tatsächlich ein Menschenrechts-TÜV für den internationalen Handel. Also zu überprüfen, welchen Beitrag Deutschland zur Stärkung der Menschenrechte leistet. (…) Zusätzlich zur ODA-Quote (die öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit) brauchen wir mehr Mittel für die Klimafinanzierung. Da schlagen wir 800 Millionen zusätzlich im Jahr vor, das soll oben drauf kommen. Weil wir die großen globalen Anstrengungen nur gelöst kriegen, wenn wir die sozial-ökologische Transformation vorantreiben.”
… kohärente Strategien
Nicola Beer, Stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP
“Wir müssten sowohl in Deutschland als auch in Europa die Entwicklungsarbeit noch viel stärker kohärent nach vorne treiben. Wenn ich sehe, dass wir alleine in Deutschland in der Bundesregierung 15 Ressorts beteiligt haben, jeder mit einzelnen Projekten, würde ich mir wünschen, dass wir das stärker bündeln und eine kohärente Strategie haben, die wir in eine ambitioniertere Zusammenarbeit auf der europäischen Ebene einbringen können. Wir haben sogar das Ziel, 3 Prozent auszugeben für eine vernetzte Politik von Entwicklungszusammenarbeit, Diplomatie und Sicherheitspolitik – das würde uns letztlich mehr Durchschlagskraft bringen, für das was wir letztlich weltweit vorantreiben wollen.”
… Impfgerechtigkeit
Markus Blume, Generalsekretär der CSU
“Die Welt nach Corona wird eine andere sein. Corona wird in der entwickelten Welt vielleicht schon hinter uns sein, aber in anderen Teilen der Welt noch nicht. Das heißt, wir müssen Corona weltweit bekämpfen. Wir brauchen eine Impfallianz. Deutschland hat gerade 1,5 Milliarden zugesagt für diese Impfallianz. Wir wissen aber, dass wir einen zweistelligen Milliardenbetrag dafür brauchen.”
Über die Autorinnen:
Alexa Knapp, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Generalsekretariat Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen e.V.
Dr. Nina Brodbeck, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Werk für Entwicklungszusammenarbeit MISEREOR