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Südafrika im Ausnahmezustand: Armee soll Proteste unter Kontrolle bringen

Geplünderte Supermärkte, gesprengte Geldautomaten und Menschenmengen, die in Panik mit ihrer Beute an Lebensmitteln nach Hause fliehen. Aus Südafrika erreichen uns dramatische Berichte von unseren Projektpartnern. Vor allem im Johannesburger Stadtteil Soweto sind die Zerstörungen groß, aber auch die östliche Küstenregion Kwa-Zulu-Natal mit der Provinzstadt Durban ist betroffen. Das Land scheint kurz vor einer schweren wirtschaftlichen und humanitären Krise zu stehen. Die dritte Welle der Covid-19-Pandemie ist bislang ungebrochen.

Freiwillige im Stadtteil Soweto von Johannesburg helfen, geplünderte Supermärkte aufzuräumen, achdem die Eskalation der Gewalt langsam abnimmt.© picture alliance

Festnahme sorgt für Massenproteste

In manchen Stadtteilen von Johannesburg sei kein Supermarkt verschont geblieben, so MISEREOR-Projektpartnerin Johanna Kistner. Straßen seien seit Tagen gesperrt, Elektroleitungen brennen und der Geruch von verbranntem Gummi liege in der Luft. Die Menschen versuchen verzweifelt, Lebensmittel des täglichen Bedarfs zu kaufen, denn viele Supermärkte waren tagelang geschlossen, seit die Festnahme von Ex-Präsident Jacob Zuma am vergangenen Samstag einige seiner Anhänger zu gewalttätigen Protesten veranlasste. Weil Zuma die Justiz missachtet hatte, wurde er nun zu 15 Monaten Haft verurteilt. Er hätte sich vor Gericht wegen Korruptionsanschuldigungen verantworten sollen.

Einsatz der Armee

Einige seiner Anhänger protestieren gegen diese Haftstrafe, indem sie Lkw auf Autobahnen in Brand setzen, Straßen blockieren, die Polizei unter Beschuss nehmen und Geschäfte plündern. Aus Angst hatten deshalb einige Ladenbesitzer ihre Geschäfte seit Samstag schon ganz geschlossen, dennoch blieben viele nicht verschont. Was anfangs als harmloser Protest gegen Zumas Verurteilung eingestuft wurde, scheint nun in bürgerkriegsähnliche Zustände umzuschlagen, wie unsere Projektpartner berichten. Mehr als 200 Geschäfte seien seit dem Wochenende von Tausenden Menschen in der Provinz Gauteng um Johannesburg und in der Provinz Kwa-Zulu-Natal geplündert worden, so die lokalen Medien. Angesichts der eskalierenden Gewalt hat Präsident Cyril Ramaphosa nun erneut den Einsatz der Armee angeordnet, die mit 25.000 Soldaten gemeinsam mit der Polizei wieder für Ordnung in den Städten sorgen soll.

Folgen der Pandemie

„Bei uns ist eigentlich alles ruhig, unsere kleinen Supermärkte wurden verschont“, berichtet Johanna Kistner. Ihr und den anderen Mitarbeitern des „Sophiatown Community Psychological Services (SCPS)“ gehe es den Umständen entsprechend gut. Normalerweise bieten Kistner und ihr Team psychologische Beratung für Menschen in sogenannten Townships an. Auch Soweto zählt zu den Townships, hier sind die Arbeitslosigkeit sowie die Infektionsraten von Krankheiten oftmals besonders hoch. Die langjährige MISEREOR-Partnerorganisation ist in einem westlich von Johannesburg gelegenen Vorort im Einsatz, hier hat es zum Glück keine Plünderungen gegeben. Dennoch sind die Auswirkungen der Gewalt auf die Menschen, die sie beraten, kaum zu beschreiben, sagt Kistner. Ladenbesitzer sind verzweifelt ob der Zerstörung, die nun ihre Angestellten nicht mehr bezahlen können. Schätzungen zufolge werden mehr 120.000 Menschen ihre Jobs verlieren, die in der angespannten Pandemie-Situation häufig Alleinverdiener ganzer Großfamilien waren. Die Bekämpfung der dritten Welle der Covid-19-Pandemie hat ohnehin schon viele Opfer gefordert, denn viele Menschen seien darauf angewiesen, trotz hohem Infektionsrisiko weiter zu arbeiten. Sie haben die „Wahl“ – zwischen einer möglichen Infektion oder Hunger.

Südafrika Unruhen 2021 Food Riots
Schwere Unruhen in Südafrika: Über Messenger-Dienste wurden Fotos von Festnahmen, Plünderungen und den Zerstörungen schnell verbreitet. © Sibusiso Zikode / South African Shack Dwellers‘ Movement

Soziale Ungleichheit verschärft die Lage

So geht es etwa der Hälfte der Bevölkerung, die zweitstärkste Volkswirtschaft Afrikas hat ein großes Verteilungsproblem: Etwa 54% der Südafrikaner leben bereits unterhalb der Armutsgrenze. Sie haben rund 779 Rand pro Person pro Monat zur Verfügung, das entspricht weniger als 50 Euro. Der größte Reichtum des Landes konzentriert sich dagegen auf die oberen zehn Prozent der Bevölkerung. Die unfaire Verteilung geht einher mit einer hohen Arbeitslosigkeit, vor allem Jugendliche haben wenige Perspektiven, gehen weder zur Schule, noch haben sie einen Ausbildungsplatz oder eine Arbeitsstelle. Während der Amtszeit von Zuma hat die südafrikanische Wirtschaft an Kraft verloren, die Arbeitslosigkeit stieg bereits. Dieser Trend ist nun durch die Pandemie noch weiter verstärkt worden und es wird befürchtet, dass erneut fremdenfeindlich motivierte Gewalt aufflammen könnte. Das Land ist knapp 20 Jahre nach dem Ende der Apartheid noch immer gezeichnet. Die Herausforderungen sind immens – auch für den aktuellen Präsidenten Ramaphosa.


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Lena Monshausen ist Referentin für Kommunikation bei Misereor.

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