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EU setzt Militär in Mosambik ein –Internationalisierung des Konfliktes schreitet voran

In Mosambik kommt es in der Provinz Cabo Delgado seit einigen Jahren wiederholt zu gewaltsamen Konflikten. Die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und Rebellengruppen sind jedoch nur auf den ersten Blick religiösen Ursprungs. Die eigentlichen Ursachen liegen in dem ungleichen Zugang zu den Ressourcen des Landes begründet, von dem die Mehrheit der Bevölkerung ausgeschlossen bleibt. Mit der eskalierenden Konfrontation und unter dem Label der Bekämpfung des internationalen Terrorismus hat Mosambik nun um internationale militärische Hilfe gebeten. Unter dem Namen EUTM MOZ wurde nun aufgrund dieses „Hilfeersuchens“ eine 140 Einsatzkräfte starke militärische Ausbildungsmission der Europäischen Union in Mosambik aufgenommen.

Mozambik Militäreinsatz EU
Auch in Mosambik müssen weite Teile der Bevölkerung seit vielen Jahren mit ansehen, wie die reichen Rohstoffvorkommen, vor allem Erdgas, zwischen lokalen Parteioligarchen und internationalen Konzernen aufgeteilt werden. Symbolbild: Jean van der Meulen / Pixabay

Ursachen des Konfliktes in Mosambik

Seit vier Jahren kommt es nun in der mosambikanischen Provinz Cabo Delgado, die an Tanzania grenzt und sehr rohstoffreich ist, zu gewaltsamen Aufständen, der immer mehr zu einem kriegerischen Flächenbrand geworden ist. Vor allem junge Menschen aus der von der Zentralregierung über viele Jahre vernachlässigten Provinz haben sich bewaffnet und terrorisieren die Bevölkerung in weiten Teilen der Provinz. Auch wenn sowohl von Seiten des sogenannten Islamischen Staates wie auch seitens der mosambikanischen Regierung ein Interesse daran besteht, den Aufstand als „islamistischen Terror“ zu labeln, geht es hier nicht um Religion. Stattdessen liegen die Ursachen des Konfliktes vor allem in der Frustration weiter Teile der Bevölkerung, die seit vielen Jahren mit ansehen müssen, wie die reichen Rohstoffvorkommen (u. a. Rubin, Holz und Graphit, vor allem aber Erdgas an und vor der Küste) zwischen lokalen (Partei-)Oligarchen und internationalen Konzernen verteilt werden, ohne dass die Menschen vor Ort davon profitieren würden. Im Gegenteil, die großflächige Vergabe der Rohstoffkonzessionen durch die Regierung lässt weitere Vertreibungen der lokalen Bevölkerung befürchten. Mittlerweile sind etwa 800.000 Menschen innerhalb der Region und in den Nachbarprovinzen als Binnenvertriebene auf der Flucht vor Überfällen auf ihre Wohnorte.

Kriegerischer Flächenbrand eskaliert

Lange Zeit versuchte die Regierung zunächst, den Konflikt kleinzureden und ihn mit eigenen Sicherheitskräften brutal zu bekämpfen, um ausländische Investoren nicht zu verunsichern. Doch mit der Einnahme ganzer Landstriche und einiger Städte durch die Rebellen nahm die Auseinandersetzung eine Dimension an, der die Sicherheitskräfte nicht gewachsen waren. So entschied sich die Regierung zunächst dazu, Hilfe bei südafrikanischen (DAG) und russischen Söldnertruppen (Wagner) zu suchen. Doch auch das brachte nicht den gewünschten (militärischen) Erfolg. Nach einem massiven Angriff auf die Stadt Palma, in der die Hauptbasis der geplanten Erdgasgewinnung durch TOTAL und ENI liegt (und es sich mit geplanten Investitionen von 17 Mrd. Euro um das aktuell größte Investitionsvorhaben südlich der Sahara handelt) und deren Einnahme durch die Rebellen Ende März diesen Jahres änderte die Regierung ihren Kurs: Unter dem Label der Bekämpfung des internationalen Terrorismus erbat sie jetzt die Hilfe der internationalen Staatengemeinschaft, wohl vor allem, weil nach dem vorübergehenden Rückzug von TOTAL aus dem Engagement in Cabo Delgado die fest eingeplanten Pfründe durch die Gasförderung in Gefahr gerieten.

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Nach Auskunft von MISEREOR-Partnerorganisationen in Cabo Delgado – insbesondere des apostolischen Administrators der Diözese Pemba – wollen die Geflüchteten nicht wieder in ihre Heimat zurück; für viele ist der Rechtsstatus ihres ursprünglichen Landbesitzes angesichts der Interessen der Rohstoffunternehmen völlig unklar. © Caritas Nampula

Geflüchtete haben Angst, zurückzukehren

Seitdem sind nacheinander Portugal, die USA, die südafrikanische Staatengemeinschaft SADC und Ruanda militärisch in Mosambik engagiert. Speziell durch den Einsatz von ca. 1.000 ruandischen Soldaten, die nach Treffen des französischen Präsidenten Macron mit Mosambiks Präsident Nyusi und dem ruandischen Präsidenten Kagame im Juli ins Kriegsgebiet entsandt wurden, zeichnen sich in der Zwischenzeit große militärische Geländegewinne der Regierungsseite ab. Auch Palma und die wichtigsten anderen Städte, die zeitweise von den Rebellen eingenommen waren, sind mittlerweile militärisch zurückerobert oder kampflos eingenommen worden. Doch auch wenn die Regierung die rückeroberten Gebiete als sicher bezeichnet, trauen sich nach Auskunft unserer Partnerorganisationen in Cabo Delgado – insbesondere des apostolischen Administrators der Diözese Pemba – die Geflüchteten nicht wieder in ihre Heimat zurück. Für viele ist auch der Rechtsstatus ihres ursprünglichen Landbesitzes angesichts der Interessen der Rohstoffunternehmen völlig unklar. An den Ursachen des Konfliktes hat sich trotz der Verschiebung der militärischen Gewichte bisher gar nichts geändert.

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In welche politische Strategie ist dieser Einsatz eingebunden, wer koordiniert sie und monitort die Effekte? Gibt es überhaupt eine Exit-Strategie zum Militäreinsatz?“ © Caritas Nampula

EU-Militäreinsatz wirft Fragen auf

Aktuell verkündet nun die EU, dass sie ihren im Juli gefassten Beschluss zur Entsendung einer 140 Mann starken militärischen Ausbildungsmission bis Dezember in die Tat umsetzen wird. Die ersten Soldaten sind mittlerweile in Marsch gesetzt. Unter dem Namen Militärische Ausbildungsmission der EU in Mosambik soll es an zwei Standorten abseits der Front militärisches Training für Mosambiks Sicherheitskräfte geben. Ein in dieser Form angelegtes militärisches Ausbildungskontingent wirft allerdings angesichts der Konfliktlage in Cabo Delgado sowohl bei unseren kirchlichen und zivilgesellschaftlichen Partnerorganisationen wie auch bei uns selbst diverse Fragen auf, deren befriedigende Beantwortung die EU-Kommission schuldig bleibt:

  • Wem dient der Einsatz zu diesem späten Zeitpunkt und fernab der Konfliktzonen, in denen ruandische und SADC-Truppen die „Drecksarbeit“ verrichten? Geht es hier um rein symbolische Unterstützung der mosambikanischen Sicherheitskräfte im Licht europäischer (französischer) Wirtschaftsinteressen auf Kosten der Menschen in Mosambik, die dadurch weiter von einer Verhandlungslösung des Konfliktes abgeschnitten bleiben, und der europäischen Steuerzahler*innen?
  • Wie wird das EU-Parlament in die offenbar völlig unrealistisch angesetzte Budgetplanung für diesen Einsatz und seine Folgekosten einbezogen werden?
  • In welche politische Strategie ist dieser Einsatz eingebunden, wer koordiniert sie und monitort die Effekte? Gibt es überhaupt eine Exit-Strategie zum Militäreinsatz oder hat man aus dem Afghanistan-Desaster überhaupt noch nichts gelernt?
  • Wo bleibt bei diesem erstmaligen EU-Militäreinsatz im Rahmen der irreführenderweise „Europäische Friedensfazilität“ genannten Interventionsvollmacht der eigentlich für die Diplomatie handlungsleitende Primat des Zivilen? Wenn im Rahmen eines integrierten Sicherheitsansatzes eigentlich die Prävention von gewaltbereitem Extremismus sowie Deradikalisierung als Auftrag für zivile Missionen definiert werden, wo bleibt diese Komponente, die ebenso wie beispielsweise die Kooperation in der Korruptionsbekämpfung zivil zu bearbeiten wäre, im Kontext von EUTM MOZ? Welche Initiativen zur Herbeiführung einer Verhandlungslösung zwischen den Konfliktparteien in Mosambik bilden den Rahmen der Militärmission?
  • Wird die im Zuge der Ausbildungsmission erhoffte/postulierte Verbesserung der Menschenrechtslage in den militarisierten Gebieten von der EU überprüft? Kann die EU ausschließen, dass die gesteigerten militärischen Kapazitäten der mosambikanischen Sicherheitskräfte nicht zu weiterer Einschränkung der bürgerlichen und Bewegungsfreiheiten der Bevölkerung eingesetzt werden?

Gemeinsam mit unseren lokalen Partnern in Mosambik sowie Brot für die Welt und dem Denis Hurley Peace Institute lehnen wir aus diesen Gründen die EUTM MOZ-Militärmission ab und verlangen eine sofortige diplomatische Offensive zur Unterstützung der von Ex-Präsident Chissano und anderen geforderten Verhandlungslösung.

Geschrieben von:

Peter Meiwald, Leiter der Afrika-Abteilung bei MISEREOR

Peter Meiwald leitet die Abteilung Afrika und Naher Osten bei MISEREOR.

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