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Misereor-Jahresempfang 2022: Die wahren Kosten unserer Lebensmittel

„Auch wenn die Bio-Frucht geprahlt hat, dass die Balken sich gebogen,
So hat sie doch über ihre wahren Kosten nicht gelogen.
Für sie starben keine Bäume. Sie steht nirgends in der Kreide.
Sie tat niemals einer Fliege oder Biene was zuleide.
Wo sie hinging hinterließ sie immer sauberen gesunden Boden.
Denn sie sagte stets gewissenhaft Nein zu allen Drogen
und der Bauer, der sie großzog, bekam einen gerechten Lohn.
Da fragt man sich als Kunde schon,
warum man für das Rechte
nun mehr bezahlen soll als fürs Schlechte.“
Lisa Marie Olszakiewiecz, Poetry Slammerin

Lebensmittel werden teurer, weil die Preise für Rohstoffe, Energie und Transport steigen – auch durch den Krieg in der Ukraine. Deswegen die gesellschaftliche und ökologische Wende in der Produktion von Lebensmitteln aufzuschieben, verlagert die gravierenden, schädlichen Folgen für uns in die Zukunft – und schon jetzt in die Länder des Globalen Südens. Ein ehrlicher Umgang mit den verborgenen Kosten unserer Lebensmittel ist wichtiger denn je, um nachhaltige Landwirtschaft und Ernährung zu sichern. Dazu diskutierten beim Jahresempfang Misereor-Chef Pirmin Spiegel, die ehemalige Ministerin für Landwirtschaft und Ernährung Renate Künast, Hel­my Abouleish, Direktor der SEKEM Holding in Ägypten und Misereor- Landwirtschafts- und Ernährungsexperte Markus Wolter über Wege hin zu einer nachhaltigen und zukunftsorientierten Produktion von Lebensmitteln.  

Gruppe von Personen beim Misereor-Jahresempfang
V.l.n.r.: Ilona Auer-Frege, Helmy Abouleish, Renate Künast, Pirmin Spiegel, Markus Wolter. © Hermann Bredehorst

Pirmin Spiegel
Hauptgeschäftsführer von Misereor

„Die aktuellen Hungerkrisen weltweit zeigen auf dramatische Weise, wie anfällig unser aktuelles Ernährungssys­tem ist. Obwohl weltweit ausreichend Nahrungsmittel produziert werden, leiden fast 900 Millionen Menschen unter Hunger und Mangelernährung. Die Folgekosten aus einer umweltschädlichen Billigproduktion von Lebensmitteln tragen jedoch besonders die sozial schwächeren Gruppen der Gesellschaft, bei uns und in den Ländern des globalen Südens.

Wenn Einkäufer des Handels die mit der Lebensmittelproduktion einhergehenden Folgen, wie Umweltzerstörung, Wasserverschmutzung, Menschenrechtsverletzungen in Form von Kinderarbeit z.B. bei der Kakaoproduktion nicht berücksichtigen, führt dies zu einer falschen Berechnung der Kosten dieser Lebensmittel. Diese Kosten werden der Allgemeinheit aufgebürdet.“

Pirmin Spiegel beim Misereor-Jahresempfang
© Hermann Bredehorst

Renate Künast,
Bundestagsabgeordnete (Bündnis 90/ Die Grünen)

„Wir müssen das Bewusstsein der Leute für ihren ökologischen Fußabdruck schärfen und für einen realistischen und kritischen Blick im Supermarkt auf die Produkte und ihre Herstellung.  Der Preis lügt!

Unser Ziel muss eine Ernährungsumbildung sein. Wenn wir wissen, wie umwelt- und gesundheitsschädlich ein hoher Fleischkonsum ist, dann fragen wir uns warum es zum Beispiel in den Schulkantinen immer noch so viel Fleisch gibt.“

Renate Künast beim Misereor-Jahresempfang
© Hermann Bredehorst

Markus Wolter,
Experte für Landwirtschaft und Welternährung bei Misereor

„Die Bilanzierung der Wahren Kosten ist ein Instrument, um Unternehmen die Möglichkeit zu geben, zu einer Umsteuerung hin zu einer nachhaltigen Land- und Ernährungswirtschaft zu gestalten. Was wäre, wenn es belohnt wird, nachhaltig zu wirtschaften und die fairen Produkte keine Nischenprodukte im Supermarktregal sind?

Wir stoßen mit dem Thema auch bei vielen Unternehmen auf viel Interesse. Denn auch Unternehmen wollen die Risiken, die in den Lieferketten liegen, kennen, mit Geld bewerten und dann investieren. Auch im Koalitionsvertrag steht, dass die versteckten Kosten in die Rechnungsbuchhaltung und damit in die Bilanzen aufgenommen werden sollen.“

Markus Wolter beim Misereor-Jahresempfang
© Hermann Bredehorst

Helmy Abouleish,
Direktor der SEKEM Holding in Ägypten, die biologisch-dynamische Lebensmittel und Textilien produziert, verarbeitet und vermarktet:

„Wir wollen die Wertschöpfungskette so organisieren, dass die Liebe zum Menschen, zur Natur und Gesellschaft mitschwingt. Und dieses Wirtschaftssystem ist nicht nur ein Wunsch, sondern im 21. Jahrhundert zeigt sich, dass diese Art zu wirtschaften, sehr effektiv sein kann.

Zur Preisgestaltung: In Ägypten können die Menschen keine höheren Preise bezahlen. Deswegen stellen wir uns natürlich die Frage, wie wir die Preise so gestalten können, dass sich die Menschen das am Ende auch leisten können. Aber wenn man die externen Kosten einbezieht, bezahlen wir diese Preise ohnehin schon. Wir alle. Jeder von uns. Nur woanders, in der Wasseraufbereitung zum Beispiel. Es geht darum, diese Kosten transparent zu machen und sie umzuverteilen.

Ich finde die Initiative von Misereor gut, die wahren Kosten unserer Lebensmittel aufzudecken. Die Frage ist: wie können wir dafür sorgen, dass die wahren Verursacher der Kosten auch dafür bezahlen.“

Helmy Abouleish
© Hermann Bredehorst

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Gast-Autorinnen und -Autoren im Misereor-Blog.

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