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Gift auf den Äckern – ist eine Pestizid-Abgabe die Lösung?

Entgegen der vorherrschenden Meinung ist die in der Landwirtschaft eingesetzte Menge an Pestiziden in den letzten zwanzig Jahren gestiegen. Was kann dagegen getan werden? Um den Gifteinsatz zu reduzieren, wurde eine Abgabe auf Pestizide ins Spiel gebracht: Je giftiger desto höher die Abgabe. Neben politischer Steuerung bedarf es jedoch zugleich entsprechender Verhaltensweisen in unserem Alltag. Wer keine Lust auf chemisch-synthetische Pestizide hat, der oder die greife zu Produkten aus ökologischer Landwirtschaft.

Pestizide Landwirtschaft
Um den nach wie vor hohen Einsatz von Pestiziden zu reduzieren, schlagen einige Wissenschaftler*innen vor, eine Abgabe auf Pestizide zu erheben. © Erich Westendarp / Pixabay

Weniger Pestizide = weniger Gift?

Anfang der 2000er-Jahre habe ich als Biolandwirt gearbeitet. Wenn ich damals Kolleginnen und Kollegen auf die verwendeten Pestizide angesprochen habe, bekam ich oft als Antwort: „Ja, heute wird weniger gespritzt als in den 1980er Jahren, aber dafür ist das Zeug eben auch giftiger.“ Handfest beweisen konnte man es wohl noch nicht, aber der Verdacht bestand auch schon damals. Nun haben Wissenschaftler*innen diese Frage untersucht und in einer Studie der Uni Koblenz gezeigt: Wenn weniger Pestizide ausgebracht werden, bedeutet dies nicht unbedingt, dass die Äcker dann weniger Gift abbekommen.

Es kommt noch giftiger

Entgegen dem vorherrschenden Bild ist die Menge der eingesetzten Mittel gegen Insekten und Beikräuter in den letzten zwanzig Jahren deutlich angestiegen. Das konnten die Fachleute der Uni Koblenz nachweisen. Außerdem zeigten ihre Untersuchungen, dass sich die tatsächliche Menge an Insektiziden verringert hat, während sich die Giftigkeit verdoppelt hat. Bei Herbiziden, also Pestiziden, die gegen unerwünschte Pflanzen auf dem Acker eingesetzt werden, haben sowohl die Mengen als auch die Giftigkeit deutlich zugenommen.

Pestizideinsatz sogar gegen Menschen

Aus unserem Partnerland Brasilien bekommen wir erschütternde Berichte zum flächendeckenden Einsatz von Pestiziden. Dort werden Pestizide immer wieder als Waffe gegen Kleinbauern und Indigene eingesetzt: Zwei bis drei Mal im Monat überfliegen dort Flugzeuge die Häuser und Gärten, von denen die Pestizide großflächig versprüht werden, um die Menschen zu vertreiben. In Brasilien hat der Verbrauch von Pestiziden seit dem Jahr 2000 um 338% zugenommen, weil die Landwirtschaft, die vor allem auf agrarindustrielle Monokulturen wie Soja und Mais setzt, Unmengen von Pestiziden benötigt – mit allen negativen Auswirkungen auf Mensch und Natur, die auch in der genannten Studie analysiert wurden. MISEREOR engagiert sich gemeinsam mit anderen Nichtregierungsorganisationen gegen den Export gefährlicher Pestizide und gegen sogenannte Doppelstandards. Wer mehr dazu erfahren möchte, kann sich hier informieren.

Agrarflugzeug Brasilien Pestizide
In Brasilien werden Pestizide immer wieder als Waffe gegen Kleinbauern und Indigene eingesetzt. Symbolfoto: Tiago Firmino Boaven / Wikimedia Commons (CC BY 3.0).

Die Lösung: Pestizid-Abgabe und Agrarökologie

Um den nach wie vor hohen Einsatz von Pestiziden zu reduzieren, schlägt eine Studie des Helmholtz-Zentrums vor, eine Abgabe auf Pestizide zu erheben. Je giftiger desto höher die Abgabe. Dadurch könnte der Pestizid-Einsatz in Deutschland halbiert werden. Die Idee gibt es schon länger. Dahinter steckt ein machbares Konzept, das in die Zukunft weist – und auf den erbitterten Widerstand der Industrie trifft. Zukunftsweisend ist auch das Konzept der Agrarökologie. Sie versucht, die Wechselwirkungen zwischen Pflanzen, Tieren und Umwelt zu optimieren, um eine nachhaltige und faire Nahrungsmittelproduktion zu ermöglichen. Sie ist eine ganzheitliche Antwort auf die Herausforderung, genügend Lebensmittel anzubauen, ohne die Umwelt mit Pestiziden zu schädigen oder zur globalen Erwärmung beizutragen.

Was können wir tun?

Neben den politischen Stellschrauben können wir auch selbst einiges verändern, nicht zuletzt durch unsere Kaufentscheidungen: Wer keine Lust auf Pestizide hat, sei es auf dem Acker oder im Essen, der greift zu Produkten aus ökologischer Landwirtschaft. Denn chemisch-synthetische Pestizide sind für deren Produkte nicht erlaubt und – dies hat das Ökomonitoring Baden-Württemberg noch einmal bestätigt – auch so gut wie nie darin zu finden.

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Ansprechpartner Portrait

Markus Wolter ist Experte für Landwirtschaft und Welternährung bei Misereor.

2 Kommentare Schreibe einen Kommentar

  1. Avatar-Foto

    Vielen Dank für den Beitrag. Das vielseitige Engagement von Miserior ist bemerkenswert und ein sehr wichtiger Beitrag zu einem Umdenken.
    Als studierte Toxikologin würde ich jedoch empfehlen, gewisse Pauschalaussagen zu differenzieren: Was bedeutet Giftigkeit? Gegen wen? Auf welche Weise? Spritzmittel, die toxischer für den Zielorganismus sind, könnte man als giftiger bezeichnen; diese können aber zugleich auch weniger schädlich für Mensch und Umwelt sein. Angeführte Studien und Fakten mit Referenzen zu versehen ist für die Glaubwürdigkeit und „Schlagkraft“ des Artikels ebenfalls sehr hilfreich.

  2. Avatar-Foto

    Wie immer ein sehr guter Beitrag – toll, dass und wie sich MISEREOR weltweit für eine nachhaltige Landwirtschaft engagiert!
    Angesichts der Ausweitung des Ökolandbaus müsste sich die Menge und Giftigkeit der ausgebrachten Pestizide ja eigentlich deutlich verringern, denn auf 95 % der Öko-Flächen kommen überhaupt keine Pflanzenschutzmittel zum Einsatz, also nicht einmal die für Öko zulässigen Naturstoff-Mittel. Auch dass die Gesamtmenge relativ konstant bleibt, belegt, dass der Pestizideinsatz pro Hektar in der konventionellen Produktion sogar noch angestiegen ist.

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