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Sri Lanka hat eine Zukunft in der Landwirtschaft – und die ist ökologisch

Stolz reckt mir Bauer Prem die gigantische Reispflanze entgegen. An deren Ähre hängen bis zu 1.000 Reiskörner, bei seinem Nachbarn nur ca. 200 – obwohl der Kunstdünger und chemisch-synthetische Pestizide im Reisanbau verwendet.

Mann hält eine Reis-Pflanze hoch
Bio-Bauer Prem mit seiner riesigen Reis-Pflanze aus traditionellem Saatgut. ©Markus Wolter/ Misereor

Die Krise

Ein paar Tage vorher bin ich mit gemischten Gefühlen in Sri Lanka angekommen. Die Daten und Nachrichten über das Land sind verheerend. Eine schlimme Wirtschafts- und Nahrungsmittelkrise beutelt das Land. Was werde ich dort sehen? Weil das Land in der Pandemie kaum noch jemand als Tourist besucht hat und die Regierung extrem korrupt ist, werden die Schulden des Landes immer erdrückender.  Außerdem stechen beim Blick auf die Außenhandelsbilanz der Regierenden die hohen Kosten für den Import von Kunstdünger und Chemisch-Synthetischen Pestiziden hervor.

Die Grüne Revolution

Und so wurde, ohne die Bauern vorzuwarnen, im April 2021 der gesamte Staat Sri Lanka zu einem „Bio-Staat“ erklärt und der Import dieser Stoffe verboten. Der Aufschrei, nicht nur seitens der konventionellen Landwirte, war groß – eine Umstellung auf ökologische Landwirtschaft ist wissensintensiv, und bedarf guter begleitender Beratung, um die herausfordernde Zeit des Übergangs hin zu ökologischer Landwirtschaft zu meistern. Auch die dortigen Bio-Bauern, Genossenschaften und der Bio-Verband warnten vor diesem Schritt. Als deutlich wurde, dass viele Landwirte mit dieser Herausforderung nicht zurechtkamen und die Ernteerträge bei Reis und Gemüse deutlich zurückgingen, u.a. weil einige Landwirte sich weigerten überhaupt ihr Land zu bestellen, nahm die Regierung im Oktober 2021 das Verbot zurück und erlaubte die Einfuhr von Pestiziden und Düngemitteln wieder.

Teeplantage in Sri Lanka
Eine Konventionelle Tee-Plantage, auf der intensiv Pestizide eingesetzt werden. Im Tal wird Gemüse angebaut – wo bleiben wohl die angewendeten Stoffe? ©Markus Wolter/ Misereor

Dazu muss man wissen, dass Sri Lanka eines der Länder ist, das die sogenannte Grüne Revolution exemplarisch umgesetzt hat. Grünen Revolution bedeutet Einsatz von Hochertragssorten (meist nicht nachbaubar), Kunstdünger und Pestiziden – und davon immer höhere Mengen, damit die Erträge stabil bleiben. Diese Art der Landwirtschaft hat Sri Lanka und deren Bauern in extreme Abhängigkeit von diesen Stoffen gebracht und nicht mehr übersehbare gesundheitliche Probleme der Anwender – sprich der Bauern – beschert.

Der Schock nach dem Verbot und der Erklärung des „Bio-Staates“ saß dennoch bei vielen Landwirten tief. Die Krise nahm noch schlimmere Ausmaße an, als bedingt durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, die Preise für Düngemittel und Pestizide um den Faktor vier stiegen. Das sorgte für weiter stark steigende Produktions- und Lebensmittelpreise in Sri Lanka: Allein in den letzten zwei Monaten des letzten Jahres stiegen die Preise für Lebensmittel um 100 Prozent!

Auswirkungen der Grünen Revolution auf Tee und Gemüse

Die Effekte der Grünen Revolution konnte ich mir eindrücklich am Tee-Anbau und dem auf den Plantagen stattfindenden Gemüse-Bau anschauen. Im zentralen Hochland von Sri Lanka wird der berühmte Ceylon Tee angebaut – als Monokultur und daher mit hohem Pestizideinsatz. Unten im Tal dann Gemüse.

Menschen in Gemüsebeeten
Auf kleinen Flächen wird intensiv Gemüse angebaut. ©Markus Wolter/ Misereor

Die Arbeiter*innen auf den Plantagen haben aber auch direkt in den Tee-Plantagen Gemüse-Acker für die Selbstversorgung und die Vermarktung. Denn die Löhne sind sehr niedrig. So verdient eine Pflückerin für 20 kg Tee, welche sie am Tag ernten muss, umgerechnet nur 2,50 Euro. Und wenn sie unter den 20 kg bleibt, dann wird der Lohn um die Hälfte gekürzt. Auf kleinen Flächen versuchen die Arbeiter*innen deshalb ihren kargen Lohn mit Gemüse-Anbau aufzubessern. Um den Ertrag auf den kleinen Flächen zu steigern, setzen sie zahlreiche Pestizide ein – dabei kommt vieles zum Einsatz, was bei uns teilweise schon längst verboten ist. Unter anderem bekommt man dort noch auf dem Schwarzmarkt das Insektizid DDT. Verkauft wird den Gärtnern das als „Vitamine“ und „Medizin“. Und es wird gern genommen und nicht hinterfragt. Der Druck auf wenig Fläche viel zu erwirtschaften ist enorm.

Flaschen voll Pestiziden
Einer der Gärtner zeigt mir seinen Giftschrank. ©Markus Wolter/ Misereor

Pestizide bis zum Umfallen!

Und der Blick aus der Küche offenbart ein weiteres Dilemma. Das Loch unten im Bild ist die Wasserquelle für den fünfköpfigen Haushalt. Sie befindet sich direkt neben dem Gemüse-Acker, auf den regelmäßigen Pestizide und Dünger ausgebracht werden – 50 cm entfernt von der offenen Wasserstelle!

Brunnen vor Gemüsebeet
Blick aus der Küche auf die Wasserquelle und das Gemüsebeet. ©Markus Wolter/ Misereor

Die Bauern berichten mir davon, dass viele nach der Anwendung der Pestizide ohnmächtig werden. In den letzten Monaten kam das jedoch nicht mehr vor, der Grund: Die Qualität der Pestizide sei im Zuge der Inflation und nach dem Bann bzw. nach dessen Rücknahme in 2021 so schlecht geworden, dass sie davon nicht mal mehr ohnmächtig werden würden. Sie selbst essen ihr eigen erzeugtes Gemüse nicht – sie wissen ja, was sie darauf versprüht haben. Ihre Nahrungsmittel kaufen sie beim Nachbarn. Der hat natürlich dasselbe Programm durchgezogen, aber gesehen haben sie es nicht. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß…

Es war ein Schaustück dessen, wie Bäuer*innen und Gärtner*innen sich in Abhängigkeiten befinden, aus Unkenntnis und scheinbarer Alternativlosigkeit sich, ihre Böden und Familien mit Pestiziden belasten. Konventionelle Tees trinke ich seit Jahren schon nicht mehr, aber das Erleben dessen was dieser Anbau dort mit Menschen und Mitwelt anrichtet, hat mir die Lust darauf komplett verdorben.

Gemüse – gesund angebaut

Wir kommen zurück zu Prem. Er baut nämlich nicht nur Reis an, sondern auch Gemüse. So ganz anders, als seine Kollegen in und unter den Teeplantagen. Ein Agroforst-Gemüsegarten – Ananas und über zwanzig weitere Kulturen. Eine unglaubliche Vielfalt und kein Einsatz von Kunstdünger oder chemisch-synthetischen Pestiziden ist hier notwendig. Die Fruchtbarkeit ist enorm und er lässt den Garten für sich arbeiten.

Mann hockt in Sri Lanka vor einem Agroforst-Gemüsegarten
Ein begeisterter Misereor-Mitarbeiter im Agroforst-Gemüsegarten. ©Markus Wolter/ Misereor

Ausblick für Sri Lanka

Ich bin fasziniert von und besorgt über Sri Lanka. Die Menschen sind wunderbar, das Klima und die Landschaft ein Traum. Das Land befindet sich jedoch in einer der schwersten ökonomischen Krisen seit Jahrzehnten. Die Auswirkungen des massiven Einsatzes von Pestiziden und Kunstdünger sind an der Gesundheit von Menschen und Schöpfung zu sehen. Was mir so viel Hoffnung macht, sind Menschen wie Prem. Die zeigen, dass es anders geht. Und die Nachfrage nach seinem Wissen, die seit Beginn der Krise extrem angestiegen ist. Viele wollen wissen, wie es denn gehen kann – ohne Einsatz von Pestiziden und mineralischem Stickstoffdünger. Dafür gibt es Lösungen und Ideen und so schlimm die Situation auch gerade ist, ist in dieser Krise vielleicht auch eine Chance für die Land- und Ernährungswirtschaft in Sri Lanka. Hin zu einer Lebensmittelerzeugung mit der Natur und nicht gegen sie.

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Ansprechpartner Portrait

Markus Wolter ist Experte für Landwirtschaft und Welternährung bei Misereor.

5 Kommentare Schreibe einen Kommentar

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    Danke, Markus, für deinen Artikel, der wieder einmal zeigt, wie wichtig es ist, dass Misereor immer wieder den Horizont unserer Krisenwahrnehmung erweitert. Deine Reisen und Berichte sind ein gutes Beispiel dafür, dass Krise und Lösung immer gleichzeitig da sind. Es bleibt auszuhalten, ob die Geschwindigkeit der Lösungen ausreichen wird. Deine Arbeit ist ein wichtiger Baustein, Menschen weltweit zu vernetzen, das Wissen zu vermehren und die Lösungen voranzutreiben.

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    Danke Dir, Markus, für diese Schilderung… Wenn doch nur mehr Menschen erkennen könnten, dass Prem auf dem richtigen Weg ist und es ihm gleich tun würden bzw. Menschen wie ihn unterstützen…

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    Vielen Dank für den sehr lesenswerten und persönlichen Bericht aus Sri Lanka. Das Beispiel von Bauer Prem zeigt, wie es anders gehen kann – mit Vielfalt und Wissen statt Monokultur und massiven Pestizideinsatz, durch den die Menschen vor Ort erkranken und ihre Lebensgrundlagen auf Jahrzehnte belastet sind. Bäuerinnen und Bauern wie Prem leisten Pionierarbeit und entwickeln praxistaugliche Alternativen für eine zukunftsweisende Ernährungssicherung – zum Wohl von Menschen, Natur und Umwelt. Ich habe großen Respekt vor ihrem Engagement und ihrer Arbeit in einem schwierigen Umfeld.

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    Danke für diesen eindrücklichen Artikel zu Sri Lanka ! Es ist in der Tat extrem wichtig, dass gerade in Zeiten wie diesen Leute wie Prem mehr Unterstützung bekommen und das sich mehr Bauern und Bäuerinnen in dieselbe Richtung aufmachen.

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    Wieder ein beeindruckender und bewegender Beitrag, der nachdenklich und zuversichtlich zugleich macht. Der renommierte Klimaforscher Prof. Schellnhuber drängt aus Klimaschutzgründen darauf, die Landwirtschaft in Richtung einer ökologischen „Garten-Bewirtschaftung“ weiterzuentwickeln. Beispiele wie Bio-Bauer Prem aus Sri Lanka zeigen, wie das aussehen könnte!

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